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Samson Raphael Hirsch-
Jubiläums-Nummer.
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Herausgegeben
\on iler
m. Redaktion des „Jsraelit" ^
zum 25. Siwan 5668.
Frankfurt a. Aain
Verlag des .Jsraelit" G. m. b. H.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
A Aufsätze und Briefe.
Samson Raphael Hirsch. Ein Lebensbild 5
S. R. Hirsch's erste Rabbinerstelle. Nach den Akten des Qroß-
herzogl. Ministeriums dargestellt von Landrabbiner Dr. Mann-
tieimer in Oldenburg 17
Der Parallelismus der Satzglieder. Aus einem Briefe
S. R Hirsch's an Moses Mendelsohn in Hamburg 17
Sei stark und fest. Aus einem Briefe S. R. Hirsch's an
Simon Mai in Hamburg 18
Samson Raphael Hirsch als Oberlandesrabbiner von Mähren.
Von Rabbiner Dr. David Feuchtwang in Wien 19
S. R. Hirsch und die österreichische Revolution.
Ein Sendschreiben aus dem Jahre 1848 26
Religionsphilosophisches in S. R. Hirsch's Kommentar zum
Pentateuch. Von Prof. Dr. Finl< in Frankfurt a. M. ... 28
Samson Raphael Hirsch und das jüdische Rußland .... 32
Ein Wort über S. R. Hirsch's wissenschaftliche Methode.
Von Dr. Samuel A. Hirsch in London 33
Zur Würdigung der schriftstellerischen Eigenart Samson
Raphael Hirsch's. Von Dr. Herrn. Deutsch in Fürth ... 34
Aus dem Briefwechsel zwischen S. R. Hirsch und Qerson
Josaphat 35
Jüdische Jugend vereine. Ein Brief S. R. Hirsch's 36
Wie Israel seine Großen ehrt. Ein Gutachten S. R. Hirsch's aus
dem Jahre ISöT 36
Samson Raphael Hirsch's Ideen zur inneren Politik der
deutschen Judenheit. Von Dr. Ed. Biberfeld in Berlin . 37
Samson Raphael Hirsch als Erzieher. Von Dr. J. Wohlge-
muth in Berlin 40
Samson Raphael Hirsch in Ungarn. Von Rabbiner Ph. Fischer
in Devavänya, Ungarn 45
Samson Raphael Hirsch in Holland. Von Justus Tal in
Amsterdam 47
Seite
47
51
Aphorismen zur Grundlegung der jüdischen Ethik im Geiste
Samson Raphael Hirsch's. Von Jacob Rosenheim in
Frankfurt a. M
Bibliographie der Werke und Aufsätze S. R. Hirsch's. Von
Heinrich Eise mann in Frankfurt a. M
B. Gedichte und Feuilleton.
An Samson Raphael Hirsch. Von S. H., Frankfurt a. M. ... 3
Sonett. Von F. Bollag-Zürich 19
Lichtstrahlen aus Samson Raphael Hirsch's Schriften. (Aus
den Psalmen.) , 20
1 Vor dreißig Jahren. Von Gottfried Goldschmidt-Halberstadt 22
Schulerinnerungen. Von Moritz A. Loeb-Frankfurt a. M. ... 24
Die letzte Predigt. Von Hermann Seh wab- Halberstadt . . 50
C. Bilder.
Vollbild S. R. Hirsch 4
Rabbi Mendel Frankfurter, Großvater Samson Raphael Hirsch's . 6
Raphael und Gella Hirsch, die Eltern Samson Raphael Hirsch's . 7
Chacham Bernays 8
Samson Raphael Hirsch, als Landrabbiner zu Emden 9
Hirsch's Wohnhaus an der Schönen Aussicht in Frankfurt am Main 12
Verkleinerte Probeseiten aus einer Handschrift Samson
Raphael Hirsch's. (Gedruckt im Jeschurun, Jahrgang 16, Heft 3.) 14
Moses Mendelson 18
Die Altschul in Nicolsburg 21
Die ,, Brück" mit ,, Neuschul" in Nicolsburg • . 22
Nicolsburg: Judengasse mit Rabbinerhaus 23
Rabbonimplatz auf dem Friedhof in Nicolsburg 24
Konzept einer Eingabe des Oberlandesrabbiners Samson Raphael
Hirsch an den Oesterreichischen Kultusminister in Betreff seiner
Amtsniederlegung 27
Druck voD Rupert Haumbach, Kranktiirt am Main.
j\n Samson T^aphael j-drsch.
y\\xj steigt der ZTag, der deinen T^uhm verkündet,
pas €hrenreis dir um die Schläfe windet:
Geschlossen hat sich dein Jahrhunderlkranz.
Und hell durch Wolken der Vergangenheiten
ßricht, €dler. sich dein ßild; in ^ukunjtsweiten
Strahlt mächtiger sein vielgegrüssler Glanz.
Sturmtrolzend gleich der hundertjähr'gen €iche,
j^errschsl du ein fürst der Geister in dem l^eiche,
pas eigne l^ra/t dir ragend liess erstehn.
penn l^eime, deiner l^rone reich entquollen,
j^ast du gesenkt in brachgeleg'ne Schollen,
Und Wipfel sprossten, die dich jetzt umwehn.
Was kühn dein Geist durchdacht in ernsten Stunden,
Was für die jVlenschheit liebend du empfunden:
€in hohes £ied von deiner üippe klang.
Von Gott begnadet, den du stolz verkündet,
fjdiSl pu begeistert t7erzen ihm entzündet
}A\\ heil'gem feuer, das dich selbst durchdrang.
)\uf edlen fibh'a hast, Wächter, du gewaltet,
frei hast du Judas pahne dort entfaltet,
,,Gotl uf\d die üehre!" leuchtet stolz auf ihr.
Von hoher Warte sahst du's ferne blitzen,
pem feind entgegen tratest du, zu schützen
pen Stamm, der sich geschart um dein panier.
Wir stehen fest ! Jvlag uns deiri )\rm auch fehlen,
poch schwebt dein Geist gar mächtig um die Seelen,
Und deine Zlaten atmen deine l^rafl.
purch ZTaten wollten — werden wir dir danken,
pas sind die schönsten üorbeern, die dir ranken.
fizW dem, der selbst ein penkmal sich erschafft!
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amsti laphael Hipseh ^^ ^^t
Ein Lebensbild.
Es kennt Gott die Tage sittlich
ganzer Mensclien, und ihr Erbe
bleibt für die Ewigkeit.
(Ps. 37, 18.)
,Ganze^ Menschen, die ausnahmslos alle ihre
Beziehungen Gott unterordnen, nur von einem Ge-
danken, dem Gedanken an ihre Pflicht erfüllt sind,
wie bescheiden auch ihr Glück, ja wie bekümmert
oft ihre Lebenslage, Gott ist jedem ihrer Tage nahe,
jeder ihrer Tage steht unter seiner besonderen Ob-
hut, und keiner ist bedeutungslos ; allein ihre eigent-
liche Errungenschaft, das, was sie durch ihre ganze
irdische Wallfahrt von Gott errungen, das läßt sich
nicht nach der äußeren Erscheinung ihrer irdischen
Tage ermessen, das reicht über die kurze Spanne
ihres irdischen Hierseins weit hinüber, das gehört
der Ewigkeit an, das geht mit ihnen in die Ewigkeit
und von ihnen auf ihre Kinder über.'"
Hirsch's Commentar z. St.
Kit diesen Worten liat, unbevvui.it, Samson Rapliael Hirscli
^ sich selbst so wahr und l\lar g^ezeichnet. dal! einer
Darstellung dieses ei^j^enartigen Lebens und Wirkens damit
die Grundlinien ^ej^eben sind, deren Spuren sie nur zu folgen
braucht. Sein Leben und sein Wirken! So harmonisch
beide sich auch in dieser j{rol.izü<{i^ an5.jeleji;ten Persönlichkeit
vereinigten, so j^ewiLi sie durch ihr bloües Leben wirkte und
nur für dieses Wirken lebte, der Bioji^raph niul,i das Leben
und das Wirken getrennt schildern, um den unge\v(")linliclien
Erfolg dieser wunderbaren Verbindung ins rechte Licht zu
setzen. Hirsch zählt unter die bedeutenden Männer, die schon
bei Lebzeiten eine groLie Verehrung und eine ebenso erbitterte
Gegnerschaft erfahren haben.
Sein Wirken geluirte der grollen Gesamtheit und vor
dieser vollzog sicli auch sein Leben. Jeder Markstein darin
bot den Verehrern und Gegnern erwünschte Veranlassung, den
Werdegang des Gefeierten und Bekämpften zu schildern, so
daü wir eigentlich keinen .Wangel an biographischem Material
zurWürdigung Samson Rapliael Hirsch's liaben. Und dennoch!
Wie erscheint alles das, was die groLie Welt von Samson
Rapliael Hirsch weili, so gering, so ungenügend und mangelhaft
demjenigen, der das Glück hatte, dem grolkn Mann menscii-
üch näher zu treten und einen Blick in dieses edle Herz, auf
diesen hellen Geist zu werfen ! Die Biographen geben ganz
genau Bescheid über den Geburtstag, über Tag und Datum,
an dem er einen Wirkungskreis verlassen und einen anderen
betreten hat. Aber die einzelnen Tage selber, wie er sie
als Mensch, als Gatte, als Vater, als Rabbiner, als Lehrer,
als Schriftsteller verlebte, und was sonst die Ausstrahlungen
seinerungewöhnlichen Vielseitigkeit waren, die stille, schlichte
Grölk, welche alle Stunden und A\inuteii seines irdischen
Wesens und dasjenige seiner Umgebung heiter verklärte,
das hat noch keiner geschildert Gott allein kennt die Tage
sittlich ganzer Menschen.
Und ebenso das Wirken. Wol liegt ein grolier Teil
dieser Wirksamkeit in den Institutionen, die er geschaffen,
in den Schriften, die er hinterlassen \ or aller Welt da.
Aber die ungezählten Tausende, auf die er gewirkt, die
Art. wie sein Blick, sein Wort, seine Lebenstat dem Leicht-
sinn gesteuert, das Gute gefördert, das Wahre gefestigt,
alles das vermag keiner zu bewerten und abzuschätzen.
Wie viel geknickte Existenzen, wie viel körperlich und
sittlich Schwache, hat seine Herzensgüte, sein unversieglicher
Glaube an den guten, in jedem Menschen schlummernden
Kern, wieder aufgerichtet und mit neuer Lebenskraft und
mit frischem Lebensmut ausgestattet, den die so neu Be-
lebten und Aufgerichteten wieder auf ihre Umgebung, auf
Kinder und Kindeskinder übertragen haben. Diese ganze
in die fernste Zeitüchkeit reichende Wirksamkeit, Errungen-
schaften, die für die Ewigkeit bleiben, die ebenfalls nur Gott
in ihrer vollen Tragweite kennt, wer vermöchte sie erschöp-
fend zu schildern?
Auch die folgenden Zeilen vermögen es nicht. Aber
wenn sie bei allem Streben und Ringen dem Gedächtnis
des grolien Mannes gerecht zu werden durch das Gepräge
des Ungenügenden, Bruchstückartigen, das sie in jedem
Zuge tragen, den grolien Abstand zwischen dem zu Schil-
dernden und der Schilderung zum BewuLitsein bringen, so
mag auch auf diesem Wege das Gedenken des Gerechten
den Lesern zum Segen werden. Den Einsichtigen unter
ihnen braucht es ja nicht erst gesagt zu werden, wie schwer
die Einschätzung der Verdienste groLier Männer ist, die der
Hauch der l Insterbliclikeit umwittert, weil der Schwerpunkt
ihrer Bedeutung nicht in der Gegenwart, sondern erst in der
Zukunft liegt. In der Gegenwart liaben die Gedanken, Em-
pfindungen und Handlungen Samson Rapliael Hirsch's viel
Gegnerschaft gefunden. Sie standen bei seinen Lebzeiten
und stehen noch heute vielfach im Gegensatz zu den herr-
schenden, landläufigen. Aber die zahlreiche, bereits durch
alle Teile der groLien Jüdischen Diaspora verzweigte Hirsch-
Gemeinde wäclist von Tag zu Tag. Die werbende, zündende
Kraft der in seine Schriften niedergelegten Gedanken führt
ihr fort und fort neue Mitglieder zu. Diese Schriften sind
bereits in mehrere Sprachen übersetzt. Wer sie liest, wer
sich gar in sie vertieft, ist für ihre Anschauungen über Welt,
Menschheit und Judentum gewonnen. Man empfindet den
Hauch der Göttlichkeit, den sie atmen. Es ist die Kraft der
r^rophetensprache, die aus ihnen spricht, sie sind nicht wie
andere Bücher, sie sind mit dem Herzblut des Autors ge-
schrieben. Sie wecken nicht nur Gedanken und Gefühle,
sie besitzen eine unmittelbare Wirkung auf den Willen der
Menschen, die zum Handeln drängt, nicht nur zum Denken
und Empfinden. Sie werden in immer steigendem MaÜe die
Gegenwart beeinflussen, die Zukunft aber wird ihnen ganz
zufallen. Diese treibende, zukunftgestaltende Kraft jener
geistigen Saatkeime möchten die folgenden Zeilen durch das
Bild des Säemannes fördern, der sie in den Schoü der Zeiten
mit seiner gottgesegneten Hand gestreut hat.
Saiiisoii Rapliael Hirsch wurde am 25. Siwaii im Jalire
55(i8 zu Hambur,u' geboren und ist als Rabbiner der Israe-
litischen Relioions.uesellschatt zu Frankfurt a. M.. 81 Jalire
alt. am 27. Teweth des Jahres 504*) .gestorben. Welches
wunderbare Walten der göttlichen Vorsehun.y; knüpft sich
für den über dieses Jahrhundert schweifeinlen Blick nur an
die beiden Städtenamen, welche es beo'renzen. Als in den
ersten Jahrzehnten des \ oritien Jahrhunderts, unter dem Hin-
druck der iuni;'en französischen Rexolution und ihrer politi-
schen rmwälzun.u'en. alles .Alte. Bestehende, l ieberkonniiene
in Frage gestellt und in Trünniier geworfen wurde, damals
glaubten \iele durch die neu auf sie eingedrungene europäische
Kultur Geblendete, daß ihr altes Judentum dem Zuge der
Zeit folgen und zu Gunsten einer xerwässerten christlich-
protestantischen Kirchenreligion abdanken müsse. Viele gingen
offen zur herrschenden Religion durch die Taufe über, andere
glaubten Wunder wie klug zu handeln, wenn sie statt der
Juden das Judentum tauften oder ihm doch einen christlichen
Anstrich gaben. Sie tauften ihre alten Synagogen in moderne
Tempel um. ersetzten die jüdische Tefillo durch deutsche Ge-
bete, die alte Droscho durch gehaltlose Predigten, sie führten
christliche Chöre. Kirchenglocken und Kirclienorgeln ein.
\erdrängten das Feuerw ort der Thora durch wässerige Kate-
chismen, zerschnitten das Band, das sie mit der Ver-
gangenheit \erband und leugneten die Zukunft Israels, um
als echte Weltkinder ganz der Gegenwart, der Zeit, dem
Zeitgeist, wie man beschönigend meinte, sich hingeben zu
können. Ihid dieses Attentat nannte man nicht Verrat. Ab-
fall. Treubruch oder Revolution, sondern Reform des
Juden tu ms.
Ihren Anfang hat diese Rexolte gegen das überlieferte,
historische Judentum in Berlin und Leipzig genonnnen. Sie
konnte sich aber dort zunächst nicht lange behaupten. In Ham-
burg gelanges den Neuerern, sich zu einem dauernden Verband
zu \ereinigen, der noch heute unter dem Namen ,. Tempel-
Verband" besteht. Ein Schrei der Entrüstung ging durch die
ganze europäische Judenheit als das Hamburger Rabbinats-
Kollegium im Jahre 1819 von den dortigen Vorgängen Mit-
teilung machte und in einer besonderen Schrift das Ver-
dikt der berühmtesten rabbinischen Autoritäten über dieses
unerhörte l 'nterfangen veröffentlichte, l 'nser zeitgenössisches
Geschlecht kann sich nur schwer einen rechten Begriff von
der Bekümmernis und der Wehmut machen, mit welchen
damals und noch lange Jahrzehnte nachher dieser xon Ham-
burg ausgehende weitschichtige Abfall die Geister und Ge-
müter der Treugebliebenen Israels erfüllte. Sie konnten nicht
wissen, was heute xor unserem Blick offen daliegt, dali Gott
die Heilung schon \orbereitet hatte, bevor die Wunde ge-
schlagen war. daii schon elf Jalire vorher, derjenige geboren
war, der die Reform so nachdrücklich und so siegreich be-
kämpfte, dal! sie heute sich und ihren Namen \erleugnet.
Von der Reform spricht niemand mehr gerne, und als Reform-
Jude nuichte keiner gelten. Man nennt sich liberal, fort-
geschritten, freisinnig und wie all" die Feigenblätter heilien,
mit welclien die Fahnenflucht in erfinderischer Not ihre
BlölJen zu \ erdecken sucht, nur nicht Reform! Das ist das
unbestrittene Verdienst Samson Rapliael Hirsch's und der-
jenigen, die er zu Mitkämpfern für diesen Gotteskampf be-
geistert hat. Fr hat es selber oft erzählt, dali es tatsächlich
der .Abfall xom Judentum in seiner Vaterstadt war. iler ihn
frühzeitig auf den Lebensweg drängte, auf dem er das an-
gegriffene Väterheiligtum von Sieg zu Sieg führte. Als eir-
und zwölfjähriger Knabe war er Zeuge der Zusammenkünfte
im elterlichen Hause, in welchem (lie Treugebliebenen die
Tagesereignisse besprachen und die Schritte berieten, mit
denen dem kecken I .ebermute der Neuerer zu begegnen
sei. Das ratlose, \erzw'eifelte Weh, das aus den Worten
und den blolJen AVienen dieser wackeren Männer sprach.
war dem Knaben so nahe gegangen, dali er sich damals ge-
lobte, sein Leben dem von seinen eigenen Kindern preis-
gegebenen jüdischen Heiligtum zu weihen.
Aber dieses elterliche Haus war auch wie wenig andere
dazu geeignet, einen Mann \on der geistigen und sittlichen
GröLie Samson Rapliael Hirschs zu erzeugen und zu erziehen.
Als vor 19 Jahren sein irdisches Teil der Frde zurückgegeben
wurde, suchten an seiner Bahre unil noch Tage und Wochen
lang nachher zahlreiche Trauerredner seine xielseitigen Vor-
züge und Tugenden zu schildern. Bei allen diesen Anlässen
wurde ein grolies Verdienst übergangen oder von wenigen
kaum gestreift: das grolie Verdienst seiner Ahnen,
das ungewöhnliche mnx mn, das ihm zur Seite
stand.
Es ist begreiflich und \erzeililicli, wenn das tränen-
umflorte Auge, geblendet von dieser im Glänze eigener Ver-
dienste leuchtenden Lichtgestalt leicht geneigt ist. angesichts
der unsterblichen Verdienste des Enkels die der Ahnen zu
unterschätzen. Diese Gefahr liegt bei der Schilderung einer
genialen, originellen Persönlichkeit vom Schlage Samson
Rapliael Hirsch's ganz besonders nahe. Bei seiner Eigenart
des Denkens. Redens. Schreibens und Handelns glaubt jeder
unwillkürlich xor einem abgeschlossenen Charakter zu stehen,
der alles aus sich selbst und nichts von seiner Umgebung
hat. Und dennoch wurzelt Hirsch mit seiner ganzen mäcli-
Rabbi Mendel Frankfurter,
Samsuii Rapliael Hirscr.'s Großvater.
tigen Persönlichkeit in der Vergangenheit, in dem Leben und
VVirken seiner groüen Ahnen, zu welchen er Zeit seines
ganzen Hierseins als zu den Idealgestalten für die Lösung
seiner Lebensaufgabe emporblickte. Es wäre ihm. besonders
in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit. \iel Verkennung
und Verdächtigung erspart geblieben, wenn die große -Welt,
wenn \'or allem seine nächsten Gesinnungsgenossen da\on
unterrichtet gewesen wären.
Hirsch w ar. nach seinem Lehrer, dem Chacham Bernays.
einer der ersten Rabbiner, die gründliche Kenntnis der
Thora mit ebenso gründlicher allgemeiner Bildung \'er-
banden. Sein modernes logisches Denken, sein vielseitiges
profanes Wissen, xor allem aber seine Meisterschaft in der
Handhabung der deutschen Sprache, waren es, womit er vor
mehr als sechzig Jahren die Welt überraschte. Das alles trug
dazu bei. dass man in ihm nicht so sehr den Rabbiner, als
den deutschen, den modern gebildeten Rabbiner an-
staunte. Die grosse Mehrzahl junger Rabbiner, die sich
damals ebenf'ills weltliche Bildung aneigneten, \erloren auf
dem \\ ege zur .Aneignung dieser Bildung ihr Judentum und
wurden dessen getälirlichsten Feinde. Dieser Umstand ver-
schuldete es. dal.i man mifitrauisch gegen die modern ge-
bildeten Rabbiner wurde, und daß auch Hirsch unter diesem
.'Wil.itrauen in den ersten Jahren seines öffentlichen .Auftretens
viel zu leiden hatte. Ja. wenn modernes Wissen imd die
korrekte Handliabtm.ü^ der deutschen Sprache ein solches
Militrauen rechtferti«^te, so hatte Hirscli durch die Univer- t
salität seiner weltlichen Bildung; und durch die Klassicität
seines Styls viel mehr Anspruch darauf als \iele andere.
Er war ein jjroiier Deutscher, das sah, das wulJte die jüdische
Welt. Was sie aber nicht wulite, war, dali er ein noch \'iel
größerer Jude als Deutscher, ein viel tief.y;ründio:erer Kenner !
der Tliora als der modernen Wissenschaften war, dal.i er
mit jeder Fiber und Faser, in dem Judentuni, in dem vor-
bildlichen Leben und \\ irken seiner Eltern und Großeltern
wurzelte, und dali er daraus die Kraft zog für all das Qroüe
und Herrliche, das ihm zu schaffen vergönnt war. Delihalb
ist zu einer richtigen Würdigung Samson R. HirsclTs ein
kurzer Hinweis auf seine .Abstannnimg inierläl.ilich.
Der erste Blick darauf zeigt, dal.i Hirschs Familie aus
Frankfurt a, M. stannnt, und dali die Thora ihr altes Heim
angeeignet und nahm, mit reichen Kenntnissen ausgestattet,
eine Lehrerstelle in Stuttgart an. Von da ging er nach
Frankfurt a. M. und heiratete dort die Tochter Zippora des
Rabbi Lob Salomon in Altona. Nach seiner Hochzeit lieü
er sich als Lehrer in Berlin nieder und gab dort das
K"3r"in'7 n"::n r-^in '□ heraus, kehrte später wieder nach
Hamburg zurück und lebte dort \()n seiner Hände Arbeit,
ohne jedoch sein emsiges Thorastudiimi und den Unterricht
thorabeflissener Schüler aufzugeben. Im Jahre 5o39 wurde
er zum Verwalter und Aufseher der Talmud Thora-Schule
in Altona erwählt
Die blühende heutige Talmud Thora-Schule in Hamburg
verdankt ihm ihre Gründung. Noch bei Lebzeiten des
Gründers scliilderte die hebräische Zeitschrift f]DNr:n, wie ihm
der geistige Notstand der armen Kinder zu Herzen ging,
wie er:"die Reichen in Hamburg dafür interessierte und die
Mittel zur Gründung einer iüdischen Scluile zusanuiien-
Raphael und
die Eltern Samson
wieder aufgesucht hat, indem Gottes Vorsehung es fügte,
dalJ der gröüte Teil seines Lebens und V\ irkens sich an i
diese Stadt knüpft und dort auch den zeitlichen AbschluLi
fand. Der Grolhater S. R. Hirsch's war Rabbi .Wendel
Frankfurter, dessen gleichnamiger Grol.Kater im Jahre
IWO von Frankfurt nach Hamburg übersiedelte. Hirsch's
Groüvater, Rabbi .Wendel Frankfurter igeb. 1742, starb
wie sein l:nkel <S1 Jahre alt, !<S,l?) war ein Schüler seines
Vaters des Dajan R. Schelomo Frankfurter imd besuchte
später die Jeschiba des Rabbi Jonatan l'ibeschütz ' i. Fr hatte
sich bereits aulJerjüdisches Wissen uinl moderne l-Jildung
*) Kine interessante Notiz über diesen seinen Lehrer sowie eine Piille
sonstiger Daten aus dem Leben und Wirken U. Mendel l'ranl<furters bringt
das i<ürzlich erschienene Werk ^rio'' H't^ von Klausral)biner Duckesz in
Altona; auch die hier folgenden Angaben --ind diesem trefflichen Werk ent-
nommen
Oella Hirsch
k'aphael Hirsch's.
bettelte, in welcher Tliora und allgemeines, bürgerliches
Wissen Hand in Hand ihre ebenbürtige Pflege finden sollten
und in welcher den armen Kindern aui.ier dieser geistigen
Nahrung auch noch alle kt'irperlichen Bedürfnisse bestritten
w tirden. Wie diese Schöpfung \on allen Seiten gefeiert
wurde, wie die Gemeinde .Altona die seltene Thorakunde
R. .Wendel Frankfurters dadtirch feierte, dali sie ihn zu ihrem
Roscli P>es diu und Alore Zedek im Jahre 5.572 ernannte, das
sei hier nur nebenbei erwähnt, lins interessiert hier in
erster Reihe, die Beziehung zwischen Grol.ivater und F.nkel.
Wenn imter den Grol.ltaten des Letzteren, sein erfolgreiches
Streben für eine harmonische Vereinigung \(>n Thora und
Derech-Frez vielleicht den ersten Platz einnimmt, so sehen
wir, wie ihm auch hierin das grol.i\äterliclie Beispiel \'or-
geschwebt hat.
Acht Jahre Nor seinem Tod hat der QrolJvater seine
letztviiliig^en Bestinmum^en für seine Kinder niederjje-
schrieben. die iieiite nocii xorhanden sind und die un^ewölm-
liche QottestLirclit des Testators in liellem Glänze zeijjen.
Er beschwört darin seine Töcliter nicht mit unxerliülltem
Hauptliaar zu j^ehen und lejjt ilinen das Kasclirns ihres
Hauses als Getienstand besonderer Fürsorj^e nahe. Seine
Söhne ermalmte er, keinen ihrer Ta,y,e ohne Beschätti'>un^y,'
mit der Thora dahin j^^ehen zu lassen und wenn es auch
nur eine halbe Stunde tät;:lich wäre. Bestimnnm5};en, welche
er zwei Jahre \ or seinem Tode noch erj2:änzt und \ ertieft hat.
Wenn wir dieselben Anliegen bei dem Enkel in erweiterter
QroOzüo^io^keit w ieder finden, wie er den Kampf aufninmit
geo;en eine Zeit, die dem jüdischen Weibe die Krone häus-
licher Züchtigkeit \()m Haupte reil.it, wie in das Verhältnis
zwischen ihm und seinem Schüler Grätz der erste MilJton
konmit, als dieser seine jun^e Frau mit unverhülltem Haupt-
haar dem Lehrer Norstellte und dafür das zurechtweisende
Wort des .A\eisters hinnehmen muß, mit welcher l Imsicht
und praktischen Einsicht er alle seine Kaschrusanstalten
gründete und \erwaltete. wie er durch Wort und Schrift
Chacham Bernays.
durch Lehre und Beispiel inmier und überall auf Talmud
Thora drängte, so erscheinen der groLien Welt diese eigen-
artigen Züge als Beweise für die Eigenart und Originalität
Samson R. Hirschs. Aber Gott allein weil.i, wie weit in dem
Enkel der GrolJxater weiter lebte und wie in dem Besitz
eines solchen Enkels der GroLivater den hinnnlischen Lohn
für seine eigene entsagungsvolle Hingebung an Gott und
seine Thora erblicken durfte, die er selber einmal airi Ende
des im Jahre 5559 zu Hamburg erschienen Dmat^ ynr ied
mit den Worten andeutet: nnb '- '':intr non \-h'Ci mW? "nj7i
'^z^ ^^?h'f rf<i 'n hni ^e; y^j'^ nx pmn.
AuLier dem GroLivater war von noch mächtigerer An-
regung auf den zum Jüngling heranwachsenden Knaben
sein Lehrer Chacham Bernays, der an die Spitze der
Hamburger Gemeinde als deren geistiger Führer im Jahre
1821 berufen wurde, also gerade in dem Jahre in dem Hirsch
Bar-Mizwa wurde. Er war der erste Rabbiner Deutschlands,
der mit seiner ungewcihnlichen geistigen Begabung ausge-
dehnte Thorakunde und hohe klassische Bildung verband.
Diese harmonische Vereinigung \'on zwei Gebieten, die bis
dahin als unvereinbare Gegensätze galten, finden wir auch
bei seinem gröl.iten Schüler, bei Samson Raphael Hirsch
wieder, der sie aber in seiner genialen Weise noch weiter
ausbaute imd sie durch seine Schriften zum Gemeingut der
jüdischen öffentlichen /Meinung in Deutschland machte.
Bernaxs war wie sein Schüler ein zündender, hinreiüender
Redner, aber er hat seine fruchtbare Tätigkeit auf das ge-
sprochene Wort beschränkt: Schriftliches hat er nicht
hinterlassen. Er war außerdem kein Volksredner: Seinem
hohen Gedankenflug vermochten nur Kenner zu folgen, von
deren Begeisterung dann allerdings auch die große Masse
ergriffen wurde, während Hirsch ein Volksredner \on Gottes
Gnaden war, für dessen packende Beredsamkeit kein Hörer
zu hoch und keiner zu tief stand. Wie Chacham Bernays
seine besondere Fürsorge der Hamburger Taliriud-Thora zu-
wandte und die ungebildeten Lehrer durch thorakundige
und modern gebildete ersetzte, wie er den Kampf gegen
die Irrlehren der Hamburger Tempelgemeinde aufnahm und
das Verdikt der rabbinischen Koryphäen aus dem Jahre 1819
im Jahre 1842 aufs neue durch eine Verwarnung bestätigte,
als in diesem Jahre eine neue Auflage des Tempel-Gebet-
buchs erschien, diese und ähnliche Züge haben ohne
Zweifel auf die grol.ie pädagogische Tätigkeit Hirsch's, auf
seine Art und Weise als Kämpfer gegen die Reform, an-
regend und Norbildlich gewirkt. Chacham Berna>s zählt
auch zu den wenigen zeitgenössischen Autoritäten, die
Hirsch in seinen späteren Schriften zitiert. In einer pole-
mischen Schrift, die ihm ein literarischer Gegner durch
die Verleumdung abnötigte, als sei Hirsch's Thora-Konmientar
ein Plagiat an seinem Lehrer Berna\s, zeichnet Hirsch sein
Verhältnis zu Berna\s durch folgende Sätze:
,.Uebrigens steht mein Kommentar auch mit
dem, was ich aus dem belehrenden und geist-
weckenden Umgang mit Bernays zu schöpfen so
glücklich war, in keiner näheren Beziehung als der
allgemeinen Anregung und des voranleuchtenden
Strebens, die Hallen der mm mit dem Durst nach
Erkenntnis zu betreten. Was ich Weises und Törichtes
auf diesem Wege gefunden und in meiner Arbeit
niederzulegen gewagt, habe ich, wo ich keinen Ur-
heber zitiere, vor Gott und Welt allein zu vertreten.'-
Den spornenden, anregenden Einfluß, den das Eltern-
haus auf ihn ausübte und der echt jüdische Geist, der darin
waltete, die innige kindliche Verehrung, mit welcher er an
seinen Eltern hing, ..den Wächtern seiner Kindheit, den
Führern seiner Jugend und den Freunden seines Mannes-
alters", wie er sie am Eingang seines ihnen gewidmeten
mm nennt, das zeigen wie nichts sonst die Briefe, die er
als Student nach Hause schrieb. Aus ihnen spricht in
wunderbar ergreifender Weise die frühe Reife des Jünglings,
sein goldenes Gemüt und seine ungewöhnliche Bescheiden-
heit. Diese Briefe, die noch heute erhalten sind, lieferten
das trefflichste Material für eine Schilderung ihres Schreibers.
Unter seinen letztwilligen Verfügungen findet sich jedoch
die Bestinmiung, daß keiner seiner Familienbriefe veröffent-
licht werden s(»ll. Sie beginnen mit dem April des Jahres
1828, als Hirsch im 20. Jahre seine Vaterstadt verließ, um in
Mannheim die Jeschiba von Rabbi Jakob Ettlinger V'i't zu
besuchen. Ein Jahr war er als Lehrling in einem Hamburger
Geschäft tätig, doch fand er in dem geschäftlichen Beruf
keine Befriedigung. Er verließ das Geschäft und trat in
das Gymnasium ein, während er gleichzeitig den Unterricht
des Chacham in Thnach und Talmud genoß. Er selber
schildert in seinen „Neunzehn Briefen'" diesen seinen Ent-
wicklungsgang mit den Worten:
„Sie wissen, wie bereits in früher Jugend diese \
Gegenstände meine Seele beschäftigt, wie \'on er- |
leuchtet religiösen Eltern erzogen, früh Thnachs j
Töne zu meinem Qemüt geredet, und aus freier '
Lust mit schon gereifterem Verstand Thnach selbst \
micii zur Qmoro geführt, mich l<ein äußeres Be- 1
dürfnis mich den Rabbinerstand hat wählen lassen,
sondern innerer Lebensplan^
Auf seiner Reise nach Mannheim kam der 20jährige
Jüngling zum ersten Male nach Frankfurt a. M. und hielt
sich dort 12 Tage auf. Dieser Aufenthalt war bedeutungs-
voll für seinen Lebensgang. Durch Vermittelung von
Gumprecht, der mit seinem Vater in Geschäftsverbindung
stand, lernte er den Baron Anselm von Rothschild kennen
und wurde \on ihm zu Tisch geladen. Hirsch hinterliei.i als
20jähriger Jüngling einen so tiefen Eindruck, daii, als der
Baron zwei Jahre später von der Oldenburgischen Regierung
nach einem geeigneten Landrabbiner gefragt wurde, er
Hirsch für diese Stelle empfahl. Auch die Gegner seiner
jüdischen Anschauung, die Herren Dr. Creiznach, Hiller, Dr.
Weil lernte er damals kennen. Er brachte einen Abend in
der ..Harmonie", der jüdischen Freimaurerloge, zu, in welcher
die größten Verächter des Judentums sich damals zusammen-
fanden. Ihre Gesellschaftsräume befanden sich in dem Hause
Ecke der SchützenstralJe und Schönen Aussicht. Daß in
demselben Hause heute der Verein ,Mekor Chajim" seinen
Sitz hat, veranschaulicht \ielleicht am besten den Wandel
der Zeiten, den Gottes wundermächtige Vorsehung durch den
jungen Mann angebahnt hat, von dessen Bedeutung die Herrn
Dr. Creiznach und Genossen sicher keine Ahnung hatten,
als sie ihn in ihrer Freimaurerloge damals kennen lernten.
- Auch R. Wolf Heidenheim in Rödelheim und R. Moscheh
Tobia in Hanau suchte Hirsch damals auf; letzterer hat dem
für jede schlichte Größe empfänglichen Jüngling besonders
imponiert.
In Mannheim besuchte Hirsch die Jeschiba des späteren
Oberrabbiners Jakob Ettlinger, doch verblieb er daselbst
nur ein Jahr, um im Jahre 182<' die Universität Bonn zu be-
ziehen. Die Hochachtung, mit welcher noch viele Jahre
später der Lehrer über das gründliche Wissen des Schülers
urteilte, ist aus einer Antwort ersichtlich, die Ettlinger auf
eine Anfrage an Hirsch richtete und die in den Tri" ^23 n"itr
No. 86 abgedruckt ist.
Er nennt ihn den Meister, der den Lehrer durch Vor-
legung seiner Frage prüft, und glaubt sich kurz fassen zu
dürfen, da er aus der Fragestellung die Gründlichkeit und
Sachkunde ersehe, mit welcher der Fragesteller die ver-
schiedenen Seiten der Frage behandelt. nN^r h'^nü'^ io ;*? pna
ni<-]}u no '"'0 r"rycb v"'"i'~"'^ m^p^ K2n ;r b]! ik'k v:: Vy
Die Frage ist eine so schwierige, daß Rabbiner Ettlinger
am Schluß empfiehlt, Hirsch möge sie noch einem dritten
Gelehrten vorlegen, damit die Entscheidung durch ein drei-
gliedriges Bes-din erfolge: nr ^icn*'? pcsn j73i: irx:: dion
i:ci; nn« mio nyn my '"3 n"rvt: fi^LiÄ" dx D'y; hdi :n£D na
'i W ;n n'2D poen x:i'ti'.
Wie in Mannheim verblieb Hirsch auch an der Univer-
sität Bonn nur ein Jahr, von 182') bis 1830. Sein ungewöhn-
licher Wissensdurst, sein heller Geist und scharfer Verstand
verbunden mit einem eisernen Fleiß bewältigten in einem
Jahr, was andere in einem Triennium nicht erreichen. Obwohl
erst 21 Jahre alt, bildete Hirsch den Mittelpunkt, um den
sich die dortigen jüdischen Studenten gruppierten. Hoch-
interessante Angaben über den Einfluß Hirschs auf seine
Kollegen in Bonn, finden sich in den nachgelassenen
Schriften Abraham Geigers, herausgegeben von dessen
Sohn Ludwig Geiger unter dem Titel: Abraham Geigers
Leben in Briefen, Berlin 1878, Gerschel.
Als Hirsch im Jahre 1830 als 22jähriger Jüngling die
Universität verließ um das Landrabbinat Oldenburg zu
übernehmen, war er bereits ein gereifter, fertiger Mann. Er
gehörte zu denjenigen, ,.die schon in ihrer Jugend an Geist
und Körper männlich herangebildet sind", wie seine eigenen
Worte im Kommentar zu Ps. 144. 12 lauten. Es waren
trübe Zustände religiöser Verwahrlosung, die er damals in
seinem neu angetretenen Wirkungskreis vorfand. Aber wie
der Magnet an Kraft gewinnt, je schwerer die Gewichte
sind, die sich an ihn hängen, so wuchs seine Tatkraft und
Schaffensfreude mit den Schwierigkeiten, die sich ihm ent-
gegenstellten.
Eine wertvolle Hilfe wurde dem Gotteskämpfer für die
Bewältigung aller sich ihm entgegenstellenden Schwierig-
keiten durch die Lebensgefährtin, mit der er sich in den
Samson Raphael Hirsch als l.andrabbiner zu Emden.
ersten Jahren seines Aufenthaltes in Oldenburg verband.
Dieses Gattenleben zu schildern erforderte eine Darstellung
für sich. Was Johanna Hirsch ihrem Gatten war, hat er in
den wenigen Worten ausgesprochen, mit welchen ihr An-
denken nach ihrem Heimgang an der Spitze des 2. Teils
seines Thillim-Kommentars feierte. Sie lauten:
Dem Andenken seiner am ,^. Ijar 5612 nach SOjähriger Che
in ihrem 77. Lebensjahr verstorbenen Frau .Johanna geborene .lüde!
y'T, der treuen Freundin seines l,ebens, der treuen Genossin seines
Strebens, der treuen Stütze und Beraterin seines Hauses und Wirkens,
der treuen Krzieherin, Bildnerin und l'reundin ihrer Kinder und
Enkel, mit der Reinheit und Cüte ihres Herzens, mit der Helle ihres
Geistes, mit dem Adel ihrer Gesinnungen, mit ihrer opferfreudigen
Selbstlosigkeit, mit ihrer seltenen Frziehungsweisheit, mit ihrer
unermüdlichen Schaffensfreude, mit der sittlichen Hoheit ihres ganzen
Wesens, mit der gottesfürchtigen Zuversicht ihres ganzen Lebens
in liebender Verehrung
Der Verfasser.
Diese lapidaren Worte genügen um die Bedeutsamkeit
zu würdigen, die Hirsch selber der Mitwirkun.u- seiner
Lebensgenossin für sein Schaffen und Wirken zuerkennt.
Er hat das was ihm „seine Johanna" war, in seiner ganzen
Innigkeit und Anschaulichkeit in den Worten ausgesprochen,
mit welchen er vor 26 Jahren an der Bahre der Hinge-
schiedenen ihr Lebensbild mit solcher Frische zeichnete,
daß es noch heute im Gedächtnis aller derjenigen, die dieses
Leben vor sich zu sehen und seine Schilderung zu hören das
Glück hatten, ungetrübt fortlebt.
Ein Beispiel mag die intensive, rastlose Tätigkeit illustrieren,
mit welcher der Oldenburgische Landrabbiner die Kenntnis der
Thora in seinem Kreis zu verbreiten suchte. Er übersetzte die
Mischna und verschickte die Uebersetzung bogenweise an die
Lehrer seiner Bezirksgemeinden, zu einer Zeit, in der es noch
keine Hektographen und sonstigen Vervielfältigungsapparate
gab, er besorgte selber die Abschrift seiner Uebersetzung in der
erforderlichen Anzahl Exemplare, damit Lehrern und Schülern
auf diesem Wege die mündlich überlieferte Thora zugänglich
würde! Dabei schrieb er seinen Choreb. d. h. erwar schon
geschrieben als im Jahre 1836 die „Neunzehn Briefe
über Judentum von Ben Usiel" erschienen. Der
„Choreb", sein klassisches, grundlegendes Meisterwerk ist
merkwürdigerweise auch sein Erstlingswerk. Der Verleger
hatte aber Bedenken, die beträchtlichen Herstellungskosten
des umfangreichen Werkes zu riskieren und riet dem Ver-
fasser, zunächst mit einer kleineren Schrift \'or die Oeffent-
lichkeit zu treten. Darauf schrieb Hirsch seine „Neunzehn
Briefe", deren ungewöhnlicher Erfolg den Verleger ermutigte,
zwei Jahre später den Choreb folgen zu lassen.
Der Eindruck den diese Schriften, „dieses hohe Lied
des überwundenen Zweifels" auf die jüdischen Geister und
Gemüter damals übten, war überwältigend und geradezu
beispiellos. Sie sind in den 70 Jahren, die seit ihrem ersten
Erscheinen verflossen sind, Gemeingut aller gebildeten
jüdischen Kreise geworden und werden es von Tag zu
Tag immer mehr, sodaß eine Charakterisierung dieser
Schriften in einer Darstellung unterbleiben kann, die
wie bereits bemerkt, weniger diese geistige Saat als ihren
Säemann schildern möchte. — Es seien daher nur noch zwei
literarische Veröffentlichungen Hirschs erwähnt, die in die Zeit
seines Aufenthalts in Oldenburg fallen : Die 1839 erschienenen
„Ersten Mitteilungen ausNaphtalis Briefwechsel"
und „Jüdische Anmerkungen zu d en Bemerkungen
eines Protestanten über die Konfession der 22
Bremischen Pastoren" aus dem Jahre 1841.
Beide Schriften sind wahre Kabinetsstücke musterhafter,
klassischer Polemik, deren Schärfe, Schlagfertigkeit und
Treffsicherheit nicht einmal von Lessings „Anti-Götze" über-
troffen wird. Die erste Schrift rechnet mit den jüdischen
Neuerern ab, zeigt die Unhaltbarkeit und Unmöglichkeit
ihrer neuen Religion, die sie fälschlicher Weise noch als
Judentum bezeichnen und giebt zum Schlusße praktische An-
leitung zur Wiederbelebung und Erweckung jüdischen Lebens
und Wirkens. Die andere Schrift richtet sich gegen ein
Pamphlet, in dem ein christlicher Anonymus die Kundgebung
einer bremischen Pastorenversammlung benützte, um gegen
die Bibel in geringschätziger, herabwürdigender Weise sich
zu äußern. Der Anonymus war der bekannte Litterarhisto-
riker Adolf Stahr, damals Direktor des Gymnasium ^ zu Olden-
burg. Hirsch's Ehrenrettung der Bibel wurde besonders von
der gebildeten christlichen Bevölkerung mit wahrem Jubel
begrüLit, und noch in späteren Jahren pflegte Hirsch zu er-
zählen, daß ihm keine seiner Schriften so viele persönliche
Befriedigung und Anerkennung eingebracht habe als diese.
Sie ist auch anonym erschienen, aber sofort als der Verfasser
bekannt wurde, schickte der Großherzog von Oldenburg
seinen Adjutanten zu Hirsch, um ihn zu dieser Abwehr zu
beglückwünschen und ihm für die Ehrenrettung der Juden
und Christen gleich heiligen Bibel zu danken. Es war an
einem Freitag, als Hirsch's Autorschaft dieser Schrift in Ol-
denburg bekannt wurde. Die christlichen Gratulanten fanden
sich in solcher Masse ein und dehnten ihren Besuch so
lange aus, daß die wackere Rabbinerin, die treue Genossin
seiner Kämpfe und Triumphe, wie sie noch als Greisin
lächelnd erzählte, alle Mittel anwenden mußte, diesen Besuchs-
sturm zurückzudämmen, um noch rechtzeitig ihre Schabbos-
Lichter anzünden zu können.
Bei dieser allseitigen Anerkennung braucht es nicht erst
gesagt zu werden, wie es Juden und Christen schmerzlich
bedauerten, als er nach elfjähriger amtlicher Wirksamkeit
am 18. Mai 1841 einstimmig zum Landrabbiner der
hannoverschen Landrosteibezirke Aurich und
Osnabrück gewählt wurde und infolgedessen Oldenburg
verließ, um nach Emden überzusiedeln.
Dieser neue Wirkungskreis bot dem Schaffensdrang
Hirsch's ein grösseres Gebiet, aber keine dieser gesteigerten
Wirksamkeit entspechend bessere materielle Stellung. Die
Gemeinde Emden war arm Diese Armut die anderen
die Tätigkeit gelähmt hätte, hat die seinige erhöht
und in andere Bahnen gelenkt. Er gründete dort aus be-
scheidenen, kleinen Anfängen eine Vorschußkasse, wol
die erste in Deutschland, zu der er persönlich das erste
Kapital durch freiwillige Beiträge sammelte. Die Kasse sollte
den wirtschaftlich Schwachen zinsfreie Vorschüsse gewähren,
von welchen allwöchentlich an jedem Thaler ein Groschen
zurückzuzahlen war. Sein selbstloser Rechtlichkeitssinn ging
auf seine Gemeinde über; keiner hat das Vertrauen miß-
braucht, das er in jeden setzte. Die Kasse hatte damals
keine Verluste zu verzeichnen, weil die ehrbaren Armen ihren
Stolz darin suchten, das Vertrauen zu rechtfertigen, das ihr
Rabbiner in sie setzte. Während sonst die hausbackene
Krämerregel lautet, man müsse die Menschen nicht nehmen
wie sie sein sollen, sondern wie sie sind, nahm seine auf
reicher Lebenserfahrung und tiefer Menschenkenntnis be-
ruhende Erziehungsweisheit, die Menschen wie sie sein sollen
und nicht wie sie sind, und er hat diese scheinbar paradoxe
Maxime in glänzender Weise in seinen pädagogischen Schriften
begründet.
Aus seiner schriftstellerischen Tätigkeit fallen in die Zeit
seines Emdener Aufenthalts die „Zweiten Mitteilungen
aus einem Briefwechsel über die jüdische Lite-
ratur" (1844), welche sich besonders gegen Holdheim und
einige andere Stürmer wendet, deren ratlose Schülerhaftig-
keit sie mit ätzender Schärfe schonunglos bloßlegte.
Sonst waren die fünf Jahre seines Aufenthalts in Emden
wol die für seine literarische Tätigkeit am wenigsten er-
giebigen. Seine Feder ruhte auch da nicht, aber sie war in
den Dienst seiner staatlichen Stellung gezwungen, die un-
gemein viele kleinliche Schreibereien, Berichte, amtliche Pro-
tokolle und hundert andere Sächelchen verlangte, die der
große Mann alle selbst erledigen mußte und seine teuere
Zeit derart in Anspruch nahm, daß seine eigentlich gemein-
nützige Wirksamkeit notwendig darunter leiden mußte. Trotz
der innigen Hingebung, mit der er an seinem Wirkungs-
kreis und trotz der liebenden Verehrung, mit der jeder ein-
zelne dieses Kreises an seinem väterlichen Führer hing, folgte
er einem Rufe, der ihn am 30. Dezember 1840 nach Nikols-
burg, dem Sitz des berühmten mährischen Landrabbinats
berief.
Am 3(»- Juni 1847 wurde Hirsch als Landrabbiner von
Mähren und Schlesien installiert. Die Hoffnungen, mit welchen
er erwartet, der Jubel, mit dem er empfangen wurde, flössen
aus der sicheren Erwartung, daß es ihm gelingen werde, die
Mißstände zu beseitigen, unter welchen die mährische Juden-
heit litt. Die Bekenner des überlieferten Judentums und die
Verfechter der Reform erblickten in Hirsch den Mann, den
beide Richtungen für sich zu reklamieren oder doch mit der
Zeit gewinnen zu können hofften. Die Heißsporne der sich
10
scharf befehdenden Richtungen hatten sich auf beiden Seiten
g:etäuscht. indem er die berechtigten Forderungen der Zeit,
die mit den Pflichten des Judentums nicht kollidierten, zu
den seinigen machte, stieü sich die übertriebene und kurz-
sichtige Aengstlichkeit auf der rechten Seite an seinen Maß-
nahmen, und indem er kein Titelchen des überlieferten Juden-
tums, '*ie es in Talmud und Schulchan-Aruch niedergelegt
ist, preisgab, fühlten sich die Eiferer auf der linken Seite
durch sein Vorgehen verletzt. Auf die Kunst, es allen recht
zu machen, hatte er sich nie verlegt, sie war ihm in der Seele
zuwider. Und doch gab es ein Gebiet, auf dem alle ihm
die Führerschaft \ertrauensvoll zuerkannten, das war in dem
Kampf um die Erringung der politischen Rechte der öster-
reichischen Judenheit. Vielleicht in keinem europäischen
Staat waren diese Rechte der Juden so verkümmert als gerade
in dem Wirkungskreis von Hirsch. Als daher in den Jahren
1848 und 49 der Sturm der neu erwachten Freiheit und
Gleichheit auch dort an den alten Fesseln und Vorurteilen
rüttelte, organisierte Hirsch die Judenheit der österreichischen
Länder, um auch ihre Menschenrechte geltend zu machen.
Er wurde ihr Wortführer und als solcher in den zu Kremsier
tagenden mährischen Landtag gewählt. Die fieberhafte Tätig-
keit, die er dabei entwickelte, die Organisation, die er schuf,
die Proteste, die er erhob, die Rundschreibtn, die er erlieO,
seine zündende Begeisterung und flammende Sprache haben
so Wunderbares geschaffen, dal.) eine Würdigung seiner
Wirksamkeit in Mähren eine gesonderte Darstellung bean-
sprucht, die diese Festschrift ja auch an anderer Stelle bringen
wird. Von den geschichtlichen Wundern, die damals zu er-
leben ihm selber vergönnt waren, findet sich zehn Jahre
später in seinem Jeschurun eines mitgeteilt, das auch der
grössten Verblendung das Bekenntnis \'om Eingreifen Gottes
in die Geschichtsgänge abringt. Oahrg. V. Villa-Franca und
Kremsier S. 606 ff.)
Dabei lag der Schwerpunkt seiner rastlosen Wirksam- i
keit nicht in dieser seiner Tätigkeit für die Judenheit. sondern j
in der Weckung, Erhaltung, Förderung und Organisierung
des Judentums innerhalb seiner Landrabbinats. Er stand
einer aus aller Herren Länder frequentierten Jeschiba vor, '
schaffte Ordnung in den S\nagogen. gründete Schulen, or- 1
ganisierte die Wohltätigkeitspflege, lauter Aufgaben, von
welchen jede einzelne den ganzen .Mann und seine Tatkraft i
erforderte. Ein einzelner Mann war dieser l'^iesenaufgabe, '
wie er sie sich selber gestellt, auf die Dauer nicht gewachsen.
Dal.) Hirsch nach \ier Jahren Mckolsburg \erliel.'i, erscheint
nach alledem vceniger auffallend, als dal.i er die Bürde dieser
Würde so lang und so mannhaft getragen hat, (jhne ihr zu
erliegen. Er hätte sein teuere, noch für Höheres zu erhaltende
und zu entfaltende Kraft auf die Dauer hier doch zersplittern
müssen. So folgte er denn im Jahre 1851 einem Rufe
als geistiger Führer der Religionsgesellschaft j
inFrankfurtaM.
Man hat in der bloüsn Annahme dieses Rufes mit Recht
den ganzen Geistesadel, das Pflichtbewul.itsein und die ideale
Auffassung seines Lebensberufes xerkörpert erblickt. Dal,i
Hirsch eine geachtete, materiell gesicherte staatliche Stellung
mit einem Wirkungskreis zu \ ertauschen sich entschloLi, der
mit so kleinen, unscheinbaren Anfängen erst eben in die '
Wirklichkeit getreten war. das zeigt die Weite seiner Auf- i
fassung. seine Hingebung an das Ziel seines Lebens, wie .
kaum eine andere Handlung. Dieses hohe Verdienst wird
nicht geschmälert, sondern noch gesteigert, wenn man hinzu-
fügt, dal,i das, was der grollen Welt als ein seltener Akt hin- !
gebungsvoller Selbstverleugnung erscheint, für ihn selber nur
eine selbstverständliche Konsequenz seiner ganzen, eigen- j
artigen Denk- und Handlungsweise war. Er hatte etwas
i:ip mco, einen Zug der (iöttlichkeit, die in ihm lebte und j
glühte, für die er kämpfte und siegte, jener Göttlichkeit, die I
ihre Schöpfungen am liebsten und vollendetsten ]'nq z" ohne
alle Voraussetzung, ohne vorher vorhandenen Anhaltspunkt
ins Dasein ruft. Wenn es statthaft wäre, das Gebilde mit
dem Bildner, Menschliches mit Göttlichem zu vergleichen,
so gäbe es für diese Eigenart keine bessere Illustration als
die Worte seines Pentateuch- Kommentars zu Anfang der
Thora. welche die Weltschöpfung aus dem Nichts durch die
Notwendigkeit begründet: „War dem Weltbildner der Stoff
gegeben, so konnte er aus dem gegebenen Stoffe nicht die
absolut gute, sondern nur die relativ beste Welt gestalten."
Hirsch konnte in Frankfurt seine ganze geniale GröLJe ent-
falten, weil sie an nichts Bestehendes anknüpfte, und also
keine \orhandenen Mängel der Anlage und Organisation
mit in den Kauf zu nehmen brauchte, weil er eine Institution
schaffen konnte, ganz nach dem Ideal, wie es seinem erleuch-
teten Geiste und seiner reichen Erfahrung vorschwebte. Das
konnte er in seinen bisherigen Stellungen nicht. Dort mußte
er oft Veraltetes, Schadhaftes erst beseitigen und auf ihren
Trümmern seinen Neubau aufführen. Er mag es oft erfahren
haben, besonders in seiner Nikolsburger Stellung, wo er eine
bis in alle Einzelheiten geregelte Organisation vorfand, wie
schwer es ist, alte, liebgewordene Mißstände zu beseitigen,
welche Kraft und Zeit sie erfordert und wie ungenügend
diese Beseitigung trotz des besten Willens gelingt! Die
kränkende Mißachtung, die sein Vorgehen nach dieser Seite
selbst bei gesinnungsgenössischen Rabbinern fand, weil sie
seinem hohen Geistesflug nicht zu folgen vermochten, mag
auch nicht ohne Einfluß für seinen Entschluß gewesen sein,
Nikolsburg zu verlassen und dem Rufe zu folgen. Es findet
sich eine .Andeutung dafür in den n"z ''c a"n cn ^tot« r\"w
deren berühmter Verfasser R. Maier Eisenstadt in Bezug auf
Hirsch schreibt: h'\pr\ nurs ;"SrStc nricn '32-1 ni'pcc ":edi
i<b IN Nin nc^f cn 'nyr nSi V^n nx any t yotr:.
Daß dies nur vereinzelte Ausnahmen waren, daß wirk-
liche rabbinische, durch Gottesfurcht und Thorakunde hervor-
ragende Autoritäten seiner dortigen Umgebung ihm ihre
rückhaltlose Anerkennung und Hochachtung entgegen
brachten, braucht nicht erst gesagt zn werden, Nur ein
einziger Beleg dafür mag hier folgen. R. Jehuda Aßöd
(st. 1866 als Oberrabbiner von D. Szerdahely), als Talmudist
und Kabbaiist gleich hervorragend und berühmt, bringt in
seinen nSy" mn" 'im in r'"L: Vt: "c y'nN einige von Hirsch
in einer .Aguna- Angelegenheit aufgenommene Protokolle
(Aßöd amtierte damals nicht weit von Hirsch in Szenicz)
und antwortet dem Gaou R. David Deutsch V^^"r in B.
Gyärmäth auf das Ersuchen, Hirsch in Nikolsburg um
weiteres in der Sache anzugehen, daß er das nicht könne,
obwohl er bei Hirsch sehr angesehen sei, weil er
zur Zeit mit seiner Abreise in Anspruch genommen sei und
noch aus anderen Gründen vry3 ':n mii-nr f]N ir£N \s nr
Wie hoch muß Hirsch im Ansehen bei den wahrhaft
Großen Israels seiner Zeit gestanden sein, wenn ein Rabbi
Jehuda Aß(')d die Geltung konstatiert, die er in Hirschs
Augen genießt!
Hirschs Wirksamkeit in Frankfurt, für Frankfurt und
damit für die Bekenner des gesetzestreuen Judentums auf
weitem Erdenrund, wo nur jüdische Seelen atmen, wo nur
jüdische Herzen schlagen, ist zunächst in seiner Gemeinde
„Israelitische Religionsgesellschaft" und ihren zahlreichen,
mustergiltigen Institutionen, in allem was diese Gemeinde an
mip, an pn-'" und v^n --n ihr eigen nennt, in so imponierender
Weise verwirklicht, daß es nur eines Hinweises darauf be-
darf, um einer Schilderung dessen, was vor aller Augen offen
daliegt, enthoben zu sein. Was aber dem zeitgenössischen
Bewußtsein vielfach entschwunden ist. die trostlosen Zu-
stände, die der Gründung der Israelitischen Religionsgesell-
schaft vorangingen , sie werden am besten durch die von
- II -
Emanuel Schwarzschild in seiner Schrift „Ein offenes Wort"
(Frankfurt a. M. 1877i berichtete Tatsache illustriert, daß unter
den geborenen Frankfurtern der junge Schwarzschild der
einzige von allen seinen Altersgenossen war, der noch
ybtr) legte.
Auch in sozialer Beziehung, berichtet derselbe Autor,
war die Stellung der Qesetzestreuen in der Ciemeinde eine
sehr ungünstige ge\xorden. Man hielt jeden, der noch
religiös lebte, für an alten Vorurteilen, an ererbtem Aber-
glauben hängend. Aelteren Personen konnte man dies
noch „xerzeihen". Die Jüngeren aber, die ihre orthodoxe
Richtung verrieten, hielt man entweder für beschränkt oder
für unaufrichtig. „Man muß das mitdurchlebt haben, um den
ganzen Stachel des höhnischen Blickes zu fühlen, der einem
jeden Bekenntnisse, daß man sich nicht über die religions-
gesetzlichen Vorschriften hinwegsetze, folgte. Eine solche
Erklärung genügte, um als Paria, noch mehr, als einer, der
sich selbst herabgewürdigt, betrachtet zu werden."
Hirsch's Wohnhaus an der Schönen Aussicht
in Frankfurt a. Main.
Da trat die Bewegung des Jahres 1848 ein, die mit
eiserner Faust alle Fesseln zerschlug und auch an die Pforte
der allein herrschenden Gemeindeautokratie pochte. Dem
Vorstand wurde es etwas ängstlich zu Mute. Er fühlte, daß seine
Herrschaft gewaltig gegen die zur Anerkennung gelangten
Prinzipien der Gewissensfreiheit und der Toleranz verstoße.
Er berief daher eine sogenannte Konstituante, eine Kom-
mission von 18 Personen, worunter fünf Strenggläubige, zur
Ausarbeitung eines neuen Gemeindestatuts. In diesem Aus-
schusse entschied aber die Majorität. Die Strenggläubigen
waren die Minorität, es gelang ihnen daher nur sehr geringe
Konzessionen zu erlangen wie z. B. Einsicht — nicht Auf-
sicht — in die Schechita, Ueberlassung der kleinen Synagoge
für den alten „Ritus" u. a. m. So ungenügend diese Konzessionen
waren, so fanden sie doch nicht die Zustimmung der Ge-
meinde. Inzwischen hatten sich die Wogen der Bewegung
etwas beruhigt, der Vorstand ließ es daher beim Alten.
Aber die Orthodoxie war aus ihrer Lethargie
erwacht. Elf Personen*) hatten sich zu einer Eingabe an
den Senat vereinigt, in welcher auf die reformistische
Richtung der Gemeinde und die Unzulänglichkeit, ja Un-
brauchbarkeit der Gemeindeinstitutionen hingewiesen,
die Absicht ausgesprochen wurde, die erforderlichen Institu-
tionen selbständig herzustellen und zu dem Ende die
Berechtigung erbeten ward, einen Rabbiner zu berufen.
Der Senat, der bis dahin den Gemeindevorstand mit seiner
vollen Machtbefugnis unterstützt hatte, war denn doch zu
der Ueberzeugung gelangt, daß etwas faul im Staate Däne-
mark sei, und bewilligte das Gesuch unter der Bedingung,
daß die neue Vereinigung nur eine Religionsgesellschaft,
keine Gemeinde bilde und in den Verpflichtungen gegen-
über Gemeinde dadurch nichts geändert werde.
Nun fand die Wahl und Berufung des Rabbiners statt:
die Religionsgesellschaft war gegründet. Den elf
Gründern hatten sich bis 1850 noch etwa 60 angeschlossen.
Bis zum August 1851. als Hirsch die Stelle antrat, waren es
bereits zirka lOO. Aber von irgend welchen Institutionen
einer Gemeinde war nicht einmal eine Spur vorhanden.
Einige Zimmer mußten gemietet und zu einem proviso-
rischen Betsaal hergerichtet werden. Von hier weckte
Hirsch's zündendes Wort neues Leben in den Geistern und
Gemütern seiner Hörer, hier erstand die von ihren eigenen
Kindern totgesagte alte Frankfurter Kehillo zu neuem Leben.
Es galt nun zuerst, eine Synagoge zu bauen, um in ihr
einen Mittelpunkt zu besitzen, der die .Mitglieder der
Religions - Gesellschaft einen sollte. Durch die Opfer-
freudigkeit der Mitglieder und besonders durch die Frei-
giebigkeit des Rotlischild'sclien Hauses das sich mit
70(XK) Gulden bei dem Bau beteiligte, war das noch am
leichtesten. Viel schwieriger war die Gründung der Schule
und es waren dabei so viele Schwierigkeiten und Hinder-
nisse nach allen Seiten hin zu überwinden, daß ein anderer
wie Samson Raphael Hirsch sie niemals bewältigt hätte.
Schon bei Einweihung der Synagoge hatte es Hirsch
ausgesprochen, daß sie nur das Sanmielhaus sei, welches
seine Besucher äußerlich verbinde, aber die Schule müsse
der Boden werden, der die Gesellschaft halte und trage
und ihre Zukunft garantiere. Hirsch verstand es wie kein
Zweiter, eine Wahrheit, einen Gedanken \'on dem er durch-
drungen war, so oft, so lange und so von allen Seiten ein-
dringlich und begeisternd seinen Hörern in die Seele zu
reden, bis auch sie ihn sich angeeignet hatten. Auf diese
Weise hat er seine Gemeinde tatsächlich für alles Wahre
und Herrliche erzogen und gewonnen, wie es in seinem
hellen Geiste und in seinem edlen Herzen lebte. Aber den
Schwierigkeiten, auf welche die Gründung einer Schule
stieß, wie sie ihm als Ideal vorschwebte, in welcher Tliora-
kenntnis und allgemeine Bildung mit derselben Hingebung
gepflegt werden sollte, einem solchen Unternehmen gegen-
über schien selbst sein machtvoller Mut und seine an-
spornende Tat zu schwach. Die Geldmittel für diese Schule
waren noch leicliter zu beschaffen als die Kinder. Er
sannnelte die Beiträge, die probeweise — wie auch die für die
[■^eligionsgesellschaft - nur für fünf Jahre bewilligt werden
sollten, indem er selber von Haus zu Haus ging. Aber
auch die ersten Kinder für seine Schule nuißte er geradezu
erbetteln. Die wirklich Tronnnen, welche die verheerenden
Folgen der modernen Bildung nur allzugut aus ihrer
nächsten Umgebung kannten, fürchteten für das Judentum
ihrer Kinder, wenn sie diese Schule besuchten. Diejenigen
aber, die selber schon zu den Gebildeten zählten, fürchteten,
daß die Schule ihre Kinder zu jüdischen ..Fanatikern" heran-
*) Ihre Namen sind: Ph. Abr. Cohn, Moses Lob Mainz, Selig
Schwarzschild, Seligmann Schwarzschild, M. M. Rapp, Lazar
Posen, Salomon Posen, David Schwabacher, Adolph Dann,
Michel Lob Mainz, Leopold Rapp.
12
bilden werde. ninig,"e von denen, welche sich dem Banne
der Hirsch'sclien Anregung nicht entziehen konnten, suchten
unter ihren Kindern die am wenigsten Begabten aus; mit
ihnen glaubten sie das Unternehmen riskieren zu dürfen.
.Mit solchem Schülermaterial nuilite die Schule eröffnet, und
die schwere Verantwortung für ihr Gelingen übernommen
werden !
Am I. April 1853 ward die Schule eröffnet. Nun zeigte
sich erst, mit welchen Augen die Reformgemeinde und ihre
leitenden Elemente auf diese junge eigenartige Schöpfung
blickten. Der Direktor des Philantropins erlieli ein anon\ nies
Pamphlet gegen die Schule und ihren Schöpfer im Frank-
furter Journal, das sich aber nicht auf die Schule beschränkte,
sondern das überlieferte Judentum und seine fundamentalen
Satzungen dem öffentlichen Gespött preisgab. Dieser ohn-
mächtige Wutausbruch hat das grolle Verdienst eine Ent-
gegnung liirsch's veranlal.it zu haben, die unter dem Titel:
-Das rabbinische Judentum und die soziale
Bildung" in Nr. 83 des ..Frankfurter Intelligenzblattes" am
8. .April erschien. — Diese Entgegnung erregte ungeheures
.Aufsehen und stellte die Jännnerlichkeit des Pamphletisten
und seines .Wachwerkes so schonungslos an den Pranger.
dal.i alle mit Fingern auf ihn deuteten und dieser aus der
Not eine Tugend machen und sich zu einer Entgegnung
mit seinem vollen Namen be(|uemen inulite. Der zweite
Schmäliartikel erschien am lö. April im ..Frankfurter Intelli-
genzblatt" unter dem Titel : ..Das pharisäische Judentum und
das soziale Leben". Darauf folgte drei Tage später in dem-
selben Blatt am 22. .April \-on Rabbiner Hirsch eine .Ab-
fertigung, die dem Direktor des Philantropins. Herrn Dr. Hell,
jede Freude an dieser literarischen Polemik benommen zu
haben scheint: er hat sich nach diesem Schlage nicht mehr
zu rehabilitieren \ersucht. Die Eingegnung ist betitelt:
-Das r a b b i n i s c ii e Judentum und d e r H e r r Dr. H e 1! '"
und zählt unter die Perlen der polemischen Literatur aller
Zeiten. So xollständig der frixole Angriff auch zurückge-
sciilagen wurde, so siegreich auch die Orthodoxie und ihr
Vertreter aus diesem Kampfe lietNorgingen, der damalige
Frankfurter Gemeinderabbiner glaubte durch eine Broschüre
der lahm gelegten Neologie die \erlorenen Lorbeern wieder
zurückerobern zu können. Er Nerciffentlichte im Jahre 18.S4
eine Broschüre mit maliloLien .Angriffen und .Ausfällen gegen
die .Witglieder der Religioiis- Gesellschaft, in welcher er die
Religion im Bunde mit dem Fortschritt als Dexise
der Neologie bezeichnet. Darauf folgte Hirsch's Entgegiumg;
I)ie [■Religion im Bunde mit dem Fortschritte,
von einem Schwarzen, die zu tlem Trefflichsten gelu'irt,
das seiner Feder entstannnt. Sie ist im dritten Bande der
Gesanmielten Schriften \()n S. R. Hirsch abgedruckt.
iJurcli das bisherige sollten die Kämpfe \eranscliaulicht
werden, welche sich an jeden Schritt knüpften, den das
junge Gemeinwesen zu seiner Konsolidierung xorwärts tat.
Wie hier so trat auch auf allen anderen Gebieten die Eigen-
tümlichkeit zu Tage: Gerade was die Gegner zur Discre-
ditierung und Untergrabung der Reiigions- Gesellschaft in
Szene setzten, gerade das trug am meisten zu ihrer Förde-
rung und Erstarkung bei. Man hat heute keine Vorstellung
mehr da\on, welche Schwierigkeiten einer zuverlässigen
Scheclhta und der Errichtung aller Kaschrus-.Anstalten bereitet
wurden, und wie diese Hennnnisse alle nicht nur überwunden,
sondern in ihr volles Gegenteil umgewandelt w urden. .Aber noch
weniger hat die groDe Welt eine Ahnung daxon, mit welcher
Weisheit, mit welcher Herzensgüte, mit welchem Ciottxer-
trauen, mit welcher Hingebung seiner ganzen Persönlichkeit,
mit welcher rastlosen Tätigkeit und nie ermüdender Pflicht-
treue, mit welchem nie zu brechenden Lebens- und Schaffens-
mut und nie zu trübender Heiterkeit Hirsch alle Kämi)fe
aufnahm unil sie zu Siegen gestaltete. Die Entfaltung tlieser
seiner Religionsgesellschaft ist die beste Folie für eine Be-
schreibung seines Lebens und Wirkens. Denn er hat sein
Leben für sie eingesetzt. An jedem Stein ihres .Aufbaues,
an jedem Schritt ihrer Entwickelung hängt ein Stück seines
Lebens, ein Teil seines Geistes, ein Tropfen seines Herzbluts.
Wer ihn in seiner öffentlichen Wirksamkeit in Frank-
furt sah als Rabbiner, als Redner, als Lehrer, als Organisator,
Berater und Führer des ganzen Gemeinwesens, der konnte
leicht glauben, dal,i darin seine ganze Tätigkeit aufgehe. In
Wirklichkeit aber gehörte er nicht seiner Gemeinde, sondern
der ganzen Welt, die sich brieflich und persönlich bei ihm
einfand, um seinen Rat für alle Fälle des wechselreichen
Lebens einzuholen. Die Selbstlosigkeit, mit welcher er
diesen Rat erteilte, die tiefe Weisheit, die reiche Lebens-
erfahrung aus welcher er floü, die Leichtigkeit, mit welcher
er die schwierigsten Lagen überblickte, verliehen diesem Rat
oft die Bedeutung eines prophetischen Blickes in die Zukunft
und bestätigten die Wahrheit. dal.i ein Weiser mehr als ein
Propiiet ist.
Ein junger Rabbiner, in dessen Amtsbezirk die Schul-
kinder genötigt wurden, den Sabbat durch Schreiben zu ent-
weihen, fragte ihn um seinen Rat, w ie diesem l lebelstande
abzuhelfen sei, da alle Behörden sich ablehnend \erhalten
und das Gros der Bevölkerung selbst mit der herrschenden
[Religion auf gespanntem Fuüe stehe, man also für Berück-
sichtigung jüdisch-religiöser Ansichten gewil.i keine .Aus-
sicht habe.
..Ich weil.) nur einen Weg" lautete sein Rat „aber der
wird sicher zum Ziele führen. Sie müssen dafür sorgen, dal,i
entweder Sie oder Ihre Frau, oder beide ins Gefängnis konnnen,
wegen Ihrer .Auflehnung gegen die Verkünnnerung der Re-
ligionsfreiheit. Sobald Sie das erreicht haben, müssen Sie es
sich angelegen sein lassen, dali die Zeitungen xon dieser
Verhaftung Notiz nehmen und es alle Welt erfährt, wie es
in Ihrem Kreis, der sich als Hort der Freiheit geriert, mit der
Gewissens- und Religionsfreiheit bestellt ist, dali man Jeman-
den einsperrt, weil er seiner Religion treu bleiben nu'ichte.
Das wird helfen, auf anderem Wege ist nichts zu
machen."
Der Rabbiner wollte diesen Rat befolgen, es gelang ihm
jedoch nicht. .Aber ein Schüler wurde wegen seiner fortgesetzten
Weigerung, am Sabbat zu schreiben, eingesperrt, und die .Auf-
regung, die dieses Vorkonnnnis zur Folge hatte, brach in der
Tat den Widerstand der Schulpotentaten
In ihrem leuchtendsten Glänze aber zeigte sich seine
Weisheit, wenn sie sich auf ihrem eigensten Gebiete, im
Bereiche der Thora bewegte. Wol spricht diese Weisheit
aus jeder Zeile seiner zahlreichen Schriften, aber wie er sein
innnenses Wissen beherrschte, wie er die Früchte seiner er-
staunlichen Belesenheit immer zur Hand hatte, und in der
Tat zu den groLlen, echten D^iiw alten Schlags zählte, das
imiL! man im persönlichen Verkehr selber erlebt haben, um
es glaublich zu finden.
In seiner Gegenwart war einmal von einer Bemängelung
die Rede, welche die Schächtgegner darin fanden, dal.! beim
Schächten der Kopf mir teilweise und nicht vollständig vom
Körper getrennt wird, weil mit der vollständigen Trennung
des Kopfes das Leben doch sofort auflu'iren müsse. Ein an-
wesender .Arzt bestritt dies und behauptete, pliNsiologische
Untersuchungen hätten ergeben, dali der Kopf bei Hingerich-
teten auch nach der J'reniumg \om Rumpfe noch lebe und
auf Zuruf noch eine gewisse Zeit reagiere. Diese Behaup-
tung wurde \'on einem Anwesenden bezweifelt, l Im seine
Ansicht befragt, holte Hirsch seine H-'i2-i und schlug, ohne zu
suchen, Seite 45 b in n'ciD 'co auf, wo er zeigte, dali das
Leben des Kopfes auch nach der Trennung \om Rumpfe
tlort tieutlich ausgesprochen ist.
An dieser Sclila.ufertiskeit, die ihr reiches Wissen jeden
Augenblick unoesucln zur Hand hat. erkennt man die Gesin-
nung, mit der er tt)rsclite und lernte, lernte, um das Ge-
lernte zu ermllen und in Taten umzusetzen. Das hörte man
aus jedem \\ orte, das er sprach und das giebt auch seinen
liinterlassenen Schriften ihren eigenen Reiz. Man glaubt ihn
noch zu hören, wenn man ihn liest, man glaubt ihn selber
zu sehen, wenn man sich in die iierrlichen Gedanken und
Empfindungen seiner Schriften \ertieft. die in seiner Persön-
liclikeit. die in seinem Leben und Wirken verkörpert und
\ erwirkliciit erschienen. Kr hatte die reichen Sciiätze seines
hohen Geistes und seines tiefen Gemüts nicht nur im Kopfe
und im Herzen, er trug sie in der Hand, sein ganzes Leben
ging so ausschließlich in das eine Verlangen auf. sein Wissen
und Wollen in Taten umzusetzen, daii man ihn an seiner
Bahre mit den Worten feierte: n"3 mo'^m ]i<:b N3tr 'o ■'■nirN.
die durch den Druck xeröffentlichten Schriften. Welchen
Geist, welche Zeit, welche Arbeitskraft aber die zahlreichen
Berichte und Eingaben an Behörden und seine ausgebreitete,
das ganze Erdenrund umspannende Korrespondenz erforderte,
das entzieht sich heute unserer vollen Schätzung.
Ein Jahr nach Gründung seiner Schule, also zu einer
Zeit, die mehr als sonst den ganzen Mann verlangte, im Jahre
1854, begann er die Herausgabe der Monatsschrift „J e s c h u r u n"
von der 16 Jahrgänge bis zum Jahre 1870 erschienen sind.
In ihnen hat er seine tiefe Kenntnis des Judentums und der
Zeit in seiner anziehenden, geistsprühenden und gemüt\-ollen
Form und Sprache bekundet, hier hat er das Judentum durch
die Schilderung der gehobenen Momente seines Pflichtlebens
in einer nirgends sonst erreichten Weise \erherrlicht, hier
hat er das Richtschwert über die Reformen der französischen
Grand Rabbins, über die Geschichtsfälschungen \on
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Verkleinerte Probeseiten aus einer Handschrift Samson Raphael Hirschs
(Gedruckt im Jeschurun, Jahrgang 16 Heft 3.)
Hierin liegt ein Schlüssel zur Würdigung der Eigenart
und des ungewöhnlichen Erfolgs der schriftstellerischen und
sonstigen Tätigkeit Samson Raphael Hirsch's. Wenn man diese
Schriften auch nur äuLierlich liinsichtlich ihrer OH'intität be-
traclitet. ringen sie dem j-ieobachter die staunende Erage ab:
Wo nahm der .Autor mitten in seinem unablässigen annlichen
Schaffen und Wirken die Zeit und Mul.ie her, diese Bücher
auch nur zu schreiben? lind man muLi ihn bei seiner
Arbeit gesehen, nuii.l einen Pilick in seine .^'\anuskripte ge-
worfen haben, um diese Erage noch zu verschärfen. Das
floll wie aus einem Gull und sprudelte wie ein Springquell
mit derselben sicheren Lebhaftigkeit, mit der ihm das ge-
sprociiene Wort über die Lippen ging. Man findet in seinen
Handschriften keine Korrektur, kein durchstrichenes Wort,
alles quoll fertig aus dem Kopfe und dem Herzen, als ab-
gerundetes, fornuollendetes Ganzes. Dabei besitzen wir lun
Grätz. über dieTraditionsleugnung Frankeis geschwungen
und alles mit einer Treffsicherheit und einer Vornehmheit der
Sprache und Gesinnung, die selbst den überwundenen Gegnern
imponierte.
Noch in die Zeit, in welcher der Jeschurun erschien,
fiel die Herausgabe des ersten und zweiten Bandes seiner
IJebersetzung und Erklärung desPentateuchi 18(>7
und 186*^), welchen dann die anderen Bände in den Jahren
1873, 187(), 1878 folgten. In diese Zeit fällt auch seine rege
litterarisclie und sonstige Tätigkeit für das preußische .Aus-
trittsgesetz (1876). das den Juden in Preußen das Recht
brachte, wegen religiöser Bedenken aus einer jüdischen Ge-
meinde auszutreten, ohne deshalb aus dem Judentum aus-
scheiden zu müssen. Dieses Gesetz ist lediglich der lnitiati\ e
Hirsch's entsprungen, er hat \iele Reisen dafür nach Berlin
unternonnnen, um die Minister und einflußreichen Parlamen-
- 14
tarier dafür zu (gewinnen, bis der Erfol.^j: ihm winkte, imjalire
1882 erschien die „Ijebersetzun^ und Erklärun.y; der
Psalmen" und 1884 die klassische Schrift „lieber die
Beziehungen des Talmuds zum Judentum", deren
Bedeutsamkeit und Wirksamkeit an anderer Stelle dieser
Festschrift einstellend behandelt wird. Hirsch hatte auch
noch die Befriedigung in den letzten Jahren seines Lebens
eine zweite Ausgabe der ..Neunzehn Briefe" und des „Choreb"
zu veranstalten, doch erlebte er das Erscheinen der letzteren
nicht mehr.
Diese Schriften sind die ^(eistijj^e Hinterlassenschaft, die
der jjrolk Verfasser seiner \erwaisten Zeit zurück^jelassen
hat. Er erscheint durch sie als einer der ß:rol.ien führenden
Geister, welche die Vorsehung dem Judentum wiederholt an
dem Wendepunkt groLier Zeiten erstellen lieli. Es hat nicht
an Stimmen gefehlt, welche Hirscii's literarische Wirksamkeit
dadurcii zu diskreditieren suchten, dal.l man sie „unwissen-
schaftlich" nannte. Für diese Anschauung ist die Leugnung
der Göttlichkeit der Thora die erste Vorbedingung für die
Zulassung zur Zunft der „W issenschaftlichen". Sie sprechen
einer Forschung, die sich auf dem Boden der l -eberzeugung
\-on D'crn 'r2 .-mr erhebt, den Charakter der Wissenschaft
ab. weil sie nicht \-oraussetzungslos ist. Sie \ergessen aber
dabei, dali ihre Leugnung der Thora, mit der sie an deren
Schriften herantreten, ihre eigene Wissenschaft zu einer
nicht weniger \oraussetzungsreichen macht, dali durch diese
Leugnung die Probleme des Qoitesworts und der Erhaltung
Israels, seines Trägers, trotz aller Negation und Willkür.
trotz aller Thesen und Hxpothesen. nicht nur nicht erklärt,
sondern durch dieses ganze l 'nterfangen nur noch dunkler
und rätselhafter werden. Wie hoch auch der Cothurn sein
mag, auf dem diese angebliclie Wissenschaft der Leugnung
einher stolziert und mit überlegenem Lächeln auf Hirsch's
Forschungen herabsieht, die Zukunft gehört iler wahren
Wissenschaft, der wissenschaftlichen Wahrheit, wie sie aus
Hirsch's Schriften zu uns spricht, hie Wahrheit ist ihr
eigener Zeuge, sie wird ihren Weg allein gehen, heshalb
darf diese Darstellung noii einer Skizzieruiig und Würdigung
der Hirscirschen Fnrschungsresultate absehen, sowie \on
einer Charakteristik seiner Schriften. Sie gilt in erster Reihe
seiner Persönlichkeit, und sie wird auch hier die Fülle des
Edlen und Wahren nicht einigermallen erscJK'ipfeiid darzu-
stellen \ erm()gen. So groll sein Wissen, seine Weisheit und
Schöpfungskraft auch war. seine Bescheidenheit war noch
gröller. .Als fast ein halbes Jahrhundert nach dem ersten
Erscheinen der ..Neunzelm Beriefe" ilie .Auflage längst \ er-
griffen war. und das Pjedürfnis nach einer neuen .Ausgabe
\-on allen Seiten lebhaft empfunden wurde, wurde der \ er-
fasser xon befreundeter Seite einmal auf dieses liedürfnis
aufmerksam gemacht und daran die Frage geknüpft, warum
eigentlich eine zweite Auflage so lange auf sich warten
lasse? In seiner wahrhatt kindlichen Bescheidenheit meinte
der Verfasser, dali es sehr fraglich sei, ob die Kosten der
Herstellung durch die Nachfrage gedeckt würden. ,Aut das
ungläubige Lächeln des Fragers, sagte Hirsch: ,, Glauben Sie
wirklich, dali man eine neue Auflage ohne pekuniäres Risiko
wagen könne?" und meinte dann, als die Frage unbedingt
bejaht wurde: „Nun, dann will ich's Ihnen übertragen, Sie
dürfen die zweite Auflage besorgen und allen Vorteil daraus
ziehen, wenn Sie die Herstellungskosten wagen wollen,"
Fm diese Naixität des erfahrenen, weltklugen .\\annes
zu begreifen, nuil.1 daran erinnert werden, dali er niemals einen
pekuniären Vorteil bei seiner gesamten schriftstellerischen
Tätigkeit gesucht und gefunden hat. ..\'on dem Ertrag meiner
Schriften könnte
ich mir
kein Paar Handschuhe kaufen"
sagte er oft scherzend, aber es entsprach vollkommen der
Wirklichkeit. Er schrieb nur um der heiligen Sache willen,
in deren Dienst seine Feder stand, luul er war reichlich zu-
frieden, wenn er dabei auf seine Auslagen kam. In dieser
vollendeten Selbstlosigkeit liegt auch eine der Ursachen
seiner grolien Erfolge. Je geringer der materielle Vorteil war,
desto reicher war der ideelle.
Ein anderes Moment, das den tiefen Eindruck und die
auiiergewöhnliche Verbreitung seiner Schriften erklärt, liegt
in dem bereits angedeuteten Umstand, daü seine Schriften
ein Abbild seines Lebens und sein Leben eine Verkörperung
der in seinen Schriften niedergelegten Wahrheiten war.
Wenn man \on tien geradezu phänomenalen Entdeckungen
auf dem Gebiete der Sprachforschung und der biblischen
E.xegese, wenn man von seiner grandiosen Total auf fassung
des Judentums und dem von ihm zum erstenmale wissen-
schaftlich nachgewiesenen inneren Zusammenhang seiner
einzelnen Bestimmungen absieht, vielmehr die Aufmerksamkeit
denjenigen Seiten zuwendet, die ihrer Natur nach unmittel-
bar ins Leben eingreifen und es ausgestaltend beeinflussen,
so sind es hauptsächlich folgende drei .Womente, welchen
seine Lebensarbeit galt, in welchen er als Pfadfinder für
neue Bahnen seiner Zeit voranging:
I. Die Verbindung \'on Thora und allgemeiner
Bildung als sich gegenseitig fördernde und in einheitlicher
Durchdringung zu pflegende Gebiete, wie er sie in seinen
Unter ri c htsanstalten \erwiikliclite ;
II. Die Rettung der selbständigen organischen Entfaltung
des überlieferten Judentums als Träger jüdischer Gemein-
schaft, durch i\tn Austritt aus den der Reform huldigenden
Gemeinden und die Konstituirung der Ausgetretenen zu
einem eigenen Gemeinwesen, wie es seine Religionsgesell-
schaft darstellte, und
III. Die Vereinigiuig sämtlicher, überall \erteilt lebender
orthodo.xeii Juden zu einer einheitlichen Organisation, wie
er sie in der 1880 xon ihm gegründeten ..Freien Ver-
einigung für d i e 1 n t e r e s s e n des o r t li o d o \ e n J u d e n-
t u m s" angebahnt hat.
Durch diese mächtig in den L'iuf der religi()S-politischen
Entwicklung eingreifenden Leistungen iubt Hirsch's Name auf
aller Lippen auch bei denjenigen, die dem hohen Geistesflug
seiner wissenschaftlichen Forschungen nicht zu folgen \er-
mochten. Seine nach tausenden zählenden Schüler und
Schülerinnen trugen den Namen ihres Lehrers und die Ver-
ehrung für ihn in alle Richtungen der Windrose. Seine Schule
hat Schule gemacht und wurde in \erschiedenen Gemeinden
nach seinem Beispielnachgebildet. Ebenso ist seine Religions-
gesellschaft die A\ustergemeinde geworden, nach welcher sich
die im Laufe der Zeit erstandenen selbständigen gesetzestreuen
Gemeinden konstituierten, l 'nd auch die \ereinzelten Bekennet
des überlieferten Judentums, die zu minderzählig waren, um ein
Gemeinwesen zu bilden, wie diejenigen, bei welchen ein
F^edürfnis dazu nicht xorlag, \ereinigte seine ..Freie Ver-
einigung" zu einem geschlossenen, einheitlichen Ganzen.
Das waren alles tief in die bestehenden Verhältnisse ein-
greifende Malinahmen. die der grollen Masse Hirsch als
einen kühnen Neuerer und einen originellen Sch(')pfer xon bis
dahin ungeahnten Neubildungen erscheinen Hell, l 'nd dennoch
war Hirsch gerade in diesen Punkten in Wirklichkeit nicht
originell und wollte am wenigsten selber dafür gelten. Er
war im Gegenteil angelegentlich darauf bedacht, es fort und
fort zu betonen, dali er in Wirklichkeit nichts Neues ge-
schaffen, sondern nur an Altes, längst Bestehendes seine
SclH')pfimgen angelehnt habe. Seine Verbrüderung von Thora
und allgemeiner Bildung führte er imablässig auf das Wort
der grollen Weisen zurück : "in -ti oy .-nin moS"" ,-is\
Ebensowenig war er der erste, der den Gedanken eines
.Austritts aus der Gemeinde wegen religi(")ser Bedenken aus-
gesprochen hat. Die Priorität dieses Gedankens gehört dem
'2i ^rr, der ihn in seiner 'c"b 'c n"m' ausgesprochen und
eingehend motixiert hat. Von dieser Entscheidung hatte Hirsch
- 15
keine Kenntnis, er liat sie erst nacii dem Aiistrittsj^esetz er-
taiiren und war überoiücklicli darüber . dai.i eine solche
Autorität ihm damit zu\()r.uekt)nHnen war. (Hirsch konnte
sich in wahrhaft kindlicher Weise freuen, wenn er nacli-
träoiich erfuhr, daü einer seiner Gedanken schon xon einem
unserer orolien .Altxordern ausii-esprochen war. In seinen
Psalmen-Kommtar erklärt er. dal.l der I'salm 44 an die Zeit
der .\\arannen in Spanien erinnere. Als man ihn später
darauf aufmerksam machte, dali der Psalm-Kommentar von
R. .Woscheh Alschich dieselbe Bemerkun^j enthalte, konnte
er nicht ü^enujj Worte des Dankes für diese Mitteilunji finden.
So spricht und handelt keiner, der das Streben hat partout
als orio'inell /u gelten.) L)al.i \or bereits ca. 'X) Jahren
R. .\\oscheh Sofer (D"S nairn ,^ pbn ifio er»-) den Austritt
aus einer Reform«emeinde als reli^ionsgeset/lich jjebotene
Pflicin erklärt hat. erwähnt Hirsch selber in einer seiner den
.Austritt aus der Gemeinde behandelnden Sciiriften. Bekannt
ist. dall Hirsch's früherer Juja:endfreund und späterer religiöser
.Antipode Abraham Geijjer in seinen gesanunelten Briefen
sich schon im Jahr 1837 für die Trennunjj aus,ü:esproclien hat
und zwar in einem von Wiesbaden datierten Brief an Frens-
dorff \()m 21. Noxember 1837 und auch in Briefen an Stern
aus den Jahren 183*) und 1843. Bei ihm handelte es sich
allerdin;a,'S um Trennunjj der Reformer xon den Talmudjuden.
Es ist hochinteressant, diese Briefe nachzulesen. Der Ton
in dem darin dem Schisma das Wort geredet wird, und
der tiefe sittliche Ernst mit dem Hirsch für den Austritt
aus der Gemeinde eintritt, zeigen die ganze Kluft, die zwischen
dem Denken und Fühlen dieser beiden Männer gähnte.
Dali die »Freie Vereinigung" an die alten mi^n und ihre
Bedeutsamkeit anknüpft, die ihnen alle Zeit für die Erhaltung
und Erstarkung des Judentums bei den jüdischen Zerstreuten
innewohnte, hat Hirsch in der ersteiiAufforderung zur Gründung
der Vereinigung so entschieden und eingehend ausgesprochen.
daü es dafür keines weiteren Hinweises bedarf.
Hier liegt daher die Originalität nicht in den Ideen,
sondern an ilirer .Ausführung und an der ganzen Art und
Weise ihrer Ausführung. Wie er es xerstanden hat. seine
Gedanken in Taten umzusetzen, darin steht er in der Tat
unübertroffen da. Seine Tatkraft, seine Ausdauer, seine
restlose Tätigkeit für die Verwirklichung seiner Ideale,
dieser Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit hat Wunder
geschaffen. .Aber das gröüte Wunder war doch er selber.
Was dem sinnlichen Auge als schärfster Gegensatz er-
scheint, das hat seine abgeklärte PerscHilichheit zur vollen-
deten Harmonie versöhnt. Er war ein scharfer Vertreter des
strengen Rechts, und wo er es \ erletzt glaubte, trat er dafür
ein und hat es selbst gegen die nächsten Gesinnungsgenossen
verteidigt, wenn er es für notwendig hielt. Er stellte
immer und überall ncN höher als aiSr, und dabei war er so
friedlich und gut. hatte ein so kindlich weiches Herz in der
Männerbrust schlagen, die sich allen Kämpfen aussetzte, dal.i
man es selber erfahren haben inuLi, um daran zu glauben.
Sein Kampf, den er ein ganzes Leben lang für den ncN
kämpfte, galt nur der Erringung des mSr. Ein hervorragen-
der Rabbiner hatte einmal in einer (öffentlichen jüdisclienAn-
geiegenheit ein \ ertrauliches Schreiben an seine Amtsgenossen
gerichtet und sie darin zu MaLlnahmen aufgefordert, die Hirsch
für höchst bedenklich und schädlich hielt. Er hatte dem von
ihm hocluerehrten Rabbiner seine Bedenken in sehr entschie-
dener Weise brieflich nahe gelegt und in der Tat bewirkt,
daLl jenes Rundschreiben zurückgezogen wurde. l:s hat da-
mals nicht an Stinnnen gefehlt, die Hirsch's Vorgehen in
dieser Sache nicht billigten und es zu agressiv fanden. Aber
keiner \dn allen diesen wußte, dal.! Hirsch, als er jenes Rund-
sciireiben erhalten und gelesen hatte, sich niedersetzte und
bitter darüber w einte, daü ein so bedeutender Mann in
einem solchem Irrtum befangen sein konnte. .Aber als er
seine Tränen getrocknet hatte, schrieb er seine Entgegnung,
er schrieb sie mit solcher Innigkeit, durchglüht xon dem
Weh, das ihm im Busen wühlte, daü sie sofort den er-
wünschten Erfolg hatte. Auch wo er für Trennung und Aus-
tritte aus der Gemeinde plaidierte. leitete ihn die Rücksicht
auf den Genieindefrieden, den er nur nicht in dem
staatlichen Hcirigkeitszwang erblickte, der die disparatesten
Gegensätze gewaltsam zusammenpferchte, sondern in der
freien Entfaltung jeder religiösen Richtung, mochte sie orthodox
oder neolog sein. Die Großen, die \'or ihm denselben Ge-
danken ausgesprochen hatten, beschränkten sich auf diese
Aussprache, ihn aber iiat er zui Tat gedrängt, er hat ihn
verwirklicht: darin liegt seine großzügige Eigenart.
Kurz vor seinem Tode wurde im Hinblick auf die erst
kürzlich gegründeten Kolonien im heiligen Lande die Frage
angeregt, ob sie verpflichtet seien, im Schmittajahr. das da-
mals zum erstenmal seit ihrem Bestände an sie herantrat,
den Boden brach liegen zu lassen, oder ob sie bereciitigt seien,
durch einen zeitweiligen Verkauf, dieses schwere Opfer, das für
sie eine Existenzfrage war, zu umgehen. Groüe rabbinisciie
.Autoritäten sprachen sich in erleichterndem Sinne aus. Hirsch
trat mit aller Entschiedeniieit für die strikte Erfüllung der
Schmittagesetze auch unter diesen schwierigen Verhältnissen
ein. Aber nachdem er seinen iicn ausgesprochen hatte,
trat er sofort mit einem Aufruf an die Oeffentlichkeit, in dem
er zu Sammlungen für die Kolonisten aufforderte, die durch
diese gewissenhafte Erfüllung des Gottesgesetzes ihre ganze
Existenz erschwert sahen. Dieser Aufruf war die letzte
schriftliche Kundgebung, mit der er vor die Oeffentliciikeit trat.
Die Beschwerden des Alters machten sich bei iinn in
recht empfindlicher Weise fühlbar. ...Meine Gesundheit ist
geschwächt, meine Kräfte reichen nicht aus. ich iiabe an
dieser Schrift nur mit Anstrengung und wiederholten Er-
holungspausen schreiben können. Ich muß daher mit dem
bischen Kraft, das Gott mir noch \erleihen möge, haus-
halten und sie für das Nötige ersparen," schreibt er in einer
1877 erschienenen polemischen Schrift, also 12 Jahre \(»r seinem
Tode. Dieser Schrift selbst merkt man von der .Anstrengung,
mit der sie geschrieben, nichts an. Seine unbeugsame Willens-
stärke und seine eiserne Selbstbeherrschung ließ ihn alle
großen und kleinen Unbilden des Lebens mit einem Herois-
mus ertragen, der selbst seine nächste l imgebung über sein
Leiden täuschen konnte. Eine seiner trefflichsten .Arbeiten,
seine ..Vorläufige .Abrechnung" mit Frankel hat er
unter heftigen körperlichen Schmerzen, während einer öffent-
lichen Prüfung seiner l 'nterrichts-Anstalt geschrieben, die er
sobald er abkönnnlich war, xerließ, um in einem Neben-
zimmer seine .Arbeit tortzusetzen. In den letzten Jahren
seines Lebens hat er an großer Schwerhörigkeit gelitten,
die er wunderbarer Weise wenige Tage \()r seinem Tode
so vollständig xerlor. daü er das leiseste Wort \erstehen
konnte. Sein Auge dagegen war nie getrübt, es strahlte, so
lange es offen stand, die ganze Glut seiner Alenschenliebe
und Geistestiefe in so ungewöimlicher Weise aus, daß er
auch ganz fremde Menschen anzog. Sein letzter .Augenauf-
schlag galt einem aus weiter Ferne an das Sterbebett des
Vaters herbeigeeilten Kinde, dann schlössen sich die treuen
Augen, diese wahren n-ii;n 'ry. fürinnner: es war am 27.Tewet
,S648, am 31. Dezember 1888.
Auch dieses Datum seines Todestages ist. wie jeder
Zug seines Lebens, ungemein charakteristisch. Schon Jahre
xorher hatte er unter anderen letztwilligen Verfügungen be-
stinnnt. daß. da er sein Gehalt pränumerando bezog, der
ihm etwa zu \iel bezahlte Betrag vom Todestage an ge-
rechnet, wieder zurückgegeben werden solle. Da er jedoch
am letzten Tage des Quartals und Kalenderjahres \ersclned,
so hat seine Todesstiuide dieser Forderung seiner strengen
Rechtlichkeit gleichsam Rechnung getragen.
Er hat das Zeitliche wirklich o'ese^i'iiet. und ist als der
Zaddik daliinti'e^jano'en. <^imz wie er ihn selber schildert.
„Der pns, der seine Pflicht, und nur seine Pflicht
kennt, dei seiner Pflicht und nur seiner Pflicht lebt,
der nur daran denkt, Gott und seiner Welt, wie ja
sein Ciiarakter lautet. ..gerecht" zu werden, iimen
alles das zu leisten, was in seinen Kräften steht, je
bescheidener seine Glücksstellung ist, je weniger er
an Gütern und Freuden aus der Welt empfangen und
empfängt, umsomeiir bleibt ihm die Welt schuldig
und als anspruchsreichster Weltgläubiger scheidet er
einst aus der Welt." (Conini. zu Ps. 37,21.1
Indem seine Schüler und Verehrer die Wiederkehr des
Tages feiern, an dem dieser groLSe Weltgläubiger \ or hundert
Jahren der Erde geschenkt wurde, möchten sie auf die Schuld
hinweisen, zu deren Abtragung er seine Hinterbliebenen ver-
pflichtet hat, Sie kann nur durch ein Leben und Wirken
im Geiste ihres hohen Vorbildes abgetragen werden. Deshalb
hat diese Darstellung die mannigfachen kleinen Züge aus
dem groLien Lebensbild des Heimgegangenen zusanunen-
gestellt: An ihnen mögen diejenigen, die in der Brust den
Funken glinnnen fühlen, den sein Feuergeist in sie gesenkt, sich
wie der Eplieu an der stännnigen Eiche zur gleichen Höhe, zur
Höhe, jüdischer Pfliciiterfüllung emporzuranken \ersuchen.
"S^
w^
S. R. Hirsch's erste Rabbinerstelle.
Nach den Akten des QroHherzogl. Alinisteriums dargestellt
von Landrabbiner Dr. Mannheimer in Oldenburg.
Als im Frühjahr 1S30 der damalige Oldenburgische Landrabbiner Dr.
Nathan Adler eine Berufung als Landrabbiner nach Hannover erhalten hatte,
wurde er vor seinem Weggange von der aroßherzoglichen Regierung be-
auftragt, ihr Vorschläge zur Besetzung der vakanten Stelle zu machen. Am
24. März 18,% richtete Adler folgendes Schreiben an die Regierung:
,Um einer hohen Aufgabe, vom 6. d. Mts., die Wiederbesetzung
der hiesigen Landrabbinerstelle betreffend, a if eine dem wichtigen
Zwecke entsprechende \\ eise Oenüge zu leisten, hat der Land-
rabbiner solche zum (jegenstande seiner sorgfältigen Prüfung ge-
macht. Als deren Resultat hat er zu berichten die F:hre, dali ihm
unter allen den Kandidaten, welche sich um diese Stelle beworben
haben, der am geeignetsten zu sein scheint, welcher ihm von dem
Herrn Qumprecht, Vorsteher der israelitischen Gemeinde zu Frank-
furt a. M. in Vorschia'.; gebracht und auf das Ausgezeichnetste em-
pfohlen wurde. Derselbe nennt sich Samson Raphael Hirsch,
ist aus Hamburg gebürtig, 2,3 Jahre alt und Kardidat der Philologie.
Er hat in seiner Vaterstadt einen wissenschaftlichen Unterricht em-
pfangen, eine jüdische theologische Anstalt zu Mannheim 1 '/a Jahre
lang besucht und befindet sich gegenwärtig auf der Universität zu
B inn, worüber aus den Zeugnissen (Anlagen sub. 1 bis 5i das
Nähere erhellt.
Der Landrabbiner hat über diesen jungen Mann von vielen
Seiten Erkundigungen eingezogen Diesen zufolge so'l derselbe
guten moralischen Charakters sein, ausgezeichnete Sprachkenntnisse
besitzen, und überhaupt den Forderungen, welche man an den
jüJischen (ieistlichen zu machen berechtigt ist, bestens genügen
können. Als kleine Probe seiner homiletischen Fähigke ten wird
diesem Berichte eine \on ihm selbst gehaltene und geschriebene
Rede gehorsamst angefügt.
Der Landrabbiner beehrt sich das Weitere in hoher Entscheidung
Qrotiherzojl. Regierung mit der ergebensten Bitte anheimzustellen,
dieselbe wolle ihm die Resolution mitteilen lassen.
Groliherzogl. Oldenburg. Landrabbiner.
Dr. Adler.-
Die Oldenburgische Regierung wandte sich nun um Auskunft an ihren
Bevollmächtigten in Hamburg, an den Konsul Schmidt. Dieser schrijb am
27. Juni folgende Antwort:
.Auf das Reskript der Groliherzogl. Regierung vom 14. d. Mts.
hat Unterzeichneter die Ehre zu erwidern, dali alle von verschiedenen
Personen eingezogenen Erkund gungen für den fraglichen Samson
Raphael Mirsch günstig lauten. Derselbe ist aus einer rechtlichen
Familie, die streng dem alten System anhängt. Doch gibt man
ihm einstimmig hinsichtlich seiner Moralität. seines Charakter-,
seine Fleilies und seiner Kenntnisse das beste Zeugnis, und erwartet,
da er in Bonn zu dem Studium zugelassen worden, dali e- die dort
herrschenden gelind.-n Ansichten mit den orthodoxen, worin er hier
erzogen, zu vereinigen wissen wird, und Juden von beiden Systemen
legen eine warme wohlwollende Teilnahme für den jungen Mann
an den Tag. Schmidt."
Hierauf schrieb die Regierung arn 28. Juni an Dr. Adler:
,Ueber den von Landrabbiner Dr. Adler zu seinem Nachfolger
vorgeschlagenen Samson Raphael Hirsch aus Hamburg hat die Re-
gierung so günstige Nachrichten eingezogen, daß sie wünschen muD,
ihn persönlich kennen zu lernen, um über seine ferneren Qualifikationen
die nötige Ueberzeugung zu erlangen. Würde derselbe daher hierher-
kommen und sich der verordnungsmäßigen Prüfung unterziehen, auch
in derselben genügende Proben seiner Kenntnisse an den Tag legen,
so würde die Regierung ihn bei Sr. Königl. Hoheit zum l^andrabbiner
in Vorschlag zu bringen kein Bedenken tragen. Der Landrabbiner
Dr. Adler wird daher ermächtigt, die Ueberkunft des S. R. Hirsch
baldigst zu bewerkstelligen u. s. w."
Die Prüfung Hirsch's fand am 28. Juli 18,30 vormittags 10 Uhr im
Sitzungszimmer der Regierung in Gegenwart des Kammerherrn Regierungsrat
von Lützow, des Generalsuperintendenten Dr. Hollmann sowie des Land-
rabbiners Dr. Adler statt. Als Prüfungskommissare richteten sowohl Dr.
Hollmann wie Dr. Adler viele Fragen aus allgemeiner und jüdischer Religions-
lehre und Religionsphilosophie an Hirsch und dieselben Fragen hätten eben-
sogut einem evangelischen oder katholischen Kandidaten vorgelegt werden
können. Spezifisch jüdische Fragen waren sehr wenige darunter. Das Protokoll
mit allen f^ragen liegt noch im Ministerium zu Oldenburg. Von einer Probe-
predigt war natürlich k-ine Rede.
Am 3. August schickte der Qroßherzog an seine Regierung folgende
Urkunde:
, Unserer Regierung wird auf iliren Bericht vom 30. v. Mts. wegen
Anstellung eines Landrabbiners hierdurch eröffnet, daß an Stelle des
abgehenden Landrabbiners Dr. Adler der in Vorschlag gebrachte
Samson Raphael Hirsch aus Hamburg zu diesem Posten zu berufen
sein wird. Die Regierung hat deshalb das Erforderliche zu besorgen
und zu verfügen.
Auf dem Schlosse zu Oldenburg, den 3. August 1830.
August.
Die Vereidigung des neuangestellten Landrabbiners fand am 21. Sep-
tember vormittags 11 Uhr statt. Das Gehalt betrug 500 Thaler und 100 Thaler
Wohnungszuschuß.
Ueber Hirsch's Wirksamkeit in Oldenburg ist an anderer Stelle dieser
Festschrift berichtet.
Der Parallelismus der Satzglieder.
Aus einem Briefe S. R. Hirsch's an Moses Mendelsohn in Hamburg.*)
Oldenburg, den 22. Jun_v 1836.
Mein lieber Onkel 1
Ihr ungezogener Neffe wagt es, sich trotz seiner Ungezogenheit be\
Ihnen einzustellen, um — sich Prügel zu holen; die hat er den Schein
allerdings zu verdienen; gleichwohl nur den Schein. Doch will er sich
lieber die Prügel gefallen lassen, als diesen Brief mit Auseinandersetzungen
ausfüllen, wie so seine Schuld nur Schein sei. Mit lebhaftem Dank habe ich
lieber Onkel. Alles gelesen, was Sie mir sowohl in Betreff der von mir er-
schienenen Broschüre, als der noch vielleicht zu erscheinenden Versuche
m:tzu!eilen so gütig waren. Ersteres weil Sie die mich ehrende Ueber-
zeugung aussprechen, daß mir gegründeter Tadel lieber sei, als alle Lob-
hudelev, letzteres weil es Ihre Theilnahme an mein Vorhaben; und Beides,
weil aus allem wie Belehrung, so nicht minder die Beweise Ihrer geneigten
Freundschaft mir geworden. Aber lieber Onkel, darf ich es Ihnen gestehen,
daß ich Ihnen auf 2 Minuten — denn in der dritten hatte ich es schon mit
ihrer Freundschaft entschuldigt und miü'" nbpbpi2 "DriN ^ a'so auf 2 Mi-
nuten recht herzlich böse war? Um's Himmels Willen, lieber Onkel, wie
konnten Se solch übertriebenes, mit Bewußtsein, übertriebenes, in
jeder Zeile unwahres Zeug von Lobhvmnen auf den B. U. **) in die Nach-
richten rücken I Wären Sie mein, nein B. U's ä gster Feind, so hatten
Sie i:i nicht größere Satvre schreiben können 1 Glauben Sie, lieber Onkel,
Uebertreibungen, und nun gar solche Uebertreibungen, und nun gar Lobes-
übertreibungen, und nun gar in einer Sache, die keineswegs nur Freunde hat,
schaden ungemein, und hindern fast alles für die Zukunft.
Uebertriebeuer Tadel, je übertriebener je besser; denn dann bricht die
Uebertreibung den Tadel selbst. Uebertriebenes Lob — ist ebenso in sich
selbst gebrochen und läßt nur gerechten Tadel über. Das wissen Sie zehn-
mal besser, als ich es zu sagen vermöchte und nicht deshalb komme ich auf
dies längstvergangene zurück, somlern nur, um daran für die Zukunft die
herzliche Bitte zu knüpfen, wenn ich je wieder mich in Dr. Faust's Zauber-
schwärze ans Publikum wagen sollte, Ihre Liebe zu mir aus Liebe zu mir
vor derley Uebertreibung zu schützen. -
Ebenso entschuldigen Sie mich gewiß gerne, wenn ich von Ihrem
gütigen Anerbieten, die etwa noch zu erscheinenden Versuche mit einer
poetischen Zugabe zu zieren, für diesesmal niclit Gebrauch machen kann?
Meine Versuche sind so plan nnd mild und ruhig prosaisch wie es dem
ernsten Gegenstand derselben — Pflichten — nur ziemt, daß eine poetische Zu-
gabe Manchem vielleicht nur zeigen würde, was sie seiner Ansich nacii --ein
sollten und nun einmal nicht sind. Zudem haben mir nie solche poetische
Kunststücke von Freunden des Verfassers zugesagt, sie kommen mir
immer vor, wie Guckkastenmann mit seinem: ,H'er werden Sie sehen,
meine Herren" und das - 'j np üb ■ "IV 'O ~ ^^^ i^ bei uns kein Ende
genommen und so vor allen das: Mop^; ny, als ob mit jeder Schrift ein
■■I .Mdscs M(>ii(lcl.-i(iliii, ein Sohn vim nir.scli,-. (ii'ol.'ivMtiT.s, Menaeliciii Mciiill
l'rankfiirtor war ein vielseititrer Scliriftstcllci- uiul helirili^cher Oicliter. er iilier-
.setztc in si'iner ,Tuf<enil ('.impes Kntdrckiiiifr ,\iniTik.%^ ins lleliräischc iiml vcr-
falitc die Werke r—r; [EVK' niirl bzr •:t
'**) Hen l'siel, unter diesem N'aiiieii er.soliienrii di" ,,NeuMZeliu üriefe".
neues Licht aufgehen müßte und die Welt zuvor in Nacht begraben gewesen
sein mußte. In Ihrer poetischen Begeisterung könnten Sie mich auch mit
meinem Namensvetter zusammenstellen — und ich armer Simson habe nur
gerade soviel Kraft, um mit meinem eigenen Eselskinnbacken höchstens mir
selbst einen Streich zu geben. Von dem, der einen Löwen bändigt, von dem
der ein ganzes Tlior mit eigener Kraft aus den Angeln hebt, von dem der einen
Götzentempel zusammen stürz', von dem, der (das) muthwiliig genug sein
Licht an listige Fuchsschvveife bände, nicht einmal von dem, der so geschickt
in Räthseln zu sprechen ventiag — findet sich in meinen Versuchen keine
Spur; wenn gleich noch mancher Löwe seines Bändigers, manch falsch
stehendes Thor seines Versezers, mancher Qötzentempel noch seines Zer-
störers harret, ich bin plan und mild und ruhig — keine Spur vom B, U.
im armen lockenberaubten Kalkmühltretenden prosaischen Simson der
Versuche.
Leber meine Art -]'':n-Stellen aufzufassen? Sie haben wahrlich Recht,
daß ich dort keine U.'bersetzung zur Exegese geben wollte und konnte, und
wo man, wie in Briefen, nicht noch eine Erklärung der Lebersetzung bei-
fügen kann, da muß man ein ^'Örtchen oft in die Lebersetzung mit zur
Erklärung aufnehmen, das eigentlich aU tin''^ unter die Uebersetzung gehörte.
Verzeihen Sie mir gleichwohl einige antikritische Bemerkungen zu Ihren
kritischen. Der göttliche Parallelismus I Befürchtete ich nicht eine zweiie
noch stärkere Erschütterung, so würde ich nicht anstehen zu sagen, daß ich
an dessen Qjttlichkeit, wie Sie ihn vergöttern, nicht glaube. Wohl giebt es
Fälle, wo der zweite Satztheil dem ersten ähnelt, aber in den meisten
Fällen, vielleicht in den allermeisten wird der zweite Theil eine besondere
Seite des ersten Gedankens noch tiefer in das Gemüth des Hörenden prägen,
gewöhnlicher noch eine Seite hervorheben sollen. Lnd so ist's in der Regel
Moses Mendelson.
immer Gedankenforlschritt, selbst wo im Affekt nur dieselben Worte
wiederholt scheinen, ist dies nicht müßig, selbst in Ihren Beispielen, -jnv
'"J1 C^CV spricht zuerst den Gedanken, den erhebenden aus, daß über-
haupt noch Völker außer Israel einst Gott hjldigen werden und erhebt dann
diesen Gedanken zu dem erhabensten, daß zu diesem Ziele alle Völker
einst gelangen. Ebenso . . . 'i21 rmr; INI^:. ruft erst in der Seele das
Bild von Strömen in Bewegung hervor und fügt dann das vollendete Bild
des Laut Werdens dieser gährenden Masse hinzu So ist es überall
Gedanken f 0 r ts c h ri 1 1, nicht Wiederkauen des schon Gesagten, was gar
nicht der Natur unseres Gedanken- und Gefühlvermögens gemäß ist. Nie
wendet sich unsere Seele dem schon gedachten und gesagten wieder zu, es
sei denn, es tiefer zu prägen, zu vervollständigen, entweder an innerer Kraft
oder Begriifsumfang - und wäre es auch nur den Gedanken nochmals fest-
zui alten ehe zu neuen geschritten wird und um ihn ganz durchzudenken —
aber selbst Rarallelismen zugegeben sehe ich in meinen Verstößen keine
Sünden gegen ihn. Stehet da nicht c"'bN "i^^ und ]'j;i -ti^^ parallel? - -in^n
^bn'' Y^T scheint mir gerade deshalb umgekehrt das Wiederaufhiühen aus
Welken bezeichnen zu müssen, weil dies gerade "im vorhergehendem picc
ebenso ausgesprochen worden. n^r,i i^iirD -\p2J Y'^ ro^ - onmT und darauf
auch das ganze Kap. hinai-beitet. — v'jic und ^}j'\] ist gerade parallel, denn
ich beziehe Beides auf Gott. — A'\ich dünkt C"^D i:iN ^~: p sind hinreichend
und deutlich in Kap. geschieden, jedem wird etwas Lige es ihm angemessenes
gesagt. — -p warum nicht einfach Ort d. h. Stelle wo man hingehört,
~b-irm^ — ]"n''^>'n^yi ni:in{<n sehen Sie V'^^i und \}'ii daselbst.—
^^ba warum nicht wie -|ij;n 'p'^r'-' zumal bei r^^n. das ja Vernichtung be-
deutet, die letzte flüchtigste Spur der Vernichtung ist auch wahrlich ver-
fliegender Rauch; überhaupt Auflösung in luftige Theile. — 13 DMyb Ver-
gleichen Sie doch T'i bapTr ^b r:^; - }b \-|jy:. bcv mich dünkt dessen
Qrundbedeu:ung ist Mühe, sich abmühen, daraus ging erst die Bedeutung
über auf ein Streben, sich die Welt ohne Gott zu erbauen = Sünde usw
Ich schwöre gar nicht darauf, daß meine Erklärung die richtige se, vielleicht
haben hie Recht, ;ch meine nur daß es noch so positiv nicht sei, daß ich
unrecht habe. Alle Ihre und andrer Freunde Bemerkungen und Ratschläge
in Betreif meiner Versuche habe ich mit innigem Dank angenommen, er-
wogen, geprüft und mir zu Nutzen gemacht, und wenn nunmehr, wie sehr
wahrscheinlich, sie dem Druck übergeben werden sollten, s(j darf ich mir
wenigstens nicht vorwerfen, leichtsinnig darin verfahren zu sein. Gebe der
Himmel Segen dem, was dem \\ ahren und Guten zum Segen gereichen
vermag, und mögen wie Spreu die Winde verwehen, was Irrthum und
Schwäche geboren. Und gebe uns der Himmel bald Männer, die mit hellerem
Geiste, mit kräftigerem Wort, mit größerem Kenntnißscbatz Israels Lehre
erleuchtend lehren — daß arme lehrbedürftige Jünger wie ich nur zu lernen
brauchen, nicht zu lehren, zu trinken, nicht zu tränken aus dem Born unseres
Heiles — wahrlich in diesem Gebete sollten wir uns alle demüthig, in-
brünstig einen. Ich sage mein ernstestes Amen darauf.
Leben Sie wohl, lieber Onkel, Gott erhalte Sie mit den 1. Ihrigen, so
wohl als es vom Herzen wünscht
Ihr Freund und Neffe
S amson.
Sei stark und fest.
Aus einem Briefe S. R. Hirsch's an Simon Mai in Hamburg.
Oldenburg, d. 15. Dez. 1839.
Mein lieber Simon!
Wann aber, mein Lieber, werde ich nicht nur Dir, und Du nicht nur
mir, wir Einzelne nicht nur Einzelnen, wann werden wir Alle einmal uns
Allen zu einem Glücke Glück wünschen können, das jener großen heiligen
Sache gekommen wäre, für die unser aller Herzen schlagen? „Unser Aller
Herzen schlagen?- Sagt ich so? Das wäre ja aber schon ein solches Glück,
zu dem wir uns dann nur Glück zu wünschen hätten, ja eben das scheint mir
das erste und einzigste Glück zu seyn, das wir uns wünschen müssen, um
uns dann zu ihm zu beglückwünschen. Bis dahin aber ist es gewiß schon
ein Glück, daß es, wenn auch nur Einzelne, einzelne Gemüther doch ziert, die
so fühlen, wie ii.ein Simon, und die über das Streben der Einzelbeglückung
nicht das Herz dem Gesammtgefühle schließen, und di; gerne ihr anscheinend,
altersmüdes Volk an die junge Brust drücken möchten. — Der Schmerz, den
Du fühlst und Deine wenigen Gesinnungsgenossen fühlen, ist das Heerolds-
dunkel vor dem tagenden Morgen, ist der Schwalbenfittigschlag vor dem
knospenden Lenz, Dein eigener Schmerz, mein Simon, ist sein eigener Balsam.
Daß nach dreitausend Jahren, nach dreitausend solchen Jahren, noch eine
Jünglingsbrust mit Schmerz sich bey dem Gedanken füllt, das Judenthum
könnte schwinden, das selber bürgt für !-eine Ewigkeit, biiigt für seinen ewigen
Jugendgeist, der von Geschlecht zu Geschlecht über Israels Zerstreute schwebt,
und dem es noch nie ganz an Trägern gefehlt und der sich stets neue weckt
— und wecken wird, trotz seires Verkannlseyens in der Gegenwart. Wahrlich,
und sähe es noch hundertfältig trüber aus in der Gegenwart, als es wirklich
ist, dessen Brust sieht keine Nacht und füllte sich mit Hoffnungsreichem
Morgenroth, der einginge in dieses Judentum und sähe, wie dort, nach
schon fast ,V/j tausendjährigem Triebe, noch so unendliche Fülle von noch
nicht, noch kaum aufgekeimten Geistessaaten berge, die alle noch erst des
Lebens warten, warten auf einen Frühlingsmorgen, um zu keimen und zu
knospen, und zu blühen und Früchte zu tragen wie noch sonst nie. Auf diesen
Geist blicke hin, mein Simon, und Du wirst keine Sorge kennen um Israels
Zukunft.
Wohl ist es trübe in unseren Kreisen, und euch, die Ihr, nicht nur wie
wir, die Opfer zu lehren habt, sondern zu bringen, und selber Opferthier und
Priester zugleich zu seyn, und, wenn gleich reiches Aequivalent in eurem
Innern Bewußtseyn tragt, doch auch in demselben Außenleben, wo die Opfer
gebracht werden, mindestens auch einen Nachhall von diesem im Innern
lebenden Aequivalent suchet — und nicht findet, ihr sehet euch um nach den
Genossen eueres Opferlebens — und findet deren so wenige, ihr suchet dessen
Ausdruck im Tempelwort — und findet es nicl:t würdig - wer dürfte eurer
Klage zürnen! Und doch, nicht auf dem Judenthum lastet die Klage, sondern
auf den Juden, die einerseits die Weihe des Lebenpriesterlebens in ihrer
Schwachheit abgeworfen, die anderseits — schlafen! Denn was soll das Juden-
thum seinen schwachen Söhnen gegenüber? Es kann nur auf stärkere Enkel
warten. Sind seine Anforderungen göttlich sanktioniert — welche Hand dürfte
sie und könnte sie modificieren, sind sie es nicht, so bedürfen sie ja dessen
nicht und verdienten das Wort nicht. Und was bliebe über vom Judentume,
wenn Du es für diese appretiren wolltest?
Aber unser Gottesdienst, unser Gottesdienst - ja wohl, mein Theuerer,
sind hier Deine Klagen gerecht, und ach, um so gerechter, da eine Abhilfe
so leicht so gar leicht wäre. Aber wiederum — so scheint es mir w enigstens
von jeher und auch jetzt noch — nicht, durchaus nicht um jener Schwachen
willen, denn mir dünkt, nicht einer dieser Schwachen würde auch nur um
einen Fiberwerth mehr Jude seyn, wenn unser Gottesdienst würdiger gehalten
würde. Wenn Du Dir einmal die Lebensgefährtin bräutlich zugesellen wirst
und Dir dann die Braut nur in Galla lieb, aber in Negligee und im Staube der
Häuslichkeit nicht hold und theuer erschiene, wenn Deine Liebe von dem
Stoff ihres Kleides bedingt wäre — dann wehe um die Geiingfügigkeit Deiner
Liebe. Aber wer schon sonst seine Braut liebt, wird ihr auch schönen Schmuck
wünschen, und je mehr er sie liebt, desto schöneren, und nicht um seinet-,
sondern um ihretwillen ganz allein. Und so auch hier, mein Lieber, wer das
18 -
Judenthum nicht auch in staubigem Gewände liebet, wirds auch im Zierkleide
nicht litben. Nicht daher um seiner Schwachen willen, sondern um Euch
Starken willen, die ihr es liebt, oder vitlmehr, und so meine ich es eigentlich,
»eder um der einen, noch der andern willen, um keiner willen, sondern um
des Judtnthums selbst willen, sollte jeder, der es liebt, jederzeit wünschen,
dati Alles in ihm, also auch der Gottesdienst, so würdig als möglich sey,
und nicht nur wünschen, sondern nach Kräften in seinem kleinen oder größeren
Kreise beitragen, daß es werde. Und gerade auf diesem Gebiete des Gottes-
dienstes ist es eine gar nicht schwere Aufgabe, bey nur einigermaßen richtigem
Takt und selbst mit den geringsten Hülfsmitteln mehr Leben und Würde zu
schaffen. Ich weiß dies ;us eigener Erfahrung, der ich hier seit mehreren
Monaten, selbst mit dem Minimum von Mitteln, die hier zu Gebote stehen,
den Versuch gemacht.
Aber wir kranken an Einem, und das ist nicht, die Schwäche des
Schwachen, die hat das Judenthum bereits in früheren Perioden überwunden,
sondern das ist die strafwürdige, feige, gleichgültige Schlafsucht der Andern.
Was wollen wir von Männern erwarten, die sichs von einem Rabbiner, sage
von einem Rabbiner, ins Gesicht drucken lassen, der ganze Talmud sei
Spitzbüberei und Unsittlichkeit — ohne auch nur eine Miene, eine Miene von
einer Miene zu verziehen. Sie schlafen — und Du verlangst Wirksamkeit
von ihnen. Warte bis sie wach sind. Bis dahin muß jeder nur in seinem
Kreise und mit seiner Kraft gerüstet stehn und darf nicht auf Genossen warten.
Ach, Du klagst über euer Alleinstehen im Leben. Siehe mich, der ich noch
isolierter, der ich im ganz buchstäblichsten Sinne allein stehe im Worte.
Aber darum sey doch heiter und umsichtig. Jeder stehe auf sener Stelle,
wohin ihn Gott gestellt, und thue da, mit Postentreue, was er vermag, seine
Genossen seyen viel oder wenig. Das Eigentliche wird doch nicht von
Menscherhand geschehen, sondern von Gott, der die Sonne aufgehen lassen
wird, früher, später, der wir mit taggewordenen Herzen und mit wachge-
wordenen Augen, selbst in Mond- und Sternen-Ieerer Nacht rüstig und he ter
entgegengeharrt und harren. '«nüIC JlDi nr'i'r-
So denke ich. Lieber, im allgemeinen über die von Dir in Deinem
jüngsten lieben Briefe angeregten Gegenstände. Ich wollte auch noch auf
das Einzelne eingehen, muß aber noch mit andern guten Freunden plaudern
(über o'<i-"£;br:ib: bemerke ich nur roch in Parenthese. Sind [)eine Freunde
nicht ciT'i'; wie Du sagst, und auch nach dem ganzen Wurf der Zeiten '73
n33B'D cyn. r.un so berührt sie ja das Gebet nicht.)
Adieu, mein lieber Simon, ich k isse Dich mit Freundeskuß, Gott sey
in Dir und mit Dir auf allen Deinen Wegen und halte Dich heiter und stark
und gesegnet
Adieu, Erfreue recht oft. Deinen
Sams o r.
Sc
^onnefi
an Sainson Raphacl Hirsdi ~ ^;7.
Als mir in Xiciitigkrit cntgci^cntrut
Was einst Idol gewesen meinem Streben
Dein Vi'crt: „des Wissens Blüte sei das Leben . . ."
Bewies aliein sid: da als Weisheitssaut.
Wie midi, weiist Du Dein ganzes Volk zur Tat,
An Deinem Geist wird es sidi neu erheben;
Für Inda kann's nur eine Losung geben:
Die Jhora hodi — sie leuchte unsrem Pfad !
Xoih sind sie Deinem edlen Sinnen fern
Und jagen nur nadi Tand, die grojien Seharen,
[)odi Idi vertrau', wie Du, auf Ihren Kern.
Der Weg, den Idi gegangen, bringt audi sie
Zuri'hk zur Lehre, der allcw'gen wahren -
Und dann trägt Urudit und Segen Dein Genie.
U. Bollug.
Samson Raphael Hirsch
als Oberlandesrabbiner von Mähren.
Von Rabbiner Dr. David FeuctitwanR in Wien.
Am sechsten Juni des Jahres 1842 starb der hochherühnite
Landesrabbiner von Mahren und Oberrabbiner in Nikolsbur«^
Rabbi Nachum Trebitseh, der Verfasser des u^-«:'-^- □■':'t' in Prag
auf der Reise nach Karlsbad. Er war kaum sechzig Jalire alt
geworden. Der vielumworbene Rabbinatsitz, dessen üeschichte
bis in das dreizehnte Jahrhundert zuriickreicht und der durch
Namen geziert ist, die den Ruhm der Träger v\eit hinaus in
alle Kreise der jüdischen Welt künden, blieb durch fünf Jahre
verwaist. Es war eine Zeit der Umwälzungen und der Krisen.
Das „große Jahr" bereitete sich \or. Auch innerhalb der
Ohettomauern, der friedlichen Judengemeinden Mährens, regte es
sich. Mancher grelle Lichtstrahl fiel in das romantische Halb-
dunkel der guten, alten Judenhäuser. In der Residenzstadt des
österreichischen Kaiserstaates war die alte Ueberlieferung durch
Mannheimers zwar gemäßigteres, aber immerhin zerstörendes
Reformwerk längst durchbrochen, ohne daß ernster Wider-
spruch sich erhoben hätte. „Aufgeklärte Absoliitisten" wenn
man so sagen darf, gab es schon dazumal in Wien nicht. Die
Konservativen waren von den Neologen durch eine so tiefe
Kluft geschieden, daß sich die einen um die anderen nicht
kümmerten. Zwei Welten ohne verbindenden Gedanken. Mo-
derngebildete und dennoch Traditionstreue gab es so gut wie
gar nicht. Der Anschluß der alten Ghettozeit an die damalige
Moderne durch versöhnende und ausgleichende, gründliche Er-
ziehung;: war in ganz Oesterreich versäumt und verträumt wor-
den. Und ist es bis heute geblieben. In dieser kritischen Zeit
war der Name Samson Raphael Hirsch's bereits wohlbekannt
und auch bis zu den Führern der Gemeinde Nikolsburg ge-
drungen. Sein „Choreb" hatte ihn nächst den „Neunzehn
Briefen'" berühmt gemacht und als den Sendboten einer neuen
Aera für Israel ahnen lassen. Mähren (und Schlesien), seit un-
denklichen Zeiten eine Heimstätte großer und vom Ruhme
großer Taimudisten und Rabbiner umstrahlter Judengemeinden,
sehnte sich scheinbar nach einem modernen, aber streng-
gläubigen geistlichen Führer, der die unveräußerlichen Güter
ältester Tradition mit den Werten der deutschen Kultur zu ver-
einigen verstände.
Die Wahl konnte damals geradezu auf keinen anderen fallen,
denn als auf Hirsch. — Die höchsten Erwartungen knüpften
sieh an seinen Amtsantritt. Die Tagesblätter begrüßten die
Wahl als die glücklichste. ,,Wir werden ihn mit offenen Ar-
men empfangen („Orient" vom 30. Dezember 1846). Noch nie
ward ein Rabbiner mit so freudiger Hoffnung erwartet." ,,Der
rechte Mann ist erkoren" sagt ein anderes Blatt; liberzeugt
von seiner imgeheuchelten Frr)mmigkeit wolk'ri wir ihn g:.Tne
als Oberhaupt anerkennen. Das ganze Land sieht ihm mit Liebe
entgegen." Aus Ostfriesland, aus Emden, seinem bisherigen
Wnkimgskreise, kamen herzbewegende Klagen über sein Schei-
den aus dem Kreise, der ihn unendlich verehrte. In Poesie und
1-rosa wurde der achtunddreißigjährige Rabbi veriierrlieht. .\iti
Sabbat, dem 29. Jjjar 5()()7 (15. Mai 1847) hielt Hirsch seine
Abschiedsrede in Emden „Morgen ist Neumond; morgen ist
hier mein Platz leer." I^rediger und Hörer waren tief gerührt
und bewegt. —
„tin hräiitlich festlich geschmückter Tag war der 23. Juni 1SI7 für
die lsr;ieliti^che (ieiiieintle Nikolsburg", erzählt der von dem Vorstands-
mitglied Hermann Bing verfaßte timpfangsgruß, „an welchem ihr Religions-
Oberh.aipt Sr, Lhrwürden Herr Samson Raphael Hirsch als ObcrL.indes-
Rabbiner von Mähren und Schlesien seinen feierlichen Einzug in Nikols-
burg hielt." Schon einige Tage früher waren zwei Vorsteher, Herr
Hirsch K o I i s c h (der Begründer des ersten österreichischen Israe-
litischen Jauhslummen-Instituts in Nikolsburg) und Herr Josef Franke
mit dem Rabbinatssubstituten Herrn Hirsch Teltscher dem L.an-
dcirabbiner bis Prag entgegengeeilt. Am 22. Juni trat dieser mit seiner
Familie die Reise in das Land seines hohen Berufes an. ,,Auf allen
Stationen waren von den betreffenden Israelitischen Ciemeinden die Vor-
steher sow i)hl, als auch die Rabbiner herbeigeeilt, um den verehrten
Ciast feierlichst zu bewillkommen." „.Wanehe (iemeinden, darunter vor-
züglich die Prereuer und L u n d e n b u r g e r , machten es sich ziu'
angenthmeri Pflicht, durch besondere .Aufwartungen ihre Ehrenbezeugung
an den lag zu legen." In Prereu übernachtete der Landesrabbiner mit
seiner Familie.
Die Israelitische Jugend, die ledigen und verheirateten Männer, alle
in festlicher Kleidung und brennende Fackeln in den Händen tragend,
machten von dem StationspL'itze bis zu dem für Se. Ehrwürden zui;i
Nachtquartier bestinuiiten und bereit gehaltenen Wohngcb.äude zwei inu
posanle Spaliere. Durch diese fuhr der geehrte (iast in einem sehr
eleganten Wagen in Begleitung des Prereuer (iemeindevorstandes, des
Lokal-Rabbiners und aller anwesenden fremden Honoratioren unter dem
lauten Jubelgrulie: irtt/^T r\~''\^V 1 '"li' "^ü i;"3"1 iri'O U'JHX TT !
Am frühen Morgen des 23. Juni wurde die Reise bis Lundenhurg
fortgesetzt „allvvo der hohe Angekommene von dem Nikolshiuger (ie-
meindevorstande (an dessen Spitze der hochverdiente Herr F r ,1 n z Ko-
ri tschon er stand, der eigentlich auf Hirsch hingewiesen und seine
Berufung erwirkt hatte), den Rabbinats-Aduiinistratoren imd mehreren
(iemeindemitgliedern ehrfurchtsvoll empfangen wurtle." Der Lunderdiurger
R.ibbiner Mühlrad begrüßte den Angekommenen mit den Worten:
'^Ti ii"~3 "l'^y '" lind hielt eine kurze Ansprache an ihn, welche \()n Se.
Ehrwürden mit dankerfülltem Herzen geist- und sinnreich erwidert wurde.
Um 12 Uhr .Mittags langte der Landesrabbiner mit dem großen Fhreii-
geleite in Nikolsburg an." Hier harrten alle Mitglieder der (lenu'lnde,
(iroli und Klein, Jung imd Alt, Männer und Frauen in festlichem
Schmucke des Kommenden. Die erlesensten ,, Familiensöhne" mit herr-
lich geschmückten Fahnen flankierten die beiden Seiten der ..(iroßeii
(lasse" bis zum Wohnhause des Landesrabbiners. Unter dem juhel-
_ 1<;
grulie: "\v{T'b incrri'i p'Ti'iS' C^P?^" "1"^- f"'!"" dieser im Rabbinatsornate
in seine Wohnung. Nach einstündiger Rast wurde in der „A 1 1 s c h u I"
das Abendgebet verrichtet. Diese war von dem jüdischen akademischen
.Maler L. S o ni ni e r aus Wien restauriert. Begleitet von den vornehm-
sten .Witgliedern der Gemeinde, imter Fahnenflattcrn und .Vlusikklängeu,
zog der Rabbiner in die Svnagoge ein. .Am .\bend wurden die Straßen
illimiiniert und Fackelzug init "Serenade währten bis gegen Mitternacht.
Sabbat am 2(i. Jiuii predigte Hirsch zum erstenmale (p^D* i'ber den
Text: ~''rt< 'l'" r~'r Alles war hingerissen und begeistert. Die
eigentliche hochfeierliche Installation jedoch fand am 30. Juni statt.
Die ganze judenstadt war festlich geschmückt, Straßen und Häuser
herrlich dekoriert. Der Tempel besonders prangte in Blumenp.'-acht.
Die jüdische Schuljugend hatte von der Rabbinerwohnung bis zimi Temr
pel '.-Xulstelhuig geiiommen. Als Repräsentanten der Regierung waren
der Kreiskomniissar und Kreissekretär angekommen. Gäste aus der
Nähe und Ferne waren" eingetroffen. Unter einem prachtvollen Balda-
chin, durch eine Doppelreihe geschmückter Fahnenträger schritt der ehr-
würdige Landesrabbiner begleitet von den Wahlrabbinern und Gemeinde-
vorständen in den wahrhaft herrlichen Tempel, woselbst die dichtge-
drängte, festliche .Menge in freudiger Erregimg harrte. .M a n n h e i m e r
war " zur Installationsrede berufen " worden ; S u 1 z e r mit seinem Tem-
pelchore erschienen. Die Predigt Mannheimers knüpfte an den Text;
xr "i^'N" cr.^:-' Ni' lÄ'N r.-y- -j? ^-n tx'd ^d'? mni^r. '^p^'^a 'n npc
"" □n':D'' Sie war von tiefster Wirkung. Darauf erfolgte auf dem \ I m e-
mor — einem herrlichen Bauwerk, das damals von vier prächtigen Säulen
umgeben war und heute nur mehr als kümmerlicher, stylwidriger Rest
sein Dasein fristet, da er aus der natürlichen Mitte nach vorwärts ge-
rückt wurde - durch die Regierungsbeamten und zwei Wahlrabbiner
die Installation luid Beeidigung.
Dann hieU Hirsch die Antrittsrede, anknüpfend an den Text: 'n -p
"iTNCn C'Z'^ — "'"'■;" — r)er Eindruck war, wie die Chronik meldet,
ein unbeschreiblicher. Selbst der glänzende Mannheimer war hin-
gerissen und übertroffen. — Nach der Predigt wurde das I n s t a 1 1 a -
tionsdekret durch den Kreiskominissär überreicht. Dann trug Sulzer
noch einige Psalmen vor und mit der Volks-Hymne schloß die weihe-
volle Feier. Ein festliches I^iner vereinte Himderte von Gästen. .Alle
.Armen der Cjemeinde erhielten an diesem Tage Fleisch und Brot imd
den Bedarf einer Woche.
Mai! kann sich denken, mit welchen großen Hoffnunj^en
im Herzen und mit welchen Plänen im Geiste Hirsch den Boden
Mährens und die geweihte Stätte der Gemeinde Nikolsburg be-
treten hatte. Hier war ja klassisch-jüdischer Boden. Hier hatten
seit mehr als fünf Jahrhunderten Größen Israels, Leuchten des
Exils als Rabbiner gewirkt, Hunderte von Jüngern um sich ge-
scliart, noch leuchtete die Lichtspur jener Talmudgrößen, wenn
auch ii; geschwächtem Glänze. In der geweihten Erde des
Nikolsburger „Hauses der Ewigkeit" ruhen die sterblichen
Reste eines Obadjah Eilenburg, Petachjats aus Worms, Menachem
Mendl Krochmal, Mordechai Benets. Durch diese winkeligen
Straßen der Judenstadt schritt einst der Fuß Liwa ben Bezalcls,
Da\id Oppenheimers, Samson Wertheimers. — Sabbatai Kohen
hat hier Tage verbracht und Samuel Keidenower Wociien.
Moses Isserles stattete hier Besuche ab; Rabbi Schmuel Schmclke
Horwitz hat hier die berühmtesten Schüler des „Baal-Schcm"
und des Rabbi Baer Mizritsch empfangen und mit seiner Weis-
heit und tiefen Kenntnis der Kabbalah Hunderte nach Nikols-
burg wallfahrender Chassidim begeistert.
Welch' eine glänzende, große Vergangenheit. — Aber auch
die Epigonen waren noch immer würdige Nachfahren. In den
bedeutenderen Gemeinden Mährens saßen damals, als Hirsch
Oberlandesrabbiner wurde, treffliche Gelehrte der alten Schule,
gewiegte Talmudisten, von denen manche durch die schnei-
dende Schärfe ihres Geistes und die beißende Lauge ihres
Witzes berühmt und gefürchtet waren, viele durch souveräne
Beherrschung der Talmud- und Midrasch-Literatur berühmte
Namen hatten. In Nikolsburg selbst waren zahlreiche bekannte
Gelehrte, in erster Reihe die Rabbinatsassessoren Rabbi Samuel
Zilz, Hirsch Teltscher, Josef Knöpfmacher und Moses Lob Kohn.
Mit der ganzen Macht seijier beherrschenden l^ersönlich-
keit faßte Hirsch sein Amt als Landesrabbiner auf und griff
mit fester Hand in die von strammer (J)rdnung und Organisation
weit entfernten Verhältnisse der JudL'ngemeinden Mährens ein.
Er wollte Landesrabbiner sein, nicht scheinen
und heißen. Nicht aus Herrschergelüste und Sucht nach
Autorität, sondern lediglich aus heißer Begeisterimg für das
historische, überlieferte Judentum und dessen heilige Lehren.
Er fühlte vorahnend deutlich, daß unerschütterliche Grundlagen
gelegt, feste, dauernde, treue Stützen gestellt werden mußten.
Er strebte mit heißem Bemühen ein gemeinsames Handeln mit
den bedeutendsten Rabbinern des Landes an, eine Durchdringung
des ganzen, öffentlichen jüdischen Lebens mit Thorageist und
Thoraleben. Und dies im ästhetischen Gewände moderner
Bildung. Organisation war sein Streben. Und dafür fand
er in dem Kreise der Mährisch-Schlesischen Rabbiner weder
Verständnis iloch guten Willen. Zunächst richtete Hirsch natür-
lich sein Augenmerk auf die Stammgemeinde Nikolsburg. LJeber-
all wollte er eingreifen. Mit wenig Erfolg. Bis zum heutigen
Tage aber erzählen hochbetagte Greise von seinem edlen, wahr-
haft gottbegeisterten Streben. Unvergeßlich zumal sind seine
glänzenden Predigten, die er an jedem Sabbate hielt; ein un-
ermüdlicher Lehrer, Erzieher und Ermahner. Dr. Armin
Schnitzer, der Oberrabbiner \ on Komorn, sagt \on diesen
Kanzelreden, die von den Besuchern der 12 Synagogen der
Gemeinde stets gehört wurden und deren er manche gehört
hat: „Wer den Mann mit seinem durchgeistigten Gesichte, mit
seinen großen flammenden Augen auf der Kanzel sah, wer ihn
hörte, wie sein mächtiges Wort bald dem dröhnenden Donner
glich, bala wie ein wuchtiger Hammer der Felsen zerschmettert,
bald sanft melodisch schmelzend klang, wie Harfenklang aus
Himmelssphären; . . . wer da sah, wie seine Gestalt stolz sich
hob, wenn er von der Geschichte Israels, seinen Propheten und
Cichtern, Kämpfen und Siegen sprach; wie sein .Antlitz sich
verklärte wenn er mit gläubiger Scheu den endlichen Sieg des
Rechtes unci des einen reinen Ciottesglaubens auf Erden ver-
kündete; der mußte sich sagen: Wahrlich ein Zauber ruht auf
den Lippen dieses Rednerfürsten; der mußte anerkennen, daß
er ein Gottbegnadeter sei . . . der von sich sagen konnte: „Der
Geist Gottes ruht auf mir, weil Gott mich weihte, Heil zu
künden." Bald kamen zahlreiche Schüler nach Nikolsburg, die
zum Teil allerdings dort nicht die erwartete, gewohnte Lehr-
methode fanden und vielleicht enttäuscht waren. Gar manche
Jünger aber holten aus Hirsch's Lehrhaus die Grundsteine spä-
teren großen Wissens und die Prinzipien ihres jüdischen Lebens.
Lichtstrahlen
aus Samson Raphael Hirschs Schriften.
(Aus den Psalmen.)
I.
Sehr oft üben Spötter noch aus Gewohnheit oder Feigheit die Vor-
schriften des Gesetzes, machen sich aber über ihre eigene Lebensweise lustig
und untergraben mit ihren Reden die Achtung des Sittlichen und Heiligen in
der fJrust ihrer Nebenmenschen.
2.
Im Lebens\erkehr auch mit theoretischen Feinden und Verächtern
der sittlichen (je-etzlichkeit zusammenzukommen, kann kein Mensch ver-
meiden und der pilichtgetreue am wenigsten. Nur in der Gesellschaft lassen
sich die Pflichten der Lebensauigabe lösen. Den sozialen Kreis seiner
Mitwelt kann keiner sich wählen. Allein über seine Mußestunden kann Jeder
nach frtier Wahl verfügen. In den Mußestunden gehört jeder sich selber
und seinen Gesinnungsgenossen an.
3.
Gott läßt lange die Menschen sich in Ausführung ihrer f^läne und in
tirprobung ihrer von ihnen überschäizten Einsichten und Kräfte \ ersuchen.
Seine \\ eltordnung ist für cen endlichen Sieg des Sittlichen im Menschen-
kreise berechnet, fir kann die Menschen gehen lasen. Die letzte Summe
ihrer Erfahrungen bereitet die endlicle Erkenntnis vor, daß Unsittlichkeit und
Unrecht nicht der Weg zum Qesamtheil ist.
4.
Nicht das zitternde Sichgebrochenfühlen ist die Stimmung, in welcher
der Gottesdienst unserer Lebenswirksamkeit gelöst werden soll, gelöst
werden kann. Nur in der heiteren Freudigkeit blüht der ganze Mensch auf
und werden alle Kräfte frei, deren der Mensch zur Lösung seiner Aufgabe
bedarf.
5.
Fortschritt zum Heil gibt es für alle, für Menschen und Völker nur,
wenn sie ihre Zuversicht allein in Gott und nicht in Bestrebungen setzen,
für welche sie nicht auf Gottes Billigung, somit nicht auf Gottes Beistand
rechnen können.
6.
Wen Gott zu einem neuen Tag erwachen läßt, dem sichert Gott damit
seinen Beistand, zu immer noch wiederzugewinnender Lebens-Reinheit und
Lebensheiterkeit.
7.
Ohne Erhebung zu Gott, ohne mit unserem ganzen irdischen Tun und
Lassen die Nähe Gottes, die Erfüllung seines Willens, die Gewinnung seines
Wohlgefallens und seines Beistandes anzustreben, ist unser ganzes Tun und
Lassen wertlos und alle unsere Hoffnung eitel.
8.
Gott hat noch immer den durch besondere Führung und Fürsorge
gekennzeichnet, der sich ihm ganz hingegeben, An dem Lebensgang und
Geschick eines solchen ist es immer erkennbar gewes-.n, daß die gänzliche
Hingebung an Gott und das Vertrauen auf ihn kein leerer Wahn ist.
9.
Scheingrößen, wie stolz und herrlich sie sich auch darstellen mögen,
vor Gottes Augen haben sie keinen Bestand. Mögen Menschen gelungenen
Gewaltstreichen zujubeln und sich mit ihnen befreunden. Gottes Haß ist ihnen
überall, in hohen und niederen Schichten gewiß.
10.
Betrug ist Gott wie Totschlag verhaßt.
11.
Die \ erachtung der sittlichen Pilichien ist ebenso Torheit wie die
Verachtung der Wei-heit.
20
Mancher in der Zukunft bedeutende Lehrer in Israel hat zu
Hirsch's Füßen in Nii<oisburg- gesessen.
Schon das erste Rundschreiben, das Hirsch in der Form
eines Hirtenbriefes an die Rabbiner der Gemeinden sandte, er-
regte deren Unwillen. Sie konnten gar nicht begreifen, daß der
Landesrabbiner Ratschläge geben könnte oder dürfte, die sich
auf die rituellen Institutionen, Unterricht, Gottesdienst, Gemeinde-
lebeii, Krankenpflege, Wohltätigkeit, Armenwesen bezogen. Eine
Synagogenordnung, die alles bis an das Kleinste regein sollte,
wirkte „wie ein Geßlerhut." Die Einrichtung der Trauungen i n
der Synagoge und nicht auf offener Straße, die Trauungsreden,
wurden scharf bekrittelt. Völlig unfaßber erschien es, daß ein
Landesrabbiner sich gar um die äußere Erscheinung der Rabbiner
Die Altschul in Nicolsburg.
bekümmerte. „Blau-Tuch ist jetzt modern" meinte Jer sonst
so weltkluge, diplomatische Rabbi Abraham Placzek in Boskowitz,
den Hirsch selbst nach seinem Abgange zum Nachfolger vor-
schlug Und wenn der Landesrabbiner gar am Sabbat im Frack
und weißei Binde erschien, dann konnten das die Herren nicht
verstehen, zumal sechzehn Jahre vorher Rabbi Mordechai Benet
in langem Seidenkaftan und hoher Pelzmütze durch die Gasse
gewandelt war, wo alles dem verehrten Manne scheu .luswich.
Wenn im Lehrhause Psalmen methodisch übersetzt und erklärt
wurden, Lexikon und Konkordanz als Rüstzeug benutzt wurden,
dann seufzte einer der Dajjanim : „Vor Zeiten hat man Gemore
gelernt und Thillim gesagt, jetzt sagt man (iemore und lernt
Thillmi.'' Solche Worte sind typisch und so unbedeutend sie
scheinen, für die Schwierigkeit von Hirschs Stellung bezeichnend.
Wie unrichtig Hirsch beurteilt wirde, beweist die Erscheinung,
daß die Alt-Talmudisten in ihm einen Reformator, die Neuerer
vom Schlage Fasseis einen „finsteren Orthodoxen" erblickten.
Sein reines, großes, wahres Streben wurde nicht erkannt, weil
es nicht begriffen wurde. Trotzdem aber fand der rastlose Mann
Gelegenheit, die Großzügigkeit seiner jüdischen Lebensauffassung
und die Kraftentfaltung seines starken Geistes fühlen zu lassen.
Die politischen Ereignisse drängten immer deutlicher mächtigen,
folgenschweren Begebenheiten zu. In den Grundtiefen der
Ghettomauern bebte es, gleichwie in den Gründen der beengen-
den Stadtmauern. Hirsch ruhte und rastete nicht, die Zeichen
der Zeit erkennend, die Emanzipation der Juden in
Wort und Schrift mit flammender, hinreißender, gewal-
tiger Rede zu fordern. Sogar an die „Christlichen Brü-
der'' richtete er liebevolle, ernste, von tiefer Gottesfurcht
diktierte Worte der Ermahnung im Interesse seiner Glau-
bensbrüder. Sie blieben keineswegs unbeachtet. Sein
Ausehen war doch in kurzer Zeit ein großes geworden.
Die Persönlichkeit erzwang Respekt und Ehrfurcht.
Darüber war kein Zweifel, daß hier ein harmonisch
überemstimmendes Denken und Handeln, getragen und
geleitet von tiefster altjüdischer Religiosität, sich offen-
barte. Die Kunde beginnender Völkerverbrüderung drang
in die Judengasse. Die Februarrevolution von 1848
mit ihieni gewaltigen Wogen flutete nach Oesterreich
hinein.
, Am. 20. März richtete Hirsch ,,Ein Wort zur Zeit an
unsere christlichen Brüder im gemeinsamen Vatcrlande"
in welchem er sagt: ,,Es tagt an Oesterreichs Himmel,
Schatten himdertjähriger Nacht beginnen zu fliehen, und
ein Tag verkündendes Morgenrot zieht herauf. Eine neue
Zeit ist eingetreten. — Schon haben deutsche Fürsten
ihre (ierechtigkeit besiegelt, indem sie gleiches Recht
auch den jüdischen Kindern ihres Reiches zugesprochen.
Werden Oesterreichs edle Söhne die letzten sein ? . . .
Und wird dieser Bitte, \on Oesterreichs edlen Söhnen
vor des edelsten Fürsten Thron gebracht, die Erhörung
fehlen? O nein, nein! Darimi an Euch ihr christlichen
Brüder im gemeinsamen Vaterlande, an Euch richten
Eure jüdischen Brüder das Wort! Lasset uns nicht allein
hintreten zum Throne des gemeinsamen Vaters; mit uns,
f ü r u n s sprechet das Wort ! Zeiget, d a ß das R c c h t
in Eurer Brust eine Wahr li e i t geworden, zei-
get daß Ihr die Schmach der Jahrhunderte til-
gen wollt, nicht nur die Schmach, die 1 h r g e -
litten, nein, auch die Seh mach — verzeihet - die
Ihr geübt! — — " Am 14. März war Kaiser Ferdinand ge-
zwungen worden, die Konstitution zu verleihen, Preßfreiheit zu
verkünden, die Volksrechte zu besiegeln. Die Freiheitsglocken
klangen durch ganz Europa. Hirsch stand .in der Spitze der
die Juden-Emanzipation fordernden Bewegung in Mähren.
Es ist in diesem Jubeljahre des ehrw ürdigen, von der ganzen
12.
Gewil) muß der Mensch zur Erkenntnis des Rechten selbst das meiste
tun. Um aus dem in der Thora uns geöffneten Born der göttlichen Wahrheit
für jeden vorliegenden Fall, für jeden zu tuenden Schritt das flechte zu
schöpfen, bedarf es des Aufgebots der ganzen eigenen geistigen Anstrengung.
13.
Israel isf der Bote der Firlösung an die Menschheit, der Verkünder und
der geschichtliche Beweis zugleich, dali es eine Wiedurerhtbung aus aller
Qesunkenheit, eine Erlösung aus allem leiblichen, geistigen, sittlichen und
menschengesellschaftlichen Uebel, eine Auferstehung aus aller leiblichen und
sittlichen Erstorbenheit gebe, und daß Qott es ist. der die Bande des Todes
und der Schuld löst una mit seinem Weckruf und seiner Allmachtsgnade
in jedem Augenblick bereit ist, ein neues Leben und eine neue Zukunft zu
gewähren. \
14. :
Das Sterben eines Menschen ist nur eine Folge der von Qott einmal
gegebenen Naturordnung, offenbart somit zunächst nur diese Naturor, nung,
deren Macht kein Mensch sich enizieht. Aber das Leben, vor allern die
Wiederbelebung, die Neuverjüngung eines bereits verlorenen Daseins, sie ist
der Qott offenbarende Fingerzeig, sie zeigt Qott. wie Er über den von Ihm
geordneten Naturgewalten steht und ewig bereit ist, dem Menschen für sein
künftig treues Schaffen, für seinen künftig pflichttreuen Gottesdienst auf
Erden neue Kraft und neues Leben zu spenden.
15.
Dem heidnischen Gedanken zeigt sich die höchste Gottesmacht in dem
Darniederwerfen der höchsten Menschenmacht und Größe, in der zu fürch-
tenden, tötenden Gewalt, welcher alles Lebendige erliegt. Denn seine
Götter sind ia eben nichts als die Gewalten der von Gott geordneten Natur.
Die jüdische' Wahrheit aber spricht: So wahr ich lebe, spricht Gott, ich finde
meinen Willen nicht an dem Streben des Bösen, sondern an der Rückkehr
des Bösen von seinem Wandel, auf daß er neues Leben gewinne.
16.
Was von dem Menschen im Grabe liegt, zollt nicht mehr den Lebens-
dienst, in welchem der Mensch auf Erden die sittlich freie Qotteshuldigung
nach göttlichem Willen betätigen soll. Was von dem Menschen im Grabe
liegt, folgt eben den Einflüssen der Naturgewalten, denen er verfallen ist.
Der lebende Mensch hat durch die siitlichfreie Lösung seiner ihm von Gott
angewiesenen Lebensaufgabe Gott zu huldigen. Nicht das vorzeitige Sterben,
das ausdauernde Gott huldigende Leben ist sein Wille.
17.
Qott stellt unser sittliches Wollen und unser sinnliches Begehren durch
Leiden auf die Probe; Versuchungen, die ja selbst nur unsere Läuterung,
unsere sittliche Kraft und Standhaftigkeit erliöhen, somit was sie an äulieren
Annehmlichkeiten versagen, reichlich durch inneren Gewinnst aufwiegen.
18.
Nicht erst an jenem großen einstigen Gerichtstag, an welchem alles
Böse vor dem hervortretenden göttlichen LJnwillen in Vernichtung sinkt auch
jetzt, in jeder Zeit läßt Gott den schlechten, pilichtvergessenden Menschen
seinen Unwillen lühlen. Es kommt dem Schlechten jeden Tag fühlbar zum
Bewußtseir\ daß Gott ihm zürnt, daß er nicht auf dem rechten Weg ist, und
wäre es auch nur durch die innere Unruhe, die Stimme des Gewissens, diese
Gottesstimme im Menscheniunern, die ihn quält.
19.
Bei der Verbreitung oder Nichtverbreitung der Gotteskenntnis handelt
es sich nicht um die Qott nach Gebühr zu zollende oder zu versagende
Huldigung; es handelt sich vielmehr um das gesamte soziale Wohl und Weh
der /rtenschen, das in allererster Linie durch den lebendig wirksamtn Einfluß
bedingt ist, den der Gottesgedanke auf die Gesinnung und das Verhalten der
Menschen gegeneinander übt.
21
Weit ocprieseneii und geliebten Kaisers von Oesteireich, Franz
Josef 1., in dem OO Jahre seit seiner Thronbesteigung vollendet
sein werden, von hoher Bedeutung und lebendigstem Interesse,
dieser großen Zeiten zu gedenken, die seinem Regierungsantritt
voi angingen und im ersten seiner Regierungsjahre ihre Fort-
sei/ung fanden, um erst im Laufe der Jahre die reifen Früchte
zu zeitigen.
Lcr erste, große weltgeschichtliche Erfolg der Freiheitsbe-
wctiung war die Einberufung des ersten konstitutionellen Reichs-
tage- nacl. Kremsier. Am 22. November wurde er im i'alais
1S48 forderte er die (iemeinden auf, Ruhe und Besonnenheit
zu bewahren, treu bei der väterlichen Religion und ihren Heilig-
tümern auszuharren. Kurz vor der Abstimmung über Jen ent-
scheidenden § 16, der die Emanzipation der Juden verheißen
sollte, versammelte er im Hause des gel.'hrten und reichen Krem-
sierer Vorstehers Raphael Kohn die gewählten Vertreter der
Provinzen Oesterreichs, um über die Mittel zu beraten, durch
die das erwünschte, heißersehnte Ziel erreicht werden könnte.
Dem Reichsrate legte er eine Denkschritt vor, die jedem Mit-
gliede übergeben wurde und der als Motto die Worte beilagen .
Die ,, Brück" mit ,, Neuschul" in Nicolsburg.
des Erzbischofs Maximilian Joseph eröffnet. Drei Rabbiner
waren als Abgeordnete zugegen: Isaak Noa Mannheimer, Baer
Meiseis und der Oberlandesrabbiner von Mähren
und Schlesien, Samson Raphael Hirsch. Er war
hochgeachtet und geschätzt, wo immer er auftrat. An einem
Sabbate predigte er in der Synagoge anknüpfend an Micha 5, 13
über Moses als Vertreter des Gesetzes, Aron als den des
Gottesdienstes und Mirjam als Repräsentantin der Wohltätig-
keit. Auch hier zündeten seine Worte und erregten die Bewun-
derung der Hörer. In einem Aufrufe vom 2. Mai und 8. Oktober
„Weise dieses Blatt nicht zurück, es wird vom jüdischen Bruder-
herzen Dir gereicht!" In der Denkschrift ward das ganze
schwere Unrecht in markigen, großen Zügen dargestellt, das
den Juden Oesterreichs bisher zugefügt worden war.
Die Mitglieder des Reichsrates hatten aber bekanntlich
keine Gelegenheit mehr, die Denkschrift zu behandeln. Am 6.
März 1849 um Q Uhr abends wurde im Reichsrate über das
Verhältnis des Staates zu den Religionsgesebschaft.'n verhandelt.
Wenige Stunden später kam Minister Stadion aus Olmütz mit
dem Befehle, den Reichsrat „dessen Mitglieder, aus den Wirren
2U.
Feindschaft und Selbst aclie, Kampf Alier gegen Alle, das ist, von aller
Phrase entkleidet, unerbittlich das Grundprinzip, dem jede Gesellschaft ver-
fallen muß, aus deren Geda kenkreise es gelingen würde, den Namen Gott
zu streichen. Für den Verlust vermag Menschenklugheit keinen trsatz zu
finden.
Vor dreißig Jahren.
Von Gottfried Qoldschmidt in Halberstadt.
Vor dreiüig Jahren war ich ein zehnjähriges Individuum, das man damals
(und mit Recht) einen ,.Lausbub^ nannte, d. h. so sagt man in Frankfurt, im
Norden des Reiches nennt man's einen Strick. Deren gabs zu meiner Zeit
in Frankfurt einige . . . zigtausend; doch sechs davon und ich bildeten einen
geschlossenen Kreis. Die Hauptgebiete unserer Tätigkeit waren aulier dem
Schulhof der Röderwald und der Bach Metzgerbruch, der sich in den Main
ergiell'. da^ Wirthsche Schwimmbad und die Qoetheruh, der Feldberg irTi
Taunus, die RechneigrabenstraBe, in der die Schlachten zwischen den
l-'hilantropin-Schülern und uns Religionsgesellschaftern aus der Sclüitzenstraße
Nr. 14 tobten, und so oft als möglich die GroLischul'; natürlich die in der
Schützenstraüe. eine andere kannten wir von innen nicht
In Grotlschul gabs drei Männer, ohne die wir sie uns nicht hätten
vorstellen können: den Herr M , den Herr Fr und den
Herr Rabbiner. Diese drei und der Raum, da-s zusammen war uns Groflschul.
Dali zum Gottesdienst nQch weitere sieben Herren erforderlich waren,
erschien un. nicht wesenhaft; allenfalls hätten wir es begriffen, daß wir
sieben Buben dazu geholten. Doch alles andere w.ir überflüssig und störend.
Den Herrn M fürchteten wir. Er jagte uns hundertzwanzig
Mal aus detii kleinen dunklen Rückzimmerchen, in dem die Barette für die
Vorbetenaen lagen und das Hawdolohzeug, die Almemordecken und andere
Gegenstände unsres heißen Interesses; er jagte uns vom Duchan hinunter,
wenn wir in den Freistunden da oben Ein- und Ausheben spielten oder mit
unseren Röcken auf den Köpfen ^duchenten"; er jagte uns aus der Kanzel,
wenn wir predigten, vom Almeinor, wenn wir lei"nten, aus Frauenschul,
wenn wir den Inhalt aufgestöberter Riechfläschchen in den Männerraum
hinunterspritzten. Und kamen wir zum hunderteinzwanzigsten Male, in der
friedlichen Absicht, gleich fing er schon wieder an uns zu vertreiben, sodaß
wir immer schneller zu einer andern Tür hinein^^chlüpfen mußten. Bei
alledem halfen wir ihm doch so gern bei seinen Vorbereitungen. Einer von
uns, zum Beispiel, brauchte nur zu erfahren, wer abends Jahrzeit und vorza-
beten habe, so wußte er sofort die Kopfweite des Baretts, das aijf den
betiefienden Synagogenplatz zu legen war. Beim Umkleiden der Sforim,
beim Aufwickelii der \VimpeIn prügelten wir uns um den Vorrang. Um Samstags
nach Schul das Haftora-Sefer zu stellen, zu wickeln und zu kleiden, hatten
wir einen Haftora-Stell-Verein gegründet, den Turnus für die einzelnen Ehren-
fu ktionen durch Statut fe^tgeleut i^nd uns verpflichtet, in Streitfällen (unter
Aus chluß des Faustkanipies und der ordentlichen Gerichte) den Herrn
Synagogenvorsteher M. Fr. als Schiedsrichter anzuerkennen. Das ging alles
glatt und gut. Wenn aber am Erew Jomkipur die schönen Programme
verteilt wurden, dann wurd;n wir schroff zurückgewiesen: und unserem ver-
einten Angriff gegenüber barg der Herr M das kostbare Gut ängstlich
in den Falten seines Talars und schützte es wider uns durch Ellenbogenpüffe
und mit dem ungestümen Ruf: , Kriegst keins!" Schließlich kriegten wir
dennoch allmählich je sechs Stück und manches Jahr noch mehr, aber mit
welchem Aufgebot von Energie und Ausdauer! — Wir wußten ja damals
nicht die wunderbare Pflichttreue zu schätzen, die den w-ackeren schichten
Mann n"i' tiis ins hohe Greisenalter zu der eifrigen Hut des Heiligtums
beseelte.
Der zweite der großen drei Männer in der QroBschul, und für uns
fraglos der Größte in der Schützenstraße, war Herr Fr t2"''{<S ^^'e^n
wir ihn kopierten, gcschahs aus dem heiligen Ehrgeiz, ihm ähnlich zu werden.
Er war unser Heros, und beneidet wurde der Kamerad, der ihm ,gut nach-
- 22
der Revolution hervorgegangen, ohne Rücksicht auf die Festigung
und Stärkung der Majestät des Thrones eine Stelhing einnahmen,
die mit der dem Kaiserhchen Hofe gebürenden Treue wenig
vereinbar sei" für aufgelöst zu erklären. Wie ein Donnerschlag
an sonnenklarem Tage wirkte diese Kunde. Aber das sehnsuchts-
volle Hoffen der vaterlandstreuen Juden in Oesterreich wurde
nicht enttäuscht. Was der Reichsrat nicht gewähren konnte, ge-
währte der Monarch. Die volle Glaubensfreiheit, den Genuß
bürgerlicher und politischer Rechte, die Gleichheit vor dem Ge-
setze, Zutritt zu den öffentlichen Aemtern und zum Staatsdienste.
Der 2 Dezember des Jahres 1848 war ein Jubeltag für
Nicolsburg :
Judengasse mit Rabbinerhaus.
(iesamt-Oesterreich geworden, der Tag des Regierungsantrittes
des Kaisers Franz Josef !. An der Spitze einer Deputation
der mährischen Gemeinden erschien Hirsch am 28. März 1849
in Olmütz, um den Kaiser feierlichst zu begrüßen. Er tat es
in herrlichen, männlichen Worten. Er sagte: „Als die gütige
Vorsehung Eurer Majistät das Szepter über Oesterreichs Völker
verliehen, boten Allerhöchst dieselben sogleich beim Antritte
ihrer glorreichen Regierung die Verheißung gleicher Rechte inid
gleicher Pflichten als Heil und Segen verkündenden (iruß allen
Ihren Völkern. . . . Mit welch' freudigen Gefühlen müssen aber
machen" konnte. Fehlten uns auch seine blinkenden Schuhe, sein ^chön
frisierter Scheitel und seine fürstliche Gestalt, so niiniten wir ihn wenigstens
vom Talliswuri bis zur Verbeugung bei baui chiloh, vom Wechseitritt am
SImchas 'l'auroh bis zu den drei Po'-itionen beim Kaur'im-Fallen, vom königlichen
Heben des Kidusch-Be chers bis zum Luldw-Zittern und Chanucka-l.icht-
benschen ; und ebenso in Wort und Ton von der eleganten VVochentags-
Sch'maune eßre bis zur bebenden Awaudoh, vom Asloh Qeresch (auf ■uj'n
IDIpD mDN) am Nachmittag des Taanis Fsther bis zum graziösen Alazzomehl-
Angebot an den Schwath-Freitag-Abenden, von der h'icho-Elegie bis zum
Jahrkadisch. Unbevvuüt empfanden wirs, daL! di jeder Zoll ein König und
jeder Laut ein Genuß für sich war, und beim Salamaiiderfang am Metzger-
bruch und beim Schwimmen im Main, auf dem Feldberg und im Schulhof
übten wir Chasonus, lernten wir oren.
Und der dritte der drei, der Herr R a b b i n er, war unser I" r e u n d, mit ihm
verkehrten wir so vertraut und kameradschaftlich, dali in späteren Jahren,
als wir seine überwältigende ürölie spürten, mir mein damaliges Verhältnis
za ihm als ein Frevel erschien. Damals aber zog er vor uns Rangen tief
den Hut, wenn wir auf der Straße schon von weitem die Mützen abrissen;
er drückte uns kräftig die Hand nach dem B nsclien am Freitag-Abend; er
belachte laut und herzlich unsere kt-cken Bemerkungen, wenn wir uns zum
Minjan In sein Zimmer mit hineindrängien ; er unterhielt sich mit uns in
unserer Sprache, interessierte sich für jeden Schrnii', den uns ein Philantropin-
schüler versetzt hafte, bestätigte uns, daß un^ere eingetauschten Briefmarken
echt waren und nicht gefälscht, beklagte mit uns, dali der Herr M zu
streng sei, prüfte genau unsere Fußbälle, Kampiriemen, Salamander und nie
unsere Schulkenntnisse — kurz, er war halt unser Freund und dabei doch
sonst ein sehr angeseliener Mann. Dafür bracliten wir ihm auch Blumen mit
^om Röderberg und besuchten ihn mei^t, wenn wir vom Schwimmen an
seinem Hause in der Schönen Aussicht vorbei kamen. W ir wollten wohl
gern länger verweilen, weil es (jeiiiütlich bei i m war; ;.ber ich weiß nicht,
wie es Kam. nach einer Minute waren wir stets wieder draullen.
Waren wir in Oroßschul iederzeit heimisch, so fühlten wir uns ganz
besonders zu Hause, wenn wir bei der Predigt auf dem großen Platz standen
die jüdischen Söhne des Vaterlandes dieses heilverkündende
Won vernehmen. War dieses Wort ihnen doch Bürge für die
endliche Erfüllung ihrer Hoffnungen, für die endliche Sühne
träncnreichei Vergangenheit, für das endliche Aufhören ihrer
jahrhundertlangen Leiden." — — — „Geruhen E. M. den Aus-
druck des von allen jüdischen Herzen geteilten Dankes aus dem
Munde der Vertreter der jüdischen Mährer huldreichst entgegen
zu nehmen Möge die gütige Vorsehung das begonnene
Werk der Wiedergeburt des Vaterlandes recht bald snit dem
Segen des Heils und des Friedens krönen und E. M. in ei n e r
langen gesegneten Regierung das süßeste und loh-
nendste Bewußtsein genießen lassen, der Beglücker Ihrer Völ-
ker, der Vater des Vaterlandes zu sein!"
Wie tief ergreifen uns heute diese Worte, wo sich die
Völker Oesterreichs zusammenfinden, um den unendlich gelieb-
ten, greisen Kaiser im sechzigsten Jahre seiner ruhmreichen Re-
gierung zu feiern und deutsche Fürsten unter Führung des
deutschen Kaisers ihre Huldigung in einer noch nicht dagewese-
nen Form dargebracht haben.
Der junge Kaiser dankte tief bewegt und gab die gütigsten
Zusicherungen für alle Zukunft. Mit der ganzen Macht seines
Einflusses und der unwiderstehlichen Ueberzeugungskraft seines
Wortes hatte Hirsch in dem bewegten Jahre zu Zurückhaltung
und Mäßigung autgefordert. Kaisertreue und Regienuigstreue
geboten
In keinem Augenblicke ließ er seine große .Aufgabe aus
dem Auge. Mit prophetischem Blicke erkannte er die Gefahren
der jungen Freiheit und in wahrhaft ergreifenden Worten wendet
er sich an seine ihm treuen Brüder. Der große Organisator ist
in jedem Schritte, jeder Zeile zu erkennen. Der glühende, be-
geisterte Jude offenbart sich in jedem Worte, jeder Fat. Vor
Allem lag ihm die Erhaltung der Religion und ihrer Heiligtümer
am Herzen, für die er zitterte, bangte und bebte. Wie er die
Judei' zu tiefster Vaterlandsliebe aufrief und weckte, ihnen
Respekt vor den Obrigkeiten eindringlich einprägte, unbedingte
Bürgertreue mit ehernen Worten predigte; ebenso ernst und
groß ist seine Sorge um die von ihm so ängstlich gehüteten
Güter des altüberlieferten Judentums.
„Die Aufgabe ist groß, ist um so grölk'r, je hemmender und zerrüttender
unsere bisherigen Zustände in unser ganzes Einzel-, Familien-, tiemeinde-
und Biirgerleber; eingegriffen. Aber je größer diese Aufgabe ist, umso
mehr wollen wir sie mit dem ganzen Aufgebot unserer Kräfte, mit
aller L'nisieht, mit aller Einsieht, mit aller Aufopferung, mit allem ent-
schiedenen heiligen Willen, vor allem mit allem ernsten brüderlichen
Zus:iiiimeii\\irken erfassen, und (jott wird auch die Lösung dieser Auf-
gabe mit dem Segen des (lelingens segnen. Neue Bahnen des Erwerbs-
lebens, der gemeinniitzigen Tätigkeit sind uns eröffnet, alte Bahnen eines
von der Not uns aufgedrungenen Erwerbes sind zu verlassen, sind we-
nigstens auf die Jugend nicht zu vererben. Anstalten wollen geschaffen
werden, in denen unsere Jugend zum Ackerbau, zur Arbeit, zum Handr
werk, zu jeder nützliehen, von uns bis jetzt nicht gepflegten Tätigkeit
heraiij.iebildet, Anstalten, durch welche unsere Brüder zur segenreichen
Betretung der neu eröffneten Erwerbsbahnen angeleitet und unterstützt,
Anstalten wodurch ein besonnener und vernünftiger Gebrauch der uns
gewordenen Freiheit im Erwerbsleben angebahnt werden könne. Eine
L'mgcslaltung unseres Gemeindelebens ist unabweislich geworden; die
Mauern des Judenghettos siiul gefallen, ein neues Gemeindegesctz wird
das üenieindewesen im Allgemeinen regeln und in jeder bürgerlichen
zwischen der Kanzel und den vordersten Sitzreihen; dieser Platz erschien
uns damals von unendlicher Ausdehnung, und da wir aus Furcht vor dem
Herrn M immer nur schrittweise vordringen konnten, so dauerte es
gewöhnlich die ganze Predigtstunde, bis wir von einem Ende der Länge nach
zum anderen gelangten. t:igentlich wollte der Herr M daß wir
während der Predigt still standen, und manche handgreifliche Mahnung wies
uns leise zurecht, wenn wir zu lebhaft vorgingen. Iminerhin war angesichts
unseres Freundes auf der Kanzel unsere Furcht vor dem Herrn M
während der Predigt erheblich geringer als sonst, und da wir sieben den
Platz mit vielleicht zwanzig oder dreißig anderen Rangen teilen mußten, so
waren Reibereien schwer zu umgehen; meist war es darum ein bißchen
unruhig in unseren Reihen, besonders wenn auf der vordersten Bank
Barmizwo -Jungen saßen, in deren unmittelbarer Nähe jeder von uns sein
wollte, um zu sehen, ob sie pünktlich aufstehen, wenn am Schluß der
Predigt der Herr Rabbiner das Wort an sie richtete: außerdem hatten wir
die liarinizwo-Jun^en überhaupt gern, weil diese das Leben in üroßschul
noch sensationeller machten als es utis ohnehin schon war. Als wir einmal
heftig miteinander rangen, und der Herr M nach erfolglosen Rippen-
stößen uns vom lieben Tummelplatz weg in die hinteren Regionen jagen
wollte, da sahen wir mit unseren eigenen entzückten Augen, daß der tJerr
Rabbiner von der Kanzel herunter mitten im Reden ihn mit einer bittenden
Handbewe ung bedeutete, er solle uns doch da lassen. Hei, hai uns das
gefreut I l nd in unserer Genugtuung über den Sieg und die Hilfe unseres
Freundes blieben wir sogar beinahe ganz ruhig stehen bis zum letzten Wort.
Der Herr M hat sich das aber gemerkt, und als bei einer der nächsten
Predigten , Stücker fünf Harmizwo-Jungen" dasalien, ließ er uns raufen und
stand unbeweglich unter uns, als sähe er nichts. Schon fingen die Leute
hinter uns an zu zischen, was uns aber einerlei war und Herrn M
auch. Da half sich der Herr k'abbiner selber; er hatte gerade die Worte
gebraucht: .ein Heiligtum'' und wiederholte mit scharfem Blick auf uns
herunter und mit erhobener Stimme, die tinswie Donner vorkam: im
Heiligtum, i;i dem auch der kleine Jude wissen soll, vor Wem er steht!.
Verdonnert und verdutzt schauen wir auf, da winkt er uns leise zu und
23
Beziehung des Oenieindelebens wird der Jude in dem allgemeihen üe-
meiiideverband aufgehen ; unsere besonderen rehjfiöscn Angelegenhei-
ten, die Pflege unserer Gottesdienst-, L'nterrichts-, Wohhatigkeitsanstalten,
Stiftungen, Fonds, die Sorge für die Stelhing und Wirksamkeit unserer
Rabbiner und Lehrer, werden fortan jedoeh noch immer unser besonderes
rehgiöses Gemeindeleben bilden; hier Gott, dort das Vaterland, wer-
den die Pulse dieses zweifachen Gemeindclebens sein, beide gleich
stark, beide gleich belebt, beide einem Herzen entsprungen, einem
Herzen zuführend, in ungestörter Harmonie, für Gott und Vaterland
unser ganzes Leben einigend. Dieses neue Leben fordert neue Regel,
neue Ordnung, und diese müssen mit weiser Ueberlegung geschaffen
werden. Eine neue Blüte unseres geistig religiösen Lebens ist anzu-
streben. Die Hindernisse sind gefallen, die die Gründung und den .Auf-
schwung unserer Schulen, dieser Pflanzstätten unseres geistigen Seins,
alle Rabbiner, Vorstände und Lehrer der Gemeinden zu einer
großen Versammlung, die der Landesrabbiner nach Nikolsburg
berief, um seine weitausschauenden Ideen durchzuberaten, Pläne
zu entwerfen und alle zu großer Tat zu entflammen. Vor allem
wollte Hirsch eine Synagogen Verfassung für alle Ge-
meinden schaffen. Am 13. April 184Q erschienen alle Delegierten,
um eine „Verfassung der Bekenner jüdischen Glaubens in Mäh-
ren" fertigzustellen. Die Ausarbeitungen wurden einem Komitee
übergeben und im November wurde eine zweite Versammlung
nach Nikolsburg berufen. Die Beteiligung war eine große und
allgemeine. Man stand unter dem Eindrucke einer großen, noch
fiabbonimplatz auf dem Friedhof zu Nicolsburg.
hemmten; es fehlen uns Anstalten zur Bildiuig unserer Lehrer; es
fehlen uns Anstalten zur Bildung unserer Rabbiner; es fehlen uns \\is-
senschaflliche Anstalten zur Pflege unserer Religionswissenschaft im
Allgemeinen und im Einzelnen. Die Schulen für die Jugend in den
einzelnen Gemeinden bedürfen sehr teils ganz neuer Ordmmg, teils
frischer geistiger Umbildung und Pflege. - Einheit tut vor Allem Not!"
Diese ebenso weisen als herzbewegenden Worte richtete
Hirsch von Nikolsburg aus am 13. März 1849 an alle Gemeinden
Mährens. Die bewunderswerle Großzügigkeit der Pläne,
die ihrer Zeit um \- i e 1 e Jahrzehnte \- o r a u s e i 1 1 e n,
die Begeisterung für die ideale Sache erregten das Staunen aller.
Diese Worte bildeten das Begleitschreiben einer Einladung an
nicht dagewesenen Kundgebung. In feierlicher Versammlung
kündigte der begeisterte Predig:'r der Gemeinde sein Vorhaben
an. Aber — der große Moment fand ein kleines
Geschlecht. Es war nin- eine Wirkung des .Augenblicks,
nie Zukunft lehrte, daß die Juden Mährens sich
nicht reif genug erwiesen, die großartigen Pläne
H i r s c h s zu begreifen noch zu \ e r w i r k I i c h e n.
Kein Widerhall der mächtigen Stimme des Führers ward in
A'\ährci] oder Oesterreich vernommen. Auch die Regierung ver-
hielt sicli passi\. Der Verfassungs-Entwurf wurde wohl der
Regierung unterbreitet, aber von ihr nicht erledigt. Ebenso er-
spricht weiter, als sei nichts vorgefallen. Zu Hause gabs für mich Prügel
und für meine Eltern ~"\^-i einen verstörten pi'i''. aber auch ohne das hätte
ich von selbst mich nie wieder bei der Predigt an einer Hauerei beteiligt.
Umso herzlicher jedoch bewahrten wir dem Herrn Rabbiner unsere Freund-
schaft, bis sie allmäniich in Ehrfurcht sich wandelte in dcrn Malle, in dem
aus dem Gassenjungen sein Schüler wurde, auf dessen Herzenstafeln er, der
Gewaltige, und sein lierrlicher Sohn, -3-11- 2:i"i:i, tiefer und tiefer die
Mahnung grub: ^C1y rriN \ti "'iE'" V~'-
Schulerinnerungen.
M.
Ursache: Die Eisbahn auf
das alle (.)uartanerherzen in
Monaten bisher vergeblich
Von Moritz A. Loeb, Frankfurt a
I. Quarta.
I 1 der '.ijarta herrscht große Aufregung,
dem h'fjderspies ist eröffnet, ein Ereignis, auf
diesem unverantwortlich milden Winter seit
warteten.
,Lnd heute ist erst Dienstag ; bis zum Sonntag, wo wir zum erstenmal
einen freien Nachmittag haben, kann schon wieder Tauwetter sein," meint
unser Primus.
„Ja warum hast Du denn Herrn Dr. Hoiimann *y das nicht gesagt, daii
wir den ganzen Winter noch nicht zum Schlittschuhlaufen gekommen sind?"
bemerkt vorwurfsvoll ein anderer.
H fc III i ji a r .- in H <: r i i n.
I]ltll|-(:l- in <1'T l-iUiU'Ul, jr.t/.l Iii:lil.,
K ;( 1» b i II V 1- -
.,Sei doch nicht so dumm! Natürlich habe ich ihm das gesagt, aber
er meinte, das ginge ihn nichts an !"
J'iefbetrübt hören wir alle diese Kunde, lacht doch der helle Sonnen-
schein gar so verführerisch zum Eenster herein und zaubert uns das Bild
der Eisbahn mit allen ihren Reizen vor Augen.
,,Wiiit Ihr was." ruft da ein Dritter, ,,wir gehen zum Direktor und
bitten ihn um einen freien Nachmittag!"
,, Jawohl, jawohl, wir gehen zum Direktor!'' schallt es von allen Seiten.
Als die stürmische Begeisterung, die dieser treffliche Vorschlag her-
vorgerufen, sich gelegt hat, erhebt sich natürlich die Frage, wer der Bote
sein soll. Neue Verlegenheit, unser Primus lehnt entschieden ab: seinem
Beispiele folgen eine ganze Reihe anderer. Es wird mein Name genannt.
Ich will ebenfalls ablehnen, aber da eihebt sich allseitiger Widerspruch, die
vox populi entscheidet einstimmig, daß ich zu senden sei. Da die Pause
gleich zu Ende sein muß, schieben mich 20 Hände sanft zum KlassenzimTer
hinaus und bald stehe ich vor der Türe des Direktorzimmers. Ich lausche,
kein Ton läßt sich hören. Es dämmert die Hoffnung in mir auf, daß der
Direktor vielleicht abwesend und so meine Mission schnell zu Ende sein
könne. Ich fasse mir also ein Htri und klopfe kräftig an und — ein ebenso
kräftiges „Herein!" ertönt als Antwort! Jetzt ist der Rubikon überschritten:
es gibt kein Zurück mehr! Befangen bleibe ich an der Türe stehen. Die
kleine gebeugte Gestalt des großen Mannes an dem niederen Schreibtische
richtet sich empor, die glänzenden Augen wenden sich za mir und mit ge-
winnendem Lächeln ertönt es:
,,Nun, Loeb, was bringst Du uns Gutes?"
24
ging es der von Hirsch entworfenen Synagogenordnung, seinem
Plane und Vorschlage zur Gründung eines jüdischen Gym-
nasiums und eines Rabbinerseminars. Wenn man die
Aufrufe und Hirtenbriefe Hirschs liest, dann gedenkt man mit
tiefster Wehmut jener großen Zeit und mit Beschämung der
Erscheinung, daß der gewaltige Organisator völlig unverstanden
blieb. Noch tiefer aber wird der Schmerz bei dem Gedanken, daß
Hirschs stattsmännische Pläne heute nicht nur ebensowenig erfüllt
sind wie damals, sondern daß es vielleicht der letzte historische
Moment war, indem sie in dieser Form überhaupt noch in jüdi-
schem. Geiste hätten verwirklicht werden können. Kein Wunder
fürwahr, daß der große Mann sich in der kieindenkenden Umge-
bung unglück'ich fühlte. Nichts, rein nichts von all' sei-
nen großen Gedanken v\- arder Erfüllung zugeführt
worden. Im Gegenteil. Ungerechte Kritik, nörgelnde Stichelei
verbitterten dem selbstlosen, edlen Manne das Leben. Derstolze
Titel „Oberlandesrabbiner von Mähren und Schle-
sien'' erwies sich als ein wesenloser Schein. Als
er bei der Regierung anfragte, worin sein dem hohen Titel ent-
sprechender Beruf bestehe, erhielt er die Antwort: „Im fleißigen
Beten, Predigen, Bewachen der Schule und der Gemeinde."
Mit dem bescheidenen Wirkungskreise in Nikolsburg selbst konnte
sich Hirsch nicht begnügen. In der Stammgemeinde selbst war
er verehrt und geschätzt; aber auch hier wenig verstanden.
Vier Jahre waren seit seinem glänzenden Amtsantritte ver-
strichen. Am 4. Mai 1851 dankte er ab und gab seinem Ent-
schluss dem Komitee für die mährisch-jüdischen Religionsange-
legenheiten kund. Die Nachricht wirkte niederschmetternd. Ver-
geblich wurde eine Versammlung nach Brunn berufen, die sich
an den Landesrahbiner in einer Vertrauenskundgebiing mit der
Bitte wandte, seinen Entschluss zu ändern. Das Landesrabbinat
sollte nach Brunn verlegt, mit HoheitsrechtLMi ausgestattet und
vom Landesmassefonds mit 1500 fl. dotiert werden. Vergeblich
wurden jetzt die schönsten Verheißungen gegeben, vergeblich
kamen Deputationen aus allen Gemeinden des Landes. Hirsch
war nicht der Mann, der nach seinen Erfahrungen sich durch
Wortv zur Aenderung seines Entschlusses bringen ließ.
In Nikolsburg herrschte die tiefste Erregung. Man
fühlte jetzt, was man an Hirsch besaß und verlor. Nur das
Bewußtsein wirkte beruhigend, daß Hirsch das Scheitern
seiner Pläne als Grund der Abdankung vorführte, die er
als Zweck und Aufgabe des Landesrabbiners betrachtete. Die
Gemeinde Nikolsburg hatte ihm und seiner Familie Liebe und
Ehrfurcht entgegengebracht; wie er es vollauf verdiente. Von
seinen zahlreichen Freunden wurde nichts unversucht gelassen,
um ihn zurückzuhalten. Eine gutverhiirgte Nachricht meldet, daß
der Vorsteher Hirsch Kolisch für jedes der fünf Kinder Hirsch's
zehntausend (iuldeii anlegen wollte, um für die Zukunft zu
soigen Er war rastlos, unermüdlich. Auch seine edle Gattin
stellte sich in den Dienst der (iffentlichen Wohltätigkeit als
Ober\orsteherin des Frauenvereins. — Innere Befrieiligting aber
konnte er in dem bescheidenen Kreise nicht finden. Frank-
furt lockte ihn, wohin ihn die Stimmen einiger weniger edler
Männer beriefen, die nicht geziihh, aber gewogen werden wollten.
Er fühlte, sah im Geiste, daß dort, wo es galt, mit starker Hand
Großes aus dem Nichts zu zaubern, eine und seine Zukunft
liege. Am 31. Juli 1851 verabschiedete er sich in einem Rund-
schreiben von den Gemeinden, Vorständen und Rabbinern, das
den Stempel seiner ganzen Persönlichkeit trägt. Eine große
Episode seines Lebens, aber nur eine Episode war ab-
geschlossen. Mähren im. Besonderen und Oesterreich dürfen
es bis zur Stunde tief beklagen, daß Hirsch nicht der
Ihrige geworden war. Keiner nach ihm hatte die Fähigkeit,
das Judentum Oesterreichs gleich ihm zu einigen und zu orga-
nisieren; keiner wie er die Absicht, die alte Tradition mit den
Kulturaufgaben der Gegenwart harmonisch zu vereinen. Das
wahrhaft lebensfähige, alte, religiösvertiefte Judentum war in
dem Momente dem Untergange geweiht, als eine tragfeste
Brücke aus der vormärzlichen Zeit in die Aufklärung der Frei-
heitsperiode von den Juden Oesterreichs nicht geschlagen wurde.
Der sichere Anschluß wurde versäumt, der Bruch erfolgte. Hirsch
wollte diese Brücke in kühnem, weitgeschwungenem Bogen bauen.
Ex ungue leonem. Aus seinen Entwürfen kann man ermessen,
was er in Oesterreich und Mähren hätte erwirken können.
Selbst ein Mannheimer kann nicht neben Hirsch bestehen, was
kühne Konzeption, organisatorisches Talent und insbesondere
Vereinigung traditionell-treuer, felsenfester jüdischer Ueber-
zeugung mit durch und durch moderner Kultur anlangt. Die
jüdische Intelligenz, die höchste Bildung, die materiell Kraft-
vollsten in den heiligen Dienst der Religion zu stellen vermochte
Hirsch in unglaublicher Weise. Dafür ist Frankfurt ein Beweis.
Was die Folgen dort sind, wo dies nicht gelungen war, dafür
sind Mähren und Oesterreich Beweise und Beispiele, wo hohe
Bildung, gesellschaftliche Geltung, Reichtum und Ehren gleich-
bedeutend sind mit Religionslosigkeit, wenn nicht gar Religions-
verachtung und Taufe.
Mit dem Erlasse der Mährischen Statthalterei vom 23. Juli
1S5I wurde der Konkurs für die pro\ isorisclie Besetzung des
Obeilandesrabbinates bis zum 15. September ausgeschrieben. In
der Sitzung des Gemeindevorstandes in Nikolsburg am 24.
August 1S51 unter Vorsitz des Bürgermeisters Dr. Bachrach
wurde zu Protokoll gegeben: „Nachdem diese kurze Zeit kaum
hinreicht, für eine würdige Besetzung dieser Stelle Sorge zu
tragen, ein Provisorium aber für die spätere definitive Besetzung
einen hemmenden, nachteiligen Einfluß üben könnte, wird be-
sehU.'Ssen, an das Komitee das Ersuchen zu stellen, dasselbe
wolle dahin wirken, daß dieses Proxisorium durch ein Kollegium
veiw.iltet werde und nicht einem Einzelnen überlassen bleibe.
lii(. durch das Ausscheiden des Herrn Landesrabbiners erledigte
Lükaliabbinerstelle wird xorläu'ig f ro\isorisch dem Herrn Hirsch
Teltscher überlassen."
h'nscli Teltscher hatte Samson Raphael Hirsch seinerzeit
im Namen des Rabbinats-Kollegiums begrüßt. Vorüber war die
bedeutendste Periode des Mährischen Landesrabbinates. End-
giltig vorüber. Mit der politischen Reaktion legten sich auch
auf Mähreiii Judengemeinden die alten, tiefen Schatten.
Da ist der Bann getrocheti. In fliegender Hast berichte ich von j
diesem iammetvollen Winter, der uns noch nicht ein einzisesnial zu den ,'
Freuden des Eislaufs kommen lieli. .letzt sei die Eisbahn eröifnet, aber w(r
könne wissen, ob sie bis zum nächsten Sonntag, dem ersten schulfreien
Nachmittag halten werde. Im Namen der ganzen Klasse bitte ich daher,
uns einen Nachmittag für den Eislaut frei zu geben.
Mit keinem Worte hat der Direktor meinen Redeflulj unterbrochen; i
als ich geendet habe, schwebt noch das gleiche, gewinnende Lächein um
seine Lippen: , Weißt Du, mein Sohn, ich vermute, daß nicht nur die yaaria,
daß auch die anderen Klassen gern an dem Eislauf teilnehmen werden. Da '
moti ich doch erst mit euren Lehrern Rücksprache nehmen. Aber icli denke
es wird sich machen lassen I ..Damit bin ich entlassen. Hoffnungsfroh kehre
ich in die Klasse zurück, wo der Unterricht inzwischen schon begonnen hat.
Doch, wenn ich auch über den Erfolg meiner Mission nichts berichten durfte,
meine Mienen sagten genug. Die Hoffnung, die ich hegte, trog nicht: der
nächste Nachmittag wurde uns freigegeben.
Der schnelle Erfolg meines Bittganges ermutigte zu baldiger Nach-
ahmung. Wie oft bin ich dann noch den gleichen Weg von unserem Klassen-
zimmer zum Direktor gepilgerl; handelte ts sich einmal um eine botanische
Exkursion, so mußte ein anJerrral irg' nd eine nur vorübergehende Sehens-
würdigkeit den V'orwand fü'- ti''en schulfreien Nachmittag abgeben. Daß der
große Mann die wahren Motive unseres brennerden Interesses für Bo!anik
und für all die anderen scl.oncn Dinge durchschaute, ist selbstverständlich;
daß «r es aber nie auch nur mit einer Andeutung versuchte, uns das fühlen
zu lassen, läßt einen Schlutl darauf zu, wie entwickelt sein Zartgefühl gewesen
sein nuß. I
Ebenso kann der Umstand, das alle diese zahlreichen Bitten stets
schlanke Gewährung fanden, als Zeugnis dafür dienen, daß S. R. Hirsch sich
bei all dem tiefen Ernste der ihn beseelte, ein feines Verständnis für die
kindliche Rsyche und eine herzliche Liebe für seine Schüler bewahrt
haben mul.i.
IL Unter-Sekunda.
Das Ziel so manchen sehnsüchtigen \\ unsches war erreicht. Diese
Sehnsucht, sie galt nicht rur dem Umstände, daß man hier mit .Sie" ange-
redet wurde, nein, uns lockte noch ein Höheres: Unter- und Obtr-Sekunda
durften, mit der Prima vereinigt, dem Unteriicht anwohnen, den Samson
Raphael Hirsch persönlich eiteilte und der dem .Geiste der jüdischen Gesetzes-
lehre" galt.
Wenn wir mit unseren 12 und 13 Jahren auch noch ke'n volles Ver-
ständnis haben konnten für die Bedeu'.un^ des Mannes, den das gesetzestreue
Judentum Deutschlands als seinen k'egenerator feiert, so war aus dem. was
wir von unsren Eltern hörten, von dem, was wir aus seinen Predigten und
Schulreden in uns aufnehmen konnten, doch eine Ahnung aufgedämmert, daß
uns hier nicht nur ein mit immensem Wissen begabter Lehrer, ein gefeierter
Schulmann, sondern eine ristorisclie Persönlichkeit gegeiiübertreten
sollte. So konnten wir es denn kaum erwarten bis der Stundenplan die erste
Stunde bei S. R. Hirsch aufwies. Aber endlich kam sie doch.
Pünktlich mit dem Glockenschlage taucht die uns so w ohlveitraute
Gestalt im Rahmen der Ihiire auf. Wir schnellen alle ehifurchlsvoll in die
Höhe, doch eine leichte Handbewegung lälit uns wieder Platz nehmen.
Mehr als drei Dezennien sind seitdem vergangen und doch steht jene
erste Stunde bei Samson Raphael Hirsch noch in allen Einzelheiten mit
S. R. Hirsch und die österreichische
Revolution.
Ein Sendschreiben aus dem Jahre 1848.
An d i e Eh rsamen Israelitischen Gemeinden in der Provinz
Mä h ren.
Geliebte Brüder!
Nur in Zurückhaltung und Ruhe kann Euch geholfen werden!
Mit keinen treffenderen, als diesen Prophetenworten kann ich die
Bitte, die ernste dringende Bitte, eröffnen, die diese meine wohlgemeinten
Zeilen an Euch, meine geliebten Brüder, um Euer, um unser Aller Heil in
dieser freudig ernst bewegten Zeit zu richten wünschen.
Die wichtigen Ereignisse, die Gott der Herr in den jüngsten Wochen
im theuern Vaterlande herbeigeführt, sind Euch gewiß nicht fremd geblieben.
Ihr habet vernommen, mit welcher Vaterhuld unser erhabener Kaiser den
allgemeinen Wünschen seiner Lnterthanen hat Erhörung zu Theil werden
lassen, und welche unschätzbare Güter seine Gnade den Bitten seiner
Völker gewährt.
Ihr habet gewiß bei solcher Kunde anbetend zu Gott dem Herrn auf-
geblickt, der die Gänge der Zeiten leitet und in dessen Vaterhänden die
Herzen der Fürsten ruhen. Ihr habet gewiß in Eurem Herzen unserem
gnädigen Kaiser frohen Dank gezollt und die Freude und der Jubel, der alle
Gemüther erfüllt, sie sind gewiß nicht minder mächtig in Eurem Herzen
laut geworden.
Und wohl wollen wir uns freuen, meine Brüder, wollen uns freuen mit
den Brüdern, wollen uns freuen, wenn dem theuern Vaterlande im Ganzen
des Segens reichste Früchte, des Heiles vollste Fülle aus den mit Hoffnungs-
jubel begrüßten Fürstengaben erblühen werden ; wollen uns deß freuen, wie
unser Qotteswort uns lehrt, und würden daraus auch für uns nicht besondere
Früchte reifen, n")':*^:; p^^ n'TT' ~C1^B'3 "'D denn im Heile des Ganzen sollen
auch wir das eigene finden.
Gewiß aber auch — und dieses ist die nächste Veranlassung dieser
wohlgemeinten Zeilen — gewiß aber auch habet Ihr, geliebte Brüder — und
wer nicht mit Euch! — gewiß habet Ihr bei dem Dank und Hoffnungsjubel
der Gesamtbevölkerung, auch unserer jahrelangen heißen Wünsche, auch
uns e r er jahrelang endlicher Erfüllung harrender Hoffnungen gedacht, und
in den heilverkündenden Ereignissen auch die Bürgschaft der nun baldigen
eigenen Erhörung begrüßt.
Und Euere Hoffnungen werden gewiß nicht zu Schanden werden. Unser
vielgeliebter Kaiser wird gewiß nicht so viele Tauseide seiner treuen, mit
gleicher Liebe, mit gleicher Hingebung an ihm hangenden Unterthanen aus
dem allgemeinen Dankesjubel ausschließen wollen, nachdem er so viele
Millionen mit seiner Vaterhuld beglückt ! Er wird gewiß nicht so vielen
Tausenden sein gnädig Ohr verschließen wollen, nachdem er so vieler
Millionen Bitten erhört; wird unser Loos nicht ferner Schmerz und Trauer
sein lassen wollen, nachdem er Allen die Freude und den Jubel gespendet.
Und gewiß, Euere christlichen Brüder selbst werden mit Euch vereint
Euere Bitten vor den erhabenen Thron Eures gemeinsamen Landesvaters
bringen; werden ihr Gefühl für Recht, und ihre erleuchtete Menschenliebe
gerne dadurch bethätigen, daß sie die gleichberechtigten Brüder im gemein-
samen Vaterlande, ifi Euch erkennen wollen, gerne das Heil mit Euch theilen
wollen, das der Eine Vater im Himmel lür Alle spendet; sie werden der
eigenen Freude nicht froh sein können, so sie einen Menschenbruder noch
im Jammer wissen.
Sehet, das hoffe ich mit Euch zu Gott, hoffe ich von dem gerechten
gnädigen Herzen unseres erhabenen Kaisers, hoffe ich von dem Rechts- und
Liebessinn unserer Landesbrüder und was nur zur Erreicnung dieses Zieles
geschehen kann, geschehen muß, es wird sicherlich von Allen geschehen, die
durch Stellung und Einsicht zu solchem Werk berufen sind; es wird nichts
versäumt werden ; mit Kraft und Eifer, aber auch mit Besonnenheit und Ernst
werden sie ihre Pflicht erfüllen, und auch was meine geringen Kräfte ver-
mögen, werde ich diesem heiligen Ziele weihen.
Aber nur ])})mr) nnjl n^lt:'^. aber nur durch Bescheidenheit und Ruhe
kann uns geholfen werden! Nur die durch Stellung und Einsicht Berufenen
wollet Ihr Euer Wort, da wo es Noth thut, und Früchte tragen kann, führen
lassen; und sie werden es thun mit aller Kraft, die die Wahrheit, und aller
Entschiedenheit, die das Recht und mit aller Begeisterung, die das Ziel ver-
leihet. Aber auch nur sie lasset Euere Sache führen, und erwartet den Aus-
gang mit Zurückhaltung und Geduld. In Gottes Händen liegt unser Geschick,
harren wir, wie es Juden ziemt, ruhig seiner Entscheidung.
Das haben sich gewiß die Besonnenen unter Euch — und das sind
gewiß die Mehrzahl — das haben sich die Besonnenen unter Euch gewiß
schon selbst gesagt, und die bedürfen meines Wortes nicht. Aber es könnte
auch sein, daß Unbedachtsamere, Unbesonnenere, Unbeständigere, daß vor Allem
die leicht die Besonnenheit verlierende Jugend, durch die allgemeine Auf-
regung hingerissen, sich zu Worten und Handlungen verleiten ließen, die an
sich zu tadeln und in ihren Folgen höchst verderblich wären Sie könnten
durch vorwitzige, unverständige Ae ßerungen, durch unbescheidenes, vorlautes
Benehmen, den Unwillen ihrer Landesbrüder reizen; sie könnten durch Ver-
anlassung von Ordnungswidrigkeiten und Ungebühr das Mißfallen der hohen
Behörden auf sich ziehen - und Ihr wisset ja, wie von jeher die Tadels-
würdigkeit des einen Juden so leicht auf alle übertragen ' worden und das
Mißfallen, das einer verdiente, alle büßen mußten.
Sehet, da könnten Vorwitz, Unbesonnenheit, Unverstand alles ver-
derben, und dem anzustrebenden Werke unübersteigliche Hindernisse in den
Weg legen.
Darum beschwöre ich Euch, geliebte Brüder, beschwöre Euch bei Eurem
und unser Aller Heil, wachet über Euch und Eure Angehörigen! Nur ein be-
scheidenes Entgegenkommen wird das Wohlwollen Eurer Landesbrüder Euch
gewinnen; nur bescheidene Aeußerungen über Eure jetzigen und künftigen
Verhältnisse im Vaterlande werden Euere Verständigkeit bekunden; nur be-
scheidene Ehrerbietung und unverbrüchlicher, unverkürzter Gehorsam gegen
alle Eure Vorgesetzten und Obrigkeiten Euer F^rlichtgefühl und Euern Ord-
nungMnn bezeugen und nur auf solche Weise wollet der Zukunft getrost
entgegen harren.
Hoffen wir zu Gott, daß Seine Boten, die Erkenntniß der Wahrheit
und des Rechtes und der L-ebe in der Brust der Menschen, auch unserem
Heile die Bahn ebnen werden. Nur sie sind Waffen, die dem Juden ziemen.
Nur Gott ist sein Panier!
So es Sein Wille ist, wird Er das Herz der Fürsten und Völker lenken,
und unsere Vorstellungen und Bitten mit Erhörungen gekrönt werden lassen.
Und hat Se n heiliger Wille es anders beschlossen, so wollen wir auch dann
geduldig ausharren, bis Seine Waltung auch uns zu Freude und Jubel ruft.
Nur lasset uns nicht durch eigenen Unverstand unsere Zukunft ver-
scherzen! pvB'in nn:i -2)^2 durch zurückhaltende Bescheidenheit und
Ruhe allein kann uns geholfen werden.
Nikolsburg, 2,3. März 1848.
Der Oberlandes-Rabbiner
Hirsch.
plastischer Deutlichkeit vor meinem geistigen Auge. Stuhl und Katheder ver-
schmähend, stand Hirsch, die Hände auf dem Rücken gekreuzt, vor uns;
seine leuchtenden Augen schienen auf jeden von uns gerichtet; seine Stimme,
voll sonoren Wohllautes, tönte klar und vernehmlich durch den großen Raum, der
die drei Klassen aufnahm : "n:ipn ^E'-in'? Z2h xin iiB'x^ c^t'~~ rs"i nr'^ nn 2'-;nn./
„Diese Mondeserneuung sei euch Anfang von Neumonden; er sei euch der
erste unter den Monaten des Jahres."
Mit diesem Verse wurde die Stunde eingeleitet. Um uns in das Ver-
ständnis dieses und der folgenden Verse einzuführen, entrollte Hirsch uns zu-
nächst ein grandioses Bild des geistigen Tiefstandes, den Israel in Aegypten —
dank 4fX)iähriger Knechtschaft — eingenommen hatte. Was wir damals nicht
wissen konnten, inzwischen haben wir es erfahren, daß dies Gemälde kein
Phantasieprodukt war, sondern eine geniale Zusammenfassung alles dessen,
was im jüdischen Schrirtium die Tradition uns aus dem Leben des jüdischen
Volkes in Aegypten aufbewahrt hat.
Auf der to gewonnenen Grundlage weiterbauend, suchte Hirsch uns die
überragende Bedeutung des Auszuge, aus Aegypten für die historische und
geistige Entwicklung des Judentums klar zu legen. Die Bestimmungen für die
Festsetzung des Neumondes durch die Gesamtrepräsentanz des jüdischen
Volkes gaben ihm Gelegenheit, uns zu zeigen, wie die jüdischen Festtage
keine Verherrlichung alljährlich wiederkehrender Naturvorgänge seien, die an
irgend welche Erscheinungen des Sternenhimmels sklavisch gebunden sind,
sondern, wie schon in der Art der Festsetzung von Neumond und Festtag das
freie Verhältnis zwischen Gott und dem Volke Israel zum Ausdruck komme.
Die Bedeutung des Cho m ez verböte s für Pesach führte zunächst
zu einer ausgiebigen Erörterung der Begriffe l'reiheit und Knechtschaft. Noch
tönt bei der Erinnerung in meinen Ohren jene feurige Dithyrambe auf die
Freiheit, die wir damals zu hören bekamen und die uns heute verständlicher
ist als damals, weil wir wissen, daß Hirsch das Sturmjabr 1848 als praktischer
Politiker miterlebte. In wie lichtvoller Weise wußte er uns klarzumachen,
daß ein Merkmal vor allem zwischen Herrn und K nach t unterscheide:
die freie Verfügung über die Zeit; wie der gleiche Unterschied zwischen
Chomez und Mazzoh walte, um uns fiir alle Zeiten einzuprägen, daß Israel
aus der ägyptischen Knechtschaft nur erlöst worden sei, um ganz in den
Dienst seines Schöpfers zu treten.
In dem ganzen Winter, in dem wir das Glück des persönlichen Unter-
richtes durch den großen Meister genossen, sind wir über dieses zwölfte
Kapitel des zweiten Buches nicht hinausgekommen; aber es handelte sich ja
hier auch nicht um eine bloße Texterklärung. Der Text war nur die Basis.
auf der Hirsch vor unseren Augen das Gebäude des Judentums erstehen ließ,
uns dabei Ein- und Ausblicke nach allen Seiten eröffnend.
Wohl war das Ganze kein Unterricht wie er sonst diesen Altersklassen
erteilt wird; aber ich darf uns das Zeugnis ausstellen, daß wir alles tatui.
um diesen Unterschied auszugleichen. Die gespannteste Aufmerksamkeit
herrschte \on Beginn bis zum Schlüsse der Stunde; eine Störung dureh
irgend eine disziplinwidrige Handlung wäre gänzlich undenkbar gewesen.
Dazu kam die krystallne Klarheit des Vortrages, wie sie diesem Meister
der Rede bei seiner souveränen Beherrschung des Stoffes eigen war.
So war es ein wirklicher Schmerz für uns, als Altersbeschwerden und
Krankheit Samson Raphael Hirsch zwangen, seinen Unterricht an der Schule
einzustellen. Wir verloren ihn als Lehrer, aber wir haben ihn seitdein
wiedergefunden als — Lehrer für ganz Israel.
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Religionsphilosophisches in S. R. Hirsch's
Kommentar zum Pentateuch.
Von Prof. Dr. Elias Fink in Frankfurt a. M.
Die folo-enden Zeilen setzen sich zum Ziele, aus dem
Hauptwerke des jj;enialen A\annes, dessen hundertster Geburts-
tag in diesen Blättern «eieiert wird, die Grundlinien seiner
Weltanschauung- in oedränjjter Kürze zusanuiien zu stellen.
Für den modernen Juden, der auf dem Boden des altüber-
lieferten Glaubens seiner Väter steht, kann es nicht ohne Reiz
sein zu sehen, wie ein ebenso jjelehrter, wie fein ^^ebildeter
Jüni^er des talmudischen Judentums, der doch Samson Raphael
Hirsch unbestritten (gewesen ist, die \ielfach umstrittene Har-
monie zwischen Glauben und Wissen herzustellen verstanden
hat. Eine liebevolle Vertiefung in das Studium desrmn-Konnnen-
tars von S. R. Hirsch zeigt aber nicht nur dies, sondern sie
wirkt an sich auch fruchtbringend und wird den Leser selbst
zu dem angedeuteten Ausgleich führen, in dem er im Strudel
der \ on anderswo auf ihn eindringenden mannigfachen Lebens-
anschauungen den rocher de bronze finden wird, der ihm
nimmer wankende Stütze gewährt und ihn mit dem stolzen
Bewulksein erfüllt, selbst den neuesten materialistischen Be-
hauptungen gegenüber sieghaft bleiben zu können. Es wäre
niclit zu schwer, an der Hand dieses coin-Kommentars ein
vollständiges Svstem der jüdischen Religionsphilosophie zu
entwickeln, das uns eine in sich geschlossene Erkenntnis-
theorie ebenso gut böte, wie eine lückenlose Kosmogonie
und eine wohlbegründete Ethik. Leider legt der hier zuge-
messene Raum uns grol.ie Beschränkung auf. in deren Folge
wir auch auf jede Kritik \erzichten müssen. Unsere Dar-
stellung möchte daher nur mehr als einfache Sannulung von
Lesefrüchten in der bezeichneten Richtung gelten.
.An die Spitze unserer Erörterung stellen wir die grund-
legende Lehre von dem göttlichen Ursprung der n^m und
ihrem ewig unabänderlichen Charakter, denn dieses Prinzip
bestimnn zugleich die Grenzen alles jüdischen Philosophierens,
das niemals die l'ebereinstinmumg mit der mm einbülJen
darf. Für die Göttlichkeit der min werden zahlreiche Beweis-
gründe angeführt, von denen wir wenigstens die wichtigsten
her\orheben möchten. Obenan steht hier die Tatsache, dal.!
wir Juden trotz unserer politischen Ohnmacht, nur mit der
nrr in der Hand, einen so beispiellosen Gang durch die
Zeiten haben vollbringen können, L»er heftige Widerstand,
den .Moses" Zeitgenossen dem Gesetz entgegenstellten, ist
ein ebenso untrüglicher Beweis für die Wahrhaftigkeit und
Göttlichkeit der heiligen Schrift wie die Verwirklichung des
angekündigten Zerstreuungsschicksals. In welch fundamen-
talem Gegensatze das Volk ursprünglich zu dem Gesetze
stand, beweist doch zur Genüge der eine Umstand, daü es
nach bloü vierzigtägiger Abwesenheit nro's sich das goldene
Kalb schuf: wie hätte da aus seiner eigenen Mitte als zeit-
genössisches Produkt ein Gesetz hervorgehen sollen, in dem
das Heidentum so tiefe Verabscheuung erfährt? Und von
den .Aeg>ptern konnte .Moses auch nichts entlehnt haben,
denn dann hätte er doch gewil.! die Priesterkaste in ihren
Einkünften nicht abhängig gemacht von dem guten Willen
des Einzelnen, sondern ihr Grund und Boden, sowie festes
Einkommen gewährt. Er hätte ferner die Beschädigung von
Tempelgütern, für die die min nicht einmal Ersatz vorschreibt,
gewilj mit den höchsten Strafen belegt und wohl auch die
Lehre von der Seelenwanderung und Erhaltung des Indivi-
duums durch Einbalsamieren herübergenonmien, während
docii nach jüdischer .Anschauung gerade umgekehrt die Seele
xerharrt und der Körper wandert, indem er zum Staube
zurückkehrt.
Dal.i aber nrc aus sich selbst heraus unmöglich dem
Volke Gesetze gegeben haben kann, erkennt man aus seinem
Kraftmangel und seiner beispiellosen Bescheidenheit, wie
denn auch die erste staatliche Einrichtung des jüdischen
Volkes und ntt'o's Bitte um den Beistand seines Schwieger-
vaters beweisen, dalJ er eben doch nicht wie andere Gesetz-
geber bloß ein schlauer Führer war, der eine aus den Bedürf-
nissen seiner Zeit hervorgegangene Gesetzgebung ins Werk
setzte. Seine Verzweiflung an sich selbst und der anfängliche
Zweifel des Volkes an seiner Sendung, die Tatsache, daü es
später einen solchen Zug durch die Wüste unter seiner
Führung mitgemacht hat, ja für die niin freudig in den Tod
gegangen ist, dies alles kann nur aus der Erkenntnis ge-
schehen sein, daß die n^'tr^ unmittelbares Gotteswerk ist.
Institutionen wie die des n::*L:' oder des S^v-Jahres wären als
auf menschlicher Anordnung beruhend geradezu Verbrechen,
wie es unsere Weisen mit den Worten ausdrücken:
nn^D r"n n^a-tr 'i. Moses wäre überhaupt s. v. v. ein großer Tor
gewesen, wenn er ein Gesetz gegeben, von dem er sich selbst
bewußt war, daß es auch nach Jahrhunderten noch nicht ins
Volk gedrungen sein werde, und als dessen Garanten Hinmiel
und Erde angerufen hätte. Als dn'-i::, als Gottesschöpfung
mitten in der A'\enschengeschichte aufgestellt, verliert die
Sendung Moses' alles Widersinnige. Sie ist als solche einzig
in ihrer Art und kann mit nichts \erglichen werden, was
sonst unter den Völkern als Religion oder Gesetz entstanden
ist. -Aber auch über jede Art von Prophetie ist sie hoch er-
haben, wie wir dies noch weiter unten sehen werden.
Diese unsere göttliche min hat nun aber keineswegs
den Zweck im Auge, uns eine A\etaph\sik zu geben, um
uns Gott erkennen zu lehren, \ielmelir will sie uns bloß in
der irdischen Welt orientieren und uns zeigen, wie wir diese und
uns aus Gott verstehen können. Daher lehrt sie die E'nsterb-
lichkeit der Seele so wenig wie das Dasein Gottes mit aus-
drücklichen Worten. Wohl aber zeigt sie uns - - und das
ist zugleich die Basis der ganzen Gesetzgebung am Sinai -
Gott als den Lenker unserer Geschicke und den Leiter un-
serer Handlungen. In freier Unterordnung unter das Qottes-
gesetz sollen die A'lenschen den Charakter ihrer höheren
Gattung verwirklichen, denn der große Zweck, den Gott mit
der Schöpfung hat erreichen wollen, wird nur erzielt, wenn
jeder das Gesetz erfüllt, das Gott ihm gegeben hat.
Dieses Ziel der Schöpfung ist auch ein wesentlicher
Punkt in der Aufstellung des jüdischen Gottesbegriffes. Er
wird nämlich nicht erschöpft durch das .Attribut des Er-
schaffens der Welt und des in ihr nach unabänderlichen Ge-
setzen verlaufenden Geschehens, sondern Hauptmoment dieses
Begriffes ist das ^'n.x, worin die freie Herrschaft über die Ge-
staltung der Zukunft zum Ausdruck gelangt. Zu ihrer Ver-
wirklichung hat Gott das persönliche, absolute, freie Wesen,
den willensfreien Menschen als AVuarbeiter geschaffen. Dem
jüdischen Gottesbegriffe gemäß ist Gott freier Herr über sein
Werk, das ihm also niemals über den Kopf wachsen kann.
Denkmal der Schöpfung ist daher nicht sowohl diese selbst,
als vielmehr ihr .Aufhören am r:r. Er ist demnach ein
Grundpfeiler unserer religiösen .Anschauung und seine strenge
Feier eines unserer wichtigsten S\ nibole. Dieser bedarf Gott,
um den Menschen das \on ihm geforderte Menschliclie zu
vergegenwärtigen, nicht aber um ihm etwas Göttliches zu
demonstrieren, denn Gott anschauen sollen wir ausschließlich
in seinen Werken, nicht in einem Bilde. Zum Bewußtsein
der Gottesgegenwart sollen wir lediglich durch den Segen
des irdischen Daseins gelangen, durcli die ganze Gestaltung
des inneren und äußeren Lebens, wie es angedeutet ist in den
Worten : -"nri^i •^'ba n"i::n "s:"* nx i'rTN ^rN oipon ^22 . Des
Menschen Sorge soll daher nicht die Gestaltung seines Ge-
schickes sein, sondern nur die seiner Taten. Gott zu be-
greifen ist dem AAenschen weder als .Aufgabe gestellt noch
überhaupt möglich. Die äußerste Grenze, die in dieser Hin-
sicht ein Mensch hat erreichen dürfen, und auch nur ein
28
Moses, wird gekennzeichnet durch das "^y "Die; b: i'2j?x ^:n
TJE (mcc Cap. 33, 12-23). Hiermit wurde ilini die An-
schauung der Einlieit Gottes in der Mannigialtijjkeit seines
W'altens zuteil, wie sich die einlieitliclie Ciiite Gottes in der
.Wanniji^taltigkeit xon D't:n-i und -y:- offenbart, und damit
ein Einblick in das Indixiduelle der ji;öttlichen Eiilirun,ü:. von
wo aus die Ersciieinung des iS y-n ■p'n-i und des ^b ::iDi y^-i
kein Rätsel mehr ist. das es nur für den bleibt, dem die tiefe
Einsiciit in die Indixidualität des Mensclien abgeht. Der ein-
zig riclitige Standpunkt für die Beurteilung alles Mensch-
lichen ist eben der 'pn Dipc, d. h. aus der Lott nahen Höhe
alles .Wensciiliche zu würdigen und zu versteuen, nicht um-
gekehrt. \om niederen Standpunkte des Menschen die An-
schauung Gottes und des Göttlichen zu gewinnen. Gott ist
das einzige absolut Gegebene, weder plastisch noch speku-
lativ hat die Menschheit sich ihren Gott erst zu schaffen.
Der Mensch soll nicht \-on sich aus seinen Gott, sondern von
Gott aus sich begreifen, in Gottes ewigem Sein wurzelt
unser zeitliches Dasein, aus seinem persönlichen freien Willen
und seiner freien schöpferischen Macht stannnt unsere Erei-
heit. unsere l^ersönlichkeit. unser sittlich-freies Wollen und
Tun. Er erblickt in unserem gesegneten Gedeihen und in der
Blüte unserer sittlichen Vollendung die \ erwirklichung seines
Willens und für dieses Ziel unseres Daseins regelt er unser
Tun und lenkt er unser Geschick. ..Ewiger" kann den Gottes-
begriff nicht zum \<*lien .Ausdruck bringen, denn '~ bedeutet
Seinsspender, der auch bei \erscherzter Vergangenheit jeden
.Augenblick bereit ist. aus der Eülle seiner allmächtigen I-Jarm-
herzigkeit neues Dasein zu \erieilien. In die Entwicklung,
die er als c--~>s auf Gesetz und Ordnung gestellt hat. greift
er ein unil leitet sie seinem Ziele der A\enschenerziehung
gemäli. Zwei Eaktoren gestalten demnach die Entwickeking
der Welt: die in der ursprünglichen Schr»pfung gegebene
gesetzmällige phxsische Ordiunig und die mit Rücksicht auf
das sittliche Verhalten des .Wenschen dieser Entw icklung ge-
gebene göttliche Leitung. Die ph\sisclie Weltordninig läl.lt
sich allerdings der l^etrachtung \on Himmel und Erde ab-
lauschen, die sittliche Weltordnung aber. d. h. Gottes Walten
in der Geschichte lehrt erst die Offenbarung des Namens '-.
[)ie Identität Gottes in der Natur inid in der Geschichte
zieht sich ilurch die ganze Gottesielire hindurch. Gott, der
das Gesetz gegeben hat. gibt auch die dessen Erfüilimg be-
dingende Nahrung, und imigekehrt. V.r. der die Nahrung zum
Leben spendet, hat auch das Gesetz gegeben, das die Ver-
wendung dieses i,ebens bestimmt. Dieser jedem Dualisnuis
in unserem Gottesbegriffe so streng ablioUlc A\onismus wird
keineswegs gesK'irt durch den Plural in den .Attributen inui
Prädikaten, die sicli auf Gott beziehen, wie in "^i: l:::^ "r
cp'i'N- r'iN oder in :z:'r--'p ^"p'^N "'^ ^r.sv deiui er entstammt
der Pluralität im ( iottesbegriffe nichtiüdischer Kreise, auf die
alle jene Stellen hinblicken. tun datlurch zti betonen, dal.!
unser Gott in seiner .Alieinheit und Allmacht wirklich das
ist, was die pol\ llieistische Weltanschaiumg \on ihren \ielen
Göttern träumt, l 'nseren Gottesbegriff aber \erLlanken wir
der uns zuteil gewordenen Offenbartmg.
Wenn diese uns heine als ein {«Jätsel. ja als ein Winider
erscheim, so ist dies blol.l die Eolge der Verschiebimg des ■
Verhältnisses, das ursprünglich zwischen Gott und .Wensch-
heit bestanden hat. Das so zu sagen Natingemäiie war der
innige Verkehr Gottes mit den A\ensclien. der jetzt inis als
Ausnahmezustanel erscheint, wie es die Weisen mit dem
Worte ausdrücken nz-rrr-.-i nyzz' -^p"!;. Eolge und Ziel
unserer n-.-ri soll eben die W iederlierstelliuig des alten Ver-
hältnisses sein und die Sendung der Propheten hat so wenig
l lebernatürliches an sich wie jener .Augenblick, wo am Sinai
das ganze Volk zu gehobenen i^ropheten geworden. Solche
vorübergehende .Momente der i^ückkehr zum msprüngliclien
natürlichen Zustande hatte eben die Kraft der rn^r bewirkt.
Nicht in besonderer Ekstase und Verzückung ist die Gottes-
nälie zu suchen, sondern mitten in unserem irdischen Leben,
sofern es sich auf seiner sittlichen Höhe hält (cnp -jaro n\-i).
Das Wie eines solchen Verkehrs, wie also Gott zu Menschen
gesprochen hat, bleibt uns freilich ein ewiges Rätsel, wie
denn Sprache überhaupt uns eigentlich rätselhaft bleibt. Keines-
falls ist aber Offenbarung etwa blolies Erzeugnis der mensch-
lichen Phantasie, denn Gott spricht nicht in dem Propheten,
sondern er tritt aus seiner l insichtbarkeit heraus und spricht
zu ihm. In die Alodalität einer prophetischen Offenbarung
können wir allerdings nicht eindringen, aber sie gehört jeden-
falls nicht in die Kategorie der Schwärmerei, wird auch
nicht durch die Vorstufe des m-ni:r- d. i. räumlicher und
geistiger Vereinsamung gewonnen, sondern das frisch pul-
sierende, gottgeweihte Leben erlangt die Gottesnälie. wie
es auch die Weisen ausdrücken, wenn sie(3()b 12h) sagen:
pi-'c ~")nc n'ii m^^y "iro nSi mV^ry "ino x':» rmr n;"rr- ;\s>
~'~'2 _vS-S.s- nr'Vi::: n::'-i3ni -n-j* -inc n'^it tni mSp -inc nSi
nv.it: Sr ,-ircr d. h. nicht Schlaffheit oder Trübsinn, nicht
Ausgelassenheit. Leichtsinn oder Tändelei, sondern -^:ic-
Ereude bringt den Gottesgeist auf den Mensclien. Auch auf
der niederen Stufe der Prophetie, die durch i:: -irnvs- — ■•,')n2
gekeimzeichnet wird, ist der Traum nur ein Medium der
.Mitteilung an den .Mensclien, denn "ly n^s r.^ir -yzz-- ;'n
v;yi n:r- i-ry -\^2: Gott wählt zu seinem Organ nur einen
starken, reichen, weisen unti besciieidenen Menschen, damit
nicht krankhafte Halluzination für Gottesgesiclit ausgegeben
werde. Nur ein unabhängiger, für sich selbst nichts erstre-
bender Mensch vermag die Dinge in jener reinen Objekti-
vität zu verstellen, die der Botschaft Gottes entspricht, nur
ein zur \ollendung gereifter Geist \erstelit das Wort Gottes
zu fassen und wiederzugeben. Dies liegt aber weit ab \ on
allem Visionären. I^raktische Klarheit ist der Zustand, in
dem z. B. .Abraham n"2: wird, was gar nicht Upo-zy- ,,V(,r-
liersager" bedeutet, auch nichts mit Vision und Dichten zu
tun hat, sondern es bedeutet wesentlich Gottes Organ zu
dem. aber nicht aus dem Gott spriclit. um sein Wort weiter
zu tragen. So zeigt auch das ganze Verhalten rrc's, nament-
lich seine Verzweiflung an sich selbst, dal.l tlie rmr durch
ihn. aber nicht aus ihm ist. Er behält seine xolle Selbstän-
digkeit und seine ungeschmälerte Willensfreiheit, weshalb
ja auch unsere Weisen sagen --ryr p-l:'.:^ nrrr --n- nS nr^i^iy"!
womit sie zum .Ausdrucke bringen, daii das Menschliche im
Menschen bei einem solchen Vorgange nie xöllig geschwun-
den und zum willenlosen Werkzeug iles Göttlichen gewor-
den ist. KiMinen wir auch nichts Positixes über die .Art und
Weise des n^:::- oder np.- r-n-Zustandes aussagen, so wissen
wir doch jedenfalls, was er nicht ist. Die Vorstellung, dail
Gott nur in dem Propheten, nicht aber zu ihm spricht, ist
ebenso unjüilisch wie die, dal.l durch ein Gotteswunder den
Einfältigen plötzlich Prophetengabe \erlielien wertle, denn
_.,-_ ,p.,. ^;, _,,, L,, ^L,,. i^jij. j^i^ iiiaclit Gott zum Ge-
fälle g(")ttliclier Weisheit, der bereits die natürliche mensch-
liche Weisheit aus sich entwickelt hat. Der Geist der Pro-
phetie kommt auf den A\ensclien, ruht auf ihm, ist also
etwas, das \on aiil.len kommend den Propheten über das
Ni\eaii des Normalmenschiichen liinaushebt. Der "i-i hin-
gegen ist blol.l eine Vermelirung des geistigen Innern, und
was infolge solcher Erregung geschieht, geht nicht hinaus
über das normale Mail menschlicher E'ähigheit. bleibt \iel-
iiielir .Menschentat und Mensclienwort, nur getragen und
gehoben xon besonderer geistiger P)egabuiig.
Dieses führt uns zur I-Jetraclitung des Wesens des
A\ensclien, seiner Seele und seiner E'ähigheit des Erkennens.
Vor allem ist die Doppelseite \on Körper und Geist zu be-
tonen. Was Gott \()n der Erde zum A'lenschen bildete, ist
irden und xerfälll, das eigenllicli Lebendige im Menschen
entnahm er aber nicht der Erde, das ist vielmehr Hauch xon
29
Gott, und hierin lie,u"t die jjanze QröLie des Mensclien, seine
Freiiieit. seine l nsterbliclikeit. Beim Tiere liaftet die leben-
dijje lndi\idualität an dem irdischen Stoffe, der nicht anders
der Erde entstammt, als die Tierseele. Beim A'\enschen da-
j^e.fjen ist nicht nur der Geist, sondern auch die Lebenskraft
etwas höheres als beim Tier, in dem Geist haftet seine
Seele, scheidet der Geist, so wird das Lebendi^^e nicht mit-
ein.tiesarot. denn es haftet an dem unsterblichen Geist. Was
das Tier tötet, tötet nicht immer auch den Menschen, denn i
seine Gesundheit ist nicht vom Leibe allein abhän^ijj. rr^ ümn
ht'2 i; will saji'en. es g\b{ im Menschen etwas, was sich
aller Berechnung' entzieht, er kann aucii durch den Geist
lebendifj bleiben, denn der Geist träjjt ebenfalls das Leben.
Von den zwei im Menschen vereinigten Elementen, jo ■'Sy t
nc-ixn und Dinner:, «gehört jenes dem Gebiete der Unfreiheit ;
und des physischen Zwanges an. während dieses ihn über
alle zwingende Notwendigkeit hinwegliebt. ihn frei macht
und auch den Leib in den Bereich der Freiheit emporträgt.
Wie nämlich Gott frei über seine Welt gebietet, so hat er
auch dem Menschen einen Funken seines freien Willens ein-
gehaucht und ihm die Freiheit über seine kleine Welt, über
seinen Leib und dessen Kräfte \erliehen. Bei allen seinen
A\ängeln hat der Mensch doch die Fähigkeit, in höchster
sittlicher Vollkonnnenheit den ihm vom Schöpfer xorgesteckten
Ideale zu entsprechen, wobei die Möglichkeit des Fehlens
mit zur sittlichen Vollendung gehört, da sie die Grund-
bedingung aller sittliciien Freiheit ist. Dieser Gedanke ist
die Grundlage aller jüdischen l leberzeugung, die auch durch
das weite Gebiet der vielxerzweigten nNOiD-Gesetze ihren
Ausdruck findet. Es würde zu weit führen, so verlockend
es auch ist, dieses hier durch eine Analyse der betreffenden
Vorschriften im einzelnen nachzuweisen, wir müssen uns auf
die Bemerkung beschränken, dal.i die nxoiD-Gesetze das
Bewußtsein xon dem persönlich freien Gotte und dem sittlich
freien .Menschen ungetrübt zu erhalten bestinmit sind, in
gleicher Richtung sollen auch die Bestinmiungen über die
pmcN nbrxc wirken, die als t:'S2 '{ipr:? die freie Energie zu
sittlich freier Selbstbestinmumg in uns lähmen könnten. Der
Mensch soll mitten in einer Welt gebundener Kräfte und
A\ächte kraft der ihm \erliehenen Freiheit über sie alle
emporragen und sie beiierrschen. In jedem ]2ip und 'it\
in jeder Selbstxerurteilung soll die Erkenntnis an den Tag
gelegt werden, dali wir anders hätten handeln sollen und
können, also die Anerkennung der sittlichen Freiheit. Auch
die normaler Weise eintretenden nwciD sollen das Bewul.it-
sein wecken, dali trotz der plixsiologischen Gebundenheit
die sittliche Freiheit uns von Gott gewährleistet ist. Aber
persönliche Freiheit ohne Gesetz ist nichtig, sie schlägt zuletzt
in unheilvolle Willkür um. Es gehört schon die ganze
Mannesarbeit an sich selbst dazu, um die Fesseln der Be-
gierden und Leidenschaften zu brechen, die den Menschen
zum Skla\en der Sinnlichkeit machen. Erst wenn der Mensch
in seinem sittlichen Wollen keinen Kampf mehr zu bestehen
hat, dann hat er die Stufe der Heiligkeit erklommen, den
höchsten Grad sittlicher Freiheit, der im eigentlichsten Sinne
allerdings nur Gott eignet.
Wie wir xon ihm. der durch keine Sinne wahrnehmbar
ist. die unmittelbare Gewiliheit in uns tragen, so sind wir
uns auch der indi\iduellen Realität der Seele ohne sinnliche
Wahrnehmung unmittelbar gewllj. Sie ist die innere Ursache
cier Bewegung, sie macht als wb:. Wille, den Menschen zur
Rersönlichkeit Vom Stoffe durchaus getrennt, ist sie das
jedem Lebendigen innewohnende I infal.ibare, das Bleibende
im Wechsel des Stoffes und nicht etwa, wie der Materialis-
mus behauptet, ein blol.ies Accidens des Stoffes, denn dann
müLite ia mit dem Stoffwechsel die Identität des Individuums
und der Persönlichkeit schwinden. Das Pjeharren der Ein-
drücke beweist vielmehr das Vorhandensein eines Bleibenden.
das die Eindrücke festhält, worin sich eben die Kontinuität
des Individuums vollzieht.
Sinnlicher Repräsentant der Seele ist das Blut, durch
das die Seele den Leib beherrscht, und deshalb tritt es im
Opfer als S\inbol der Menschenseele auf, wie es von ihm
|N-ip"i 17,1!) heil.it ^sr"' Z'nz Nin Din T „denn das Blut be-
deutet: mit der Seele erwirkt man Sühne". Der Satz (ona-i
12, 23) t:'£2n Nin onn t will auch nur sagen: Das Blut ist
die körperliche Vergegenwärtigung der Seele. Das Blut ist
aber nicht die Seele selbst, denn getrennt vom Blute lebt
die Seele im Körper. Beim Tiere steht das Blut mit der
Seele in organischer Verbindung, beim Menschen aber ist es
der Seele Untertan, die mittels seiner als empfindende, er-
kennende oder wollende Seele Nerven und Muskeln regiert.
Um diese Herrschaft nach dem göttlichen Willen zu üben,
mul.) die Seele ihrerseits sich dem göttlichen Gesetze unter-
ordnen, wodurch das menschliche Leben sich im Dienste
Gottes vollzieht, so dal.i es nur der Wille Gottes ist, den
der Wille des Menschen in sittlich freier Energie \erw irkliclit.
Aber auch unsere Erkenntnis der Dinge wurzelt in
Gott. Das wahre Wesen der Dinge können wir mit den
uns zugemessenen Seelenkräften nie vollständig erfassen.
Das, was wir ein Objekt nennen, ist nur die Erscheinung
des Gegenstandes vom Standpunkte des Subjektes, auf das
eine Wirkung von jenem ausgegangen ist, nicht aber das
Ding an sich. Nur die Wirkungen sind die Vermittler der
Erkenntnis. Ihr sind daher nur zwei grolie Forschungs-
gebiete zugänglich: Geschichte seit Erschaffung der Welt
und die geschaffenen Dinge. .Mies, was vorder Schöpfung
oder jenseits des Irdischen liegt wizb r,c n^i2b nc -h]}Vih no
■nnvsS HD ist ihr versagt. Innerhalb dieser Grenzen aber ist
die Erkenntnis von Geschichte und Natur nicht nur gestattet,
sondern sogar wünschenswert, weil dann die jüdische Welt-
anschauung in ihrer vollen Harmonie erst reclit klar hervor-
tritt, so dal.) „Gott" und „göttliches Walten" nicht bloß
geglaubt, sondern gewul.it werden. Wesen und Bestimmung
der Dinge sind etwas Gegebenes, nicht erst vom Menschen
Geschaffenes, denn seine ganze Weisheit besteht im Grunde
darin, dali er den Dingen Namen geben, also ihren Begriff
bilden und aussprechen kann. Wer nun die Erkenntnis
entnimmt \on Demjenigen, der den Dingen Wesen und
Bestinmiung erteilt hat. der ist in Wahrheit orn, und
darum ist -^^■rr[ ncrn die höchste Einsicht. Sein und Wirken
im ganzen Weltall ist nur Gottes Gedanke und Botschaft.
Alle Wissenschaft sucht nur diese Gottesgedanken abzu-
lauschen. Die geistigen Bestrebungen des Erkennens und
Wollens, die sich auf die sinnliche Welt beziehen, müssen
ihren Ausgangspunkt und ihr Ziel finden in dem zu Gott
emporstrebenden Geist des Erkennens und Wollens, wie
dies s\ mbolisch durch die miic im Heiligtum zum Ausdruck
kam. Der dort gepflegte' Geist der Gotteserkenntnis ist
durchaus kein rein abstrakter, sondern er findet seine
volle Betätigung in der auf die Erkenntnis der Welt ge-
richteten Bestrebungen. Wenn wir trotzdem theoretische
Erkenntnis und praktischen Willen unterscheiden, so ist dies
bloß unsere eigenste .Abstraktion, denn alle Erkenntnis hat
nur Wert, wenn sie auf das Vollbringen des Guten hinzielt,
das wiederum seinen Wert nur aus der Erkenntnis des
Wahren schöpft. Gemeinsame Wurzel beider ist 'n hnt
die zugleich höchste Er k enntnis und höchste Sittlich-
keit bringt. Dieser höchste Grad der sittlichen Freiheit ist
Heiligkeit, nämlich jene Stufe des sittlichen Wollens, auf der
kein Kampf mehr zu bestehen ist, weil unter .Aufhebung
aller Subjektivität der menschliche Wille vollständig in den
ausgesprochenen göttlichen Willen aufgeht, und das ist
zugleich das höchste Ideal. Der Menschengeist kann auf
Erden als höchstes Ziel nur das erreichen, die Erde und
alles Irdische vom göttlichen Standpunkte aus zu schauen.
,30 -
nicht etwa Gott selbst /u sehen. Zu diesem Ideale hin
treibt die ^anze Alenschenentwickelunji', zu jener Stufe, auf
der die Heilij^^un«: des Qottesgesetzes das '^i\.nze Leben
durchdrinjj;t und der Tod von der Erde ;j:esch\vunden ist,
weil das Ideal seine Verwirklicliunj( jjefunden hat.
Hieraus erjjeben sich dann die Qrundzüge einer jüdischen
Ethik. Nicht unsere ei^jene Idee darf uns bei unserem Tun
und Lassen vorschweben, sondern nur der Gottes^^edanke '
und das Gottesjjebot. Freiheit im Geiiorsam und Gehorsam
in der Freiheit sind die beiden ciiarakteristischen Merkmale
jüdischen Tuns und diese j^^ewähren uns ..Glückseliw-keit".
Einem solchen pflichtj^etreuen Leben (gegenüber \erliert das
alte Rätsel des iV 2^^) t^i ^b y-n pn:i seine '^mr/x Be-
deutunj{. denn unserem besciiränktem Erkenntnisvermögen
entzieht sich das zutreffende Urteil über das Indixiduelle des
göttliciien Waltens, wir vermögen ja kaum zu einer \ollen 1
Erkenntnis des Generellen vorzuschreiten, linsere Wertung i
des p-^ii" und j?ri ist sowenig maßgebend wie unsere Beurteilung !
des v^ und zr^:. Es konnnt hinzu, dal.i nd-''^ ic:bv 'ft'z hkc idb',
daU diese Welt nicht eine Welt des l^flichtenlohnes ist. iJer
Gute hat schon eine hiniedige l histerbliclikeit durch sein
Fortleben in seinen .Nachkommen, die die sittliciien .Anlagen
zum Guten und den Lohn seiner Tugenden \on ihm erben,
während des B()sen .Xaciikommenschaft erlisciit. vienn sie in
seinen Wegen fortwandelt. [Jas höchste, einzige Gute
ist jene Menschenbestimmung. die in den Räumen des Gottes-
iieiügtums durch die Einriclitung seines i^'n, Sr\-i und -i-^-i
zur anschaulichen Darstellung gelangte und die rechte Wür- '
digung des wahren Glückes des .Wensclien lehrte. Diese
Glückseligkeit ist nicht etwa nur uns Juden zugänglich,
sondern Jedem, der seine Welt- und Lebensanschauung aus i
der n-iir schöpft und durch Erfüllung ihrer c"e£m D*pin sich \
zur Höhe reinen .Wenschentums erhebt, die durch ihre Gottes-
nälie die höchste Glückseligkeit gewährt. Diese n^-p^^N r.2-^~,
erstrebt jeder 2^^1:12 durch sein '2--. wie es dieser Begriff
im strengsten Sinne ausdrückt, und dali sie jedem .WenscJien
ohne Unterschied erreichbar ist, betonen auch imsere Weisen, |
indem sie sagen ;nrr ni- "in -'-pr. ^n -u'ij;i "-'r: iVr^ ^'jc '
c-o 'm nzn.s'- rzn^v nry i'J'n [iciS nic'?.-^ Snj. l lud wenn
es beim 3^i"V Gebote heil.it cz'p'^N 'n "iE"? üzn-cri, so ist
auch dort der Gedanke ausgesprochen: Gott ist ieder unserer
Lebensstellungen nahe, jede kann in ihrer .Art zur Voll-
kommenheit und Schöne sich \ollenden. .Aber die Gottes-
nälie ist nicht deshalb erstrebenswert, um in ihr und durch
sie materiellen und geistigen Segen zu erhalten, sondern um-
gekehrt ist dieser Segen selbst nur wünschenswert, um durch
seine Verwendung im Sinne Gottes der Gottesnähe d. i. des
21D an sich gewürdigt zu werden. Gottesnähe ist nämlich das
absolut Gute, eine Vorstellung, die auch durch die in Ver-
bindung mit .""^ly und üz't:'?^ vorgeschriebenen cro: zum
-Ausdruck kam, Ihnen lag der Gedanke zugrinide, dal! unsere
höchste irdische Glückseligkeit nicht den Gipfel unserer
Bestrebungen bildet, sondern dal,l sie nur die P>asis unseres
zur Gottesnähe führenden Lebensbaues ist.
Diese .Anschauung lülirt aber keineswegs zur Gering-
schätzung der materiellen Güter, vielmehr erscheint der durch
redliche emsige .Arbeit erworbene Besitz auch bedeutenden
Gelehrten \on so hohem sittlichen .Adel, tlaii sie es nicht
verschmähen, als Holzhauer, Schneider, Schuhmacher. Last-
träger, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, indem sie gleich-
zeitig dem Grundsatze huldigen pv^::''i r)-ic:iP Sni ^ir -r2t' -'C'];
d. h. auch am Sabbath nicht besser als an Wochentagen zu
leben, um nur nicht der A\enschenliilfe bedürftig zu sein.
Das ehrlich erworbene lügenlum geht so vcillig in die be-
sitzenile Person über, dal.) der Dieb, der sich am VernK'igen
vergreift, den angerichteten Schaden unter allen l niständen
ersetzen nnili, im Unvermrigensfalle sogar mit seiner .Arbeits-
kraft, die aber nicht hinter Schloll und Riegel in einem Ge-
fängnisse zu verwenden ist, sondern in einer Familie, wo alle
Bedingungen dafür geboten sind, daü der Verbrecher trotz
seiner Erniedrigung zum Diener des Hausherrn inmier noch
als Bruder geachtet und behandelt wird. Ja, der als Sklave
verkaufte Dieb tritt, wenn er Familienvater ist, mit Frau und
Kind in die Familie des Käufers ein, der auch sie mitzuver-
sorgen hat, damit sie nicht durch die Folgen des Verbrechens
dem Elende preisgegeben werde während der Zeit, wo der
Verbrecher, der Freiheit beraubt, für die Seinen zu sorgen
auLier Stande ist. Aber diese Freiheitsberaubung trägt nicht
den Charakter der Strafe an sich, sondern ist nur das Mittel
zur Entschädigung der Bestohlenen. Freiheitsstrafen mit all
dem Janmier und Elend, das sie über Weib und Kind des
Gefangenen bringen, kennt das Gottesgesetz überliaui.>t nicht,
es schreibt nur eine l 'ntersuchungshaft vor, die aber nur von
ganz kurzer Dauer sein kann, weil es keinen Indizienbeweis
zuläüt. Selbst die Todesstrafe trägt nicht eigentlich den
Charakter des Abschreckungsmittels, denn nur in vier Fällen
ist die Veröffentlichung des Todesurteils vorgeschrieben. Der
auch bei_ dieser Strafe gebrauchte Ausdruck rr: nrn rsi nrn
statt pnpSi beweist, dal.! hier nicht an ein Rachenehmen gedacht
ist, sondern an eine Restitution, die der Gerechtigkeit und der
V erletzten Menschenwürde geleistet wird. Hiermit hängt auch
zusannnen. dal! dieses Gesetz den Begriff der Begnadigung
gar nicht kennt, denn nicht des Menschen, sondern Gottes
ist das Recht. Wenn einmal das Gottesrecht, das doch für
Menschenwillkür keinen Raum lälit, den Tod über den Ver-
brecher verhängt hat, dann ist die Vollziehung dieses l Irteils
nicht eine Härte, die durch andere Rücksichten gemildert
werden könnte, sondern sie ist rücksichtsvolle Sühne der
Gesamtheit, des Bodens, des Verbrechers, wie das Opfer auf
dem .Altar.
Das Opfer kann nicht als Konzession an den PoK-
theismus aufgefal.it werden, denn schon Kain und Abel
opferten zu einer Zeit, wo es noch gar kein Götzentum gab.
Diese beiden Opferer beweisen zugleich, dal.i dem Opfer
kein absoluter Wert zukonnnt, dal! ihm vielmehr nur ein
relativer Wert innewohnt, der von dem Sinne abhängt, den
der Opferer damit verbindet. Wenn auch hier beim Opfer
die Gesinnung von entscheidender Bedeutung ist, so tritt sie
bei der allgemeinen Wertung unseres Tuns doch zurück
gegenüber der Legalität, d. h. gegenüber der objektiven
Uebereinstinnnung mit dem Gesetz, also mit dem göttlichen
Willen, denn dieser ist der eigentliche Malistab für den sitt-
lichen Wert unserer Handlungen und geht daher der Ge-
sinnung voraus. Eine schlechte Tat. d. i. eine Gott nicht-
gefällige, wird durch die l Inschuld der Gesinnung nicht zu einer
guten, ja diese l inschuld selbst kann mit zum Verbrechen
werden, weil jeder die Pflicht hat, sich über die Anforde-
rungen zu unterrichten, die Gott an den sittlichen Charakter
unserer Handlungen stellt, Kenntnis des Gesetzes gehört
daher mit zu unseren wichtigsten Lebensaufgaben. Es ent-
spräche aber keineswegs der jüdischen Weltanschauung.
durch Flucht aus dem geschäftigen Leben in die Beschau-
lichkeit eines asketischen Mönchtums sich den Anforde-
rungen des Lebens zu entziehen, um, in theoretische Speku-
lationen versunken, aus Furcht vor seinen Reizen oder
Geringschätzung seiner vielfältigen Aufgaben das Göttliche
jenseits und außerhalb des gewöhnlichen Lebens zu suchen.
Im ungebrochenen Lebensmut und froher Lebenslust liegt
vielmehr ein charakteristisches Merkmal des messianischen
Zeitalters, wo die ganze Natur wieder paradiesisch verjüngt
ist und Menschengröl.ie nicht in der Unterjochung der
Menschen durch einen mächtigen Herrscher erblickt wird,
sondern wo überall die Wiederkehr des Paradieses auf Erden
sich kundgibt im unendlich gesteigerten Segen der Natur und
im ungestörten Frieden unter ikn Völkern, die der Pflege von
Kunst iHul Wissenschaft eine Stätte bereiten, während in
ihrer Mitte ir^^~: ^:n ein Leben jjestaltet. das auf den Gottes-
dii<taten der Sittenlieiligiing;. der Walirlieit, des Rechts und
der Liebe sicli aufbaut und in jeder Fuge die alleinige Gottes-
lierrschaft auf Erden zur Anschauung bringt, sodaü das
Cliarakteristikuni des Judentums voll in die Erscheinung tritt.
Der .\\onotlieisnius alleine erschöpft es nicht, sondern erst
dessen weiteste Konsequenz: die Einlieit Gottes mit der
Einlieit des Lebens durcli Gottes Gesetz.
I
Samson Raphael Hirsch und das jüdische
Rußland.
Die .Abschätzung des Einflusses groLier Männer auf ihre
Zeit war immer etwas Schweres, aber niemals war sie so
schwierig wie heutzutage, wo sich so viel l\omplizierte
Einflüsse auf das Gesamt- und Einzelleben geltend machen.
Diese Schwierigkeit erreicht ihren Höliepunkt. wenn es sicli
um .Wänner handelt, die ihre Tätigkeit nicht nur einzelnen
Richtungen, sondern dem gesamten Leben in allen seinen
Teilen zugewendet haben. Dazu konmit noch, daß dieser
Einfluß sich ja niciit auf eine gewisse Zeit und einen
bestinnnten Ort beschränkt, sondern wie der fns Wasser
geworfene Stein immer weitere Kreise zieht, deren Aus-
dehnung sicli zuletzt unserer Betrachtung gänzlich entzieht.
Auch ein Hinweis auf liirschs Einfluß im jüdischen
Rußland muß sich daher auf dasjenige beschränken, was sich
als von ihm beeinflußt unzweifelhaft nachweisen läßt, ohne
Rücksicht auf die Ausstrahlungen und Fernwirkungen dieses
Einflusses, die von menschlicher Beobachtung kaum geahnt,
geschweige denn dargestellt werden können. Man denkt
bei diesem Einfluß zunächst an denjenigen seiner Schriften,
die in Rußland in die heilige Sprache übersetzt und so
großen Kreisen mit ihren aufklärenden Gedanken und
Empfindungen zugänglich geworden sind. Wenige aber
ahnen, daß und wie es Hirsch vergönnt war, auch auf die
materielle, soziale und politische Stellung der russischen
Judenheit einen Einfluß auszuüben, wie er nur selten einem
Menschen in diesem Umfange beschieden ist.
Es war .Anfang der achtziger Jahre im vorigen Jahr-
hundert, als unter dem Regime des damals allmächtigen
Ministers Ignatiew, die staatsseitigen Bedrückungen. Maß-
regelungen und Verfolgungen der jüdischen Bexölkerung
Rußlands sich derart zur Linerträgliclikeit gesteigert hatten,
daß die Maßnahmen geradezu einer Austreibung der Juden
aus Rußland gleichkamen. Ungezählte Tausende. Männer.
Frauen und Kinder ergriffen den Wanderstab, um die russische
Heimat zu verlassen ohne Aussicht auf ein Plätzchen, an
dem die l ing'ücklichen Ruhe finden konnten. Dieses
namenlose wandernde Elend hatte die ganze gesittete Welt
Europas und Amerikas auf die brutalen Gewaltakte auf-
merksam gemacht, mit welchen das offizielle Rußland hilf-
lose Menschen von sich stieß, lediglich deshalb, weil sie
ein anderes religiöses Bekenntnis als das herrschende hatten.
Ein Schrei der Entrüstung ging damals durch alle Staaten
und Länder dieseits und jenseits des Ozeans. Christen und
Juden wetteiierten in Protestversannnlungen, in Spenden und
Sammlungen xonGeld und Naturalien zur Unterstützung der
von Haus und Hof Verjagten und die allenthalben entflanunte
■Wenschenliebe war mit Aufgebot aller Kräfte bemüht, die
Wunden zn heilen, die der Religions- und Menschenhaß
geschlagen und noch immer weiter schlug. In allen
jüdischen Gemeinden wurden stänaige Komitees, und in der
Nähe der russischen rirenze Kontroll-Komitees gegründet.
Die erste Anregung dazu war vom Rabbiner Hirsch ausge-
gangen, durch folgenden unterm 23. Januar 1882 an den
Redakteur des ..Israelit" gerichteten Brief:
Frankfurt a. M., 23. Januar.
Sehr geehrter Herr!
Gestatten Sie mir, eine Idee zu äußern, die mir sehr am
Herzen liegt und die ich itirer einsichtsvollen Erwägung nahe legen
möchte. Die russischen Vorgänge und Zustände Sind leider zu
entsetzlich, als daß sie einer näheren Schilderung bedürften. So
gewiß in Wahrheit hier nur n"3n helfen kann, so sind Sie doch
gewiß damit einverstanden, daß ausnahmslos von allen □'nri'' etwas
geschehen müsse. Sollten Sie, geehrter Herr, nicht Ihr weitver-
breitetes Blatt dazu benützen wollen, daß überall in allen Gemeinden
einige Leute als Komitee zusammen treten, um Spenden für
unsere unglücklichen Brüder zu veranlassen und entgegenzunehmen?
In einigen der russischen Grenze näher liegenden Gemeinden
müßten Central-Komitees zusammentreten, an welche die von den
Gemeinden überall eingehenden Spenden von den Lokal-Komitees
entweder direkt oder durch Ihre Vermittelung gesandt würden und
welche dieselben je nach Bedarf für die Auswanderer oder die in
der Heimat vom Unglück Heimgesuchten zu verwenden hätten.
Leider ist bei der fast allgemeinen Deroute der Geschälte jetzt keine
nciD" nj?T' allein, die russischen Zustände sind doch noch
schrecklicher, und da, wie ich mir denke, die Komitees und
Sammlungen so lange V'n die -ITJ und ihre Folgen dauern,
permanent bleiben müßten, so wird doch mit Gottes Hilfe durch
das allgemeine und anhaltende Zusammengreifen etwas firkleck-
liches erzielt werden. Wenn Sie die Idee für ausführbar halten, so
könnten Sie unmaßgeblich die russische Sache zu einem stehenden
Artikel machen und in jedem Blatte das Interesse für die Samm-
lungen aufs Neue wecken und wachhalten.
Jedenfalls bin ich Ihrer gütigen Nachsicht dafür den Gedanken
geäußert zu haben, sicher und bitte, die Versicherung vor-
züglicher Hochachtung zu genehmigen mit der zu verharren die
Ehre hat
Ew. Ehrwürden
ergebenster
Hirsch.
Dabei ließ es aber Hirsch nicht bewenden. Rabbi Izchak
Elchanan Spektor b'"ü^. der berühmte Rabbiner xon Kowno,
war mit Hirsch in brieflichen Verkehr getreten, der detaillierte
Mitteilungen über einzelne besonders harte, an den russischen
Juden \ erübte Grausamkeiten enthielt, um daran die Bitte zu
knüpfen. Hirsch möge in London und Paris geeignete Schritte
versuchen, welche die dortigen Regierungen bestimmen
sollten auf die russische Regierung eine Pression zu Gunsten
der russischen Juden auszuüben.
Die \ersucliten Schritte in diesen beiden Städten blieben
ohne Erfolg. Aber Hirsch's rastloses Streben zu helfen ließ
ihn ein deutsches Fürstenhaus ausfindig machen, das be-
sonders gute Beziehungen zum russischen Hof unterhält und
den Juden zu aller Zeit gut gesinnt war. Hirsch setzte sich
mit dem Rabbiner der betreffenden Residenzstadt in Ver-
bindung und \eranlaßte diesen, eine .Audienz bei seinem
Landesfürsten nachzusuchen, die ihm auch bewilligt wurde.
Der Fürst nahm die Mitteilungen mit unverkennbarer Teil-
nahme und aufrichtigem Mitgefühl entgegen, erklärte sich
jedoch außer Stande, seinen Einfluß beim Kaiser geltend
machen zu können, \erwies den Rabbiner aber an einen
Prinzen des Hauses, der mit der russischen Kaiserfamilie be-
sondere Verbindungen unterhielt und der mit seinem Einfluß
sicher gern der guten Sache dienen w erde. Dieser Prinz hat
mit seinem guten Herzen, seiner herablassenden Leutseligkeit
und seiner unermüdlichen Hilfsbereitschaft in der Tat alle auf
ihn gesetzten Hoffnungen in reichem Maße entsprochen.
Der Prinz verlangte nun zunächst \()lle Offenheit über
die Gewährsmänner der Rabbiner, unter der Zusicherung voll-
ständiger Diskretion. Ein persönlicher Einblick in die \on
dem Kownoer Rabbiner an Hirsch gerichteten Briefe, welche
das Ignatiex direkt belastende Material enthielten, war für
den Prinzen unmöglich. Sie waren in hebräischer Sprache
geschrieben, aber sie waren selbst für einen Kenner dieser
Sprache unverständlich, wenn er nicht in die Verhältnisse
32
eingeweiht war. Bei dem russisclien Spioniersysteni läuft
aucli lieute jeder Briet Gefahr geöffnet zu werden. Das
dafür bestellende .schwarze Kabinett" verfügt über Kenner
aller Spraclien, die jeden Brief zu entziffern vermögen. Trotz-
alledem hätte diese Briefe Niemand verstanden, denn sie
waren äuOerlich in Form einer wissenschaftliclien Konterverse
über religions-gesetzliche Angelegenheiten riDirm n'^xr —
gehalten und hatten für die in Betracht kommenden I^ersön-
lichkeiten verabredete, fingierte Bezeichnungen. Diese
Fassung stellte für die Ermittelung des rechten Verständnisses
selbst an den Scharfsinn des Empfängers grolie Ansprüche.
In vielen Fällen, in welche eine deutliche Darstellung des
Sachverhalts unerlälJüch war, wurden die Briefe durch einen
besonderen Boten von Kowno über die deutsche Grenze ge-
bracht und bei einer preuüischen Poststelle aufgegeben.
Diese Briefe wurden dann Non Hirsch dem Rabbiner der
Residenzstadt übergeben, der ihren Inhalt dem Fürsten und
dem Prinzen mitteilte. Die Briefe zeichnen sich durch eine
wunderbar genaue Kenntnis der darin geschilderten Vorgänge
und ihrer geheimen Triebfedern aus. Der Prinz lieli durch
seine Freunde in Ruliland die angegebenen Tatsachen auf
ihre Richtigkeit prüfen: sie hatten sich jeder Zeit als überaus
wahrheitsgetreu und zuxerlässig erwiesen. Der Prinz liefi
den Rabbiner sehr oft zu sich bescheiden und besprach sich
stundenlang mit ihm über die zu unternehmenden Schritte.
Eines Tages als er wieder .Xachrichten aus St. Petersburg
erhalten hatte, sagte er dem Rabbiner:
-Wollen Sie unseren gemeinsamen Freund - so nannte
er Hirsch, obwohl er ihn nicht persönlich und nur durch
diese Vermittlung kannte xeranlassen. über das Wesen
des Talmuds eine kleine Schrift zu \erfassen, um die
Gegner des Talmuds damit zum Schweigen zu bringen. Man
sagt dem Kaiser stets, so lange die .luden noch Talmud
studieren und dessen Grundgesetze hochhalten, seien sie
Feinde des Staates und der Regierung."
In der Tat sollten deshalb die c-nn und m^T' ver-
niclitet werden, zumteil ist es ja tatsächlich damals geschehen.
Auf diese .Anregung des Prinzen hin schrieb damals
Hirsch im Jahre 18<S4 seine Broschüre: .lieber die Be-
ziehung des Talmud zum Judentum und zu der
sozialen Stellung seiner Bekenner."
So wenig auch diese Veranlassung zur Hirsch'schen
Schrift allgemein bekannt ist. die Folgen, die sie mit
Gottes Hilfe hatte, dürften es noch weniger sein.
Die Schrift hatte den Beifall des l'rinzen. .Aber in seinem
Gerechtigkeitssinn lieli er, um allen Einwänden im Voraus
zu begegnen, die Arbeit erst durch einen christlichen Leip-
ziger Gelehrten auf ihre Wahrheit prüfen, dessen l rteil über-
aus anerkennend ausfiel. Die Schrift kam dann in die Hände
des Kaisers, der sich bei dem Prinzen dafür bedankte.
Obwohl mir diese Vorgänge, trotz der 25 Jahre, die
seitdem \erflossen sind, in voller Frische gegenwärtig sind,
habe ich mich \or Niederschrift dieser Zeilen doch noch
einmal an den betr. Rabbiner um eine Bestätigung dieser
Vorgänge gewandt. Dieselbe liegt mir in einen eingehenden,
ausführlichen Schreiben vor, aus dem ich hier nur die Stelle
folgen lasse:
.Mir ist es kein Zweifel, da Li Ignatiew
.durch den EinfluLI des Prinzen gefallen ist;
.der Prinz war tief bewegt, als er mir die
.Mitteilung machte. Die Schrift hat sicher
.bedeutend mitgewirkt."
Ein Wort über S. R. Hirschs wissen=
schaftliche Methode.
Von Dr Samuel A. Hirsch in London.
Was uns bei der Betrachtung der Methoden, nach welchen
Samson Raphael Hirsch die Erkenntnis der Thora rnd des
Judentums pflegt, am meisten frappiert, ist der durch und
durcii moderne Charakter dieser Methoden. Er hat sich als
Forscher bewährt, der die Werkzeuge, weiche seit zwei l:)is drei
Jahrhunderten in den Werkstätten der Wissenschaft als die allein
brauchbaren erkannt worden waren, sich zu eigen gemacht, und
sie während seiner langjährigen Tätigkeit mit Konsequenz ge-
handhabt hat. Bei aller lebendigen Einbildungskraft, bei aller
feurigen Inbrunst, welche sein ganzes Leben bewegten und be-
seelten, fehlte ihm doch nie das Bewußtsein, daß nur nach den
nüchternen induktiven Methoden, welche die wissenschaftlichen
Errungenschaften und die Erfindungen der Neuzeit ermöglichten,
auch auf dem Gebiete der Forschung nach dem Wesen des
Judentums ein Resultat, der Wahrheit möglichst nahe, zu er-
zielen sei. Er erkannte, daß das Verfahren, das die meisten mittel-
alterlichen r^hilosophen angewendet hatten, an dem Mangel litt,
daß sie Systeme, welche außerhalb des Judentums lagen, jeden-
falls nicht auf jüdischem Grund und Boden gewachsen waren,
mit dem, was dem Judentum wesentlich eigen ist, mit Gewalt
zu verschmelzen suchten. Griechische Philosophie, Plato und
Aristoteles, wie sie den Juden aus getrübten Quellen durch
arabische Schriftsteller zugänglich waren, hat man mit den
Grundlagen und den Zielen der schriftlichen und mündlichen
Thora vereinbaren wollen. Jüdische Frömmigkeit konnte den
Gedanken nicht ertragen, daß zwischen dem Judentum, zwischen
den Pflichten die zu befolgen es erheischt, zwischen den
jüdischen Anschauungen und Lehren über Gott und Welt und
dem, was zu einer gegebenen Zeit Philosophie hieß, nicht vfillige
Uebcieinstimmung herrschen sollte. Man dachte nur daran, die
vermeintliche Kluft zwischen Philosophie und jüdischer Religion
zu überbrücken. Man hielt eben die Resultate der Philosophie
für unumstößlich wahr, und die jüdische Thora und jüdische
Tradition für nicht weniger wahr. Clroße Männer, von edlem
Wollen begeistert, bestrebten sich, die fremden Elemente mit
den jüdischen in Einklang zu bringen. An der Möglichkeit,
diesen Ausgleich zu bewerkstelligen, zweifelte man nicht. Man
brauchte nur eine Theorie aufzustellen, welche genügende Be-
rührungspunkte der beiden einander gegenüberstehenden Ge-
biete enthielt. Religi(")se Innigkeit und geistiger reicher Scharf-
sinn taten dann das Weitere, und eine befriedigende Ausgleich-
ung war hergestellt — befriedigend, das heißt, für jeden der
die aufgestellte Theorie und die Folgerungen anzunehmen be-
reit war. Es war dieses die Methode, die zu jener Zeit nicht
nur auf dem Gebiete der Religionsphilosophie, nicht nur von
jüdischen, s:)nderii auch \on christlisLhen und muhammcdanischen
1 liilosophen angewandt wurde; — sie herrschte auch in den
Ocbietei. der Realwissenschaften. Man war l.inge bemüht,
Naturgesetze und Naturerscheinungen aus Voraussetzungen und
willkürlich gesetzten Theorien zu erklären.
Das Wesentliche der modernen Wissenschaft besteht
darin, daß letztere nicht a priori zu konstruiren sucht was der
Beobachtung durch die Sinne unterzogen werden kann. Moderne
Wissenschaft macht nicht den Versuch, aus willkürlich aufge-
stellten Begriffen Wahrheiten über Erscheinungen, welche der
Wahrnehmung unterliegen, oder unterliegen sollten, herauszu-
tinden. Anstatt von einem allgemeinen (irundsatz auszugehen,
duich welchen alles ohne weiteres erklärt werden soll, hat es
sich die moderire Wissenschaft zum Gesetz gemacht, alle Er-
scheinungen, welche sichtbar, fühlbar, wahrnehmbar sind, vor
allen! einer genauen Beobachtung zu unterwerfen, und für den
Fall, daß die Erscheinungen nicht so unmittelbar den Sinnen
zugänglich sind, die Möglichkeit der Beobachtung durch Experi-
mente zu schaffen, tind auch damit ist der Forscher nicht zu
fritden, so lange er die Verallgemeinerungen, zu welchen seine
Beobachtungen ihn führten, nicht einer strengen Verifikation
untcrworleii hat. Der Forscher muß es \erstehen, die induktive
und deduktive Methode so anzuwenden, daß sie sich gegenseitig
stützen, und, vereinigt, ihn in den Stand setzen wissenschaft-
liche Wahrheiten zu ermitteln; — Wahrheiten, welche nur so
lange Wahrheiten sind, solange neue Beobachtungen von früher
übergangenen Erscheinungen die früher gewonnenen Resultate
nicht umstoßen.
Samson Ra|;hael Hirsch war unter den neuen Religions-
philosophen der erste, wenn nicht der einzige, der sich die
Aufgabe gestellt hat, all das was unter dem Namen Judentum
:h
begriffen ist, mit der größten wissenschaftlichen Strenge nach
diesen Re^ehi induktiv zu erforschen. Es war nicht ein dunkiei
Trieb, welcher, von hoher geistiger Begabung getragen, ihn un-
bewußt in diese Bahn lenkte. Mit klarem Bewußtsein, die Trag-
weite seines Verfahrens völlig erkennend, verwarf er die her-
gebrachte Art und Weise, das Judentum aus vorgefaßten Theorien
erklären zu wollen. Gleich am Anfang erklärte er, wie er die
Thora lesen wolle. „Wir wollen ja das Judentum erkennen,
müssen uns drum in's Judentum versetzen und uns fragen: was
werden Menschen sein, die den Inhalt dieses Buches, als ihnen
von üott geoffenbarten Lebensboden und Regel erkennen." —
„Nur erst wann Sie also das Judentum aus sich erkannt, es er-
kannt haben wie es sich selber gibt, und es dann in sich un-
haltbar und verwerflich gefunden, dann mögen Sie, wenn Sie
wollen, den Stein darauf werfen."
Als Hirsch zuerst aultrat, hatte die Wissenschaft schon lange
die a priori - Konstruktion der Naturerscheinungen aufgegeben.
Daß dasselbe auch in der jüdischen Religionsphilosophie ge-
schehen müsse, wurde zuerst von Hirsch gefordert. Als er
lS3(i seine „Neunzehn Briefe über Judentum" herausgab, sprach
er sich alsbald über die Methode, die er zu befolgen sich ent-
schlossen hatte in unzweideutiger Weise aus: — „Zwei Offen-
barungen liegen vor dir — Natur und Thora. Für beide gibts
nur eine Methode der Forschung. Wie in der Natur die Er-
scheinungen dir als Fakta dastehen, und du nur rückwärts Ge-
setz jeaes einzelnen und Zusammenhang aller zu erspähen strebst;
Beweis der Wahrheit oder vielmehr der Wahrscheinlichkeit deiner
Annahmen nur wieder die Natur selber ist, an deren Erschei-
nungen du deine Annahmen auf Probe zu nehmen hast, und
dir der höchste von dir zu erzielende Grad von Gewißheit
bleibt, sagen zu können : es verhält sich alles so, als ob deine
Annahme wahr wäre: d. h. alle beobachteten Erscheinungen
lassen sich nach deiner Annahme erklären ; wie darum auch nur
eine widerstrebende Erscheinung deine Annahme auch unhalt-
bar macht, und du deshalb zuvor a'.le dir nur mögliche Erfahrung
über die deiner Forschung vorliegende Erscheinung zu machen
hast, damit sie dir, womöglich, in ihrer Totalität vorliege; wie
endlich, auch wo und so lange du noch nicht Gesetz und Zu-
sammenhang irgend einer als Faktum vorliegenden Erscheinung
erspähen konntest die Erscheinung selbst doch als Faktum
bleibt. — .<n'nz so die Forschung der Thora. Faktum ist sie
uns wie Fiimmel und Erde; als Faklum liegen ihre Bestimmrngen
vor uns' usw.
Es ergibt sich, wie „modern" Hirsch war in der Methode,
die er in Anwendung brachte und w'ährend seiner langen segens-
reichen Tätigkeit mit eiserner Konsequenz durchführte. Als er
die Ueberzeugung erlangt hatte, daß die Symbolik eine Wissen-
schaft sei, welche ihm „richtig begriffen, die Bedingung zur
Lösung der höchsten Probleme jüdischer Erkenntnis in sich zu
fassen erschien", befürchtete er, daß sie „wie sie gemeinhin
verstandeil und geübt wurde, die bedenklichsten Gefahren für
die jüdische Wissenschaft bergen, und zugleich oft zu sehr zu
einem bloßen Spiel des Witzes und des ,,(jeistreichseins"
herabsinken m(')chte." Ehe er daher seine Ideen über die den
einzelnen Erscheinungen des Judentums zu (irundc liegenden
Symbole anwandte, versuchte er erst „den Begriff und die Auf-
gabe enier jüdischen Symbolik festzustellen und die richtige
Methode für die Lösung dieser Aufgabe zu zeigen." Er stellte
seine „(irundlinien einer jüdischen Symbolik" auf. Es ist dieses
eine kurzgefaßte aber meisterhaft:.' Darstellung derselben Methode,
welche in modernen Zeiten von allen wissenschaftlichen For-
schern als die allein richtige anerkannt und angenommen ist.
Demzufolge erkennt er auch hier die Grenzen, welche selbst die
genaueste Beobachtung und die scharfsinnigste Logik bei der
Darstellung einer Wahrheit in solchen Fragen nicht überschreiten
können. „Hier (in der symbolischen Deutung) wie dort (in der
Hermeneutik eines Schrittstückes) wird sich kein Resultat mit
mathematischer Gewißheit finden lassen. Allein wir werden
mit entschiedenster Gewißheit Falsches abweisen und für eine
positive Annahme uns mit dem Motive zu entscheiden haben:
nach sorgfältiger Erwägung verhalte sich alles in Betracht zu
ziehende so, daß diese Annahme ,,die richtige sein könne."
Als „hervorglänzend" unter den mittelalterlichen jüdischen
Religionsphilfjsophen, welche nicht alle „mit ihren Geistes-
ffjrschungen rein im Judentum standen und es geistig ms sich
selber aufbauten" hebt Hirsch den Verfasser des Kusri, Jehuda
Halevi, und Nachmanides hervor. Man hört manchmal den
Ausspruch, daß der Kusri kein philosophisches Werk im strengen
Sinne des Wortes genannt werden dür'e; daß er kein philosophi-
sches System enthalte. Wie wenig v\ahr dies ist, und wie
das Verfahren des R. Jehuda Halevi sich aus dem Vorherge-
sagten erklärt, ist deutlich. Was Nachmanides betrifft, so ist es
merkwürdig, daß er sich dessen bewußt war, daß besonders in
Bezug auf halachische Forschungen, mathematische Ge-
wißhtit nicht erreichbar sei; und in der Darstellung der Grenzen
die der Forscher unmöglich überschreiten könne, drückt er sich
beinahe ganz so wie Hirsch aus.')
Hirsch machte es sich zu seiner Lebensaufgabe, das Juden-
tum nach dieser Methode zu erforschen. „Einen Weg, sagt er,
gibt's zum Heile; — wo gesündigt ward, da muß die Sühne
beginnen; — und dieser Eine ist — vergessen die herabgeerbten
Ansichten und Nichtansiehten über Judentum; nehmen die
Quellen des JudentumsY'JH. d"«'/ tt^-n^/sie für's Leben gelesen,
studiert, begriffen; daraus Judentums Ansicht geschöpft über
Gott, Welt, Menschheit, Israel nach Geschick und Lehre, und
das Juaentum aus sich erkannt, aus sich begriffen, aus sich zu
einer Wissenschaft der Lebensweisheit erhoben."
An dieser modernen Me:hodolog;e im Dienste der religions-
philosophischtn Erforschung des Judentums, h:t Hirsch während
seiner ganzen Wirksamkeit festgehalten. Und wahrlich, dieser
Modernismus verträgt sich vorzüglich mit unserem alten Juden-
tum. Denn dieses Judentum, uralt wie es ist, bleibt ja ewig
jung, modern auf ewig.
Zur Würdigung der schriftstellerischen
Eigenart Samson Raphael Hirschs.
Von Dr. Herrn. Deutsch in Fürth.
Die Bedeutung Samson Raphael Hirschs V'vc', dessen Sä-
cularfeier man in diesen Tagen allenthalben dankbar begeht, wird
jetzt auch von denjenigen erfaßt und gewürdigt, die in ihrer
Lebensgestaltung sich nicht zu ihm bekennen. Auf allen Seiten
sieht man der großen Bewunderung für den unerschrockenen
(jeisteskämpfer, den gr^ißen Charakter, tiefen Gelehrten und
glänzenden Schriftsteller Ausdruck geben. Zu dieser Bewunde-
rung tritt die Dankbarkeit und Treue derjenigen Kreise, die mit
ihm auf einem und demselben Boden der Ueberzeugung stehen,
die er zu neuem Leben erweckt und zu Erben seines Geistes
und seiner Gesinnung gemacht hat. Trotz des Universalismus,
mit welchem Hirsch nach Art großer Genies in alle Adern und
Zweige des jüdischen und modernen Wissens eingedrungen war,
versagte er es sich, die reiche Entfaltung seiner Gaben und Fä-
higkeiten auf irgend einem andern Gebiete als dem seiner Re-
ligionswissenschaft zu zeigen, ihr galt all sein Denken, sein
Streben und Wirken. Ihr sind auch alle seine Werke gewidmet.
Nicht als Gelehrter, nicht als Historiker lebt darum sein Bild
im Gedächtnis der Nachwelt tort, sondern als Denker und
Forscher, der es sich zur Aufgabe gesetzt, die Vorschriften der
jüdischen Lehre in ihrem lebendigen Zusammenhange, in ihren
I rinzipien und Endzwecken darzustellen und ihren beseligenden
Eintluß auf die gottgewollte Lebensgestaltung nachzuweisen. Wo
er in seinen zahlreichen Werken an diese Aufgabe herantritt,
da lösen sich in seiner Darstellung die herrlichsten Gedanken-
rtiliei! aus und fließen Anregungen, welche die AAühe tiefen
Eindringens lohnen. Im Gleichmaß der Ideen und in der klaren
Luicharbeitung der Begriffe liegt die Tiefe gereifter Ueber-
zcugungen. Der innere Zusammenhang der Empfindungen des
Verfassers mit dem Inhalte seiner Darlegungen leuchtet dabei
aus jeder Zeile hindurch. Man merkt es diesen Ausführungen
an, daß sie nicht aus kalter Ueberlegung, sondern aus einer
alle Seiten der Persönlichkeit gleichmäßig und dauernd erfüllen-
den Empfindung hervorgegangen sind. Die Höhe der Auffassung
wird überall von der Gabe künstlerischen Gestaltens und kraft-
voller Ausdrueksfähigkeit der Sprache, die trotz aller Erhaben-
heit die Regeln der Gesetzmäßigkeit nie verläßt, unterstützt.
Man kann Hirsch trotzdem auf sprachlichem und wissenschaft-
lichem Gebiete nicht einen Bahnbrecher nennen, weil bisher
'131 cr-2 nm-^ -n\s ninn?^i niT-^; ni^rrn ^rj'z f?^J b"'
niiiD: ni\sT rz'ico nprncz iwz' i:-i':'^n nci? '■d y-v p -)z~~ "w
'jri'n 1133 niiD nois pnt- "cdpz ya-:; .-^^to^'n niicip znz x'-i
ID nnx -''m-z nprnc '^z-^ irm i:-Na "ZwV >~yjr\~ ■':vc;i miztrn"
]by2b -i's;^- [nn' c'tf:i ruiJictrri -^^v r^nin nir''^- niiZDz niyT-i
n-^'-Dn HNTi p:3;r
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- .T->'nr
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::— 1 Pi^d''-
■ri
.N-'c;- ncrnz c'~~x n^'i crn ^d r;vri i^i^z"!
Nachmanides Vorrede zu 'n r\V2~'":-
34
leider nur wenige seinen Wegen und wissenschaftlichen Methoden
gefolgt sind; aber als ein Eigener muß er auf allen Gebieten
der religiösen und sprachwissenschaftlichen Forschung erkannt
und gewürdigt werden. Seine Schritten bedeuten eine radikale
Aenderung, sowohl in den angewandten wissenschaftlichen
Methoden, als auch in dem künstlerischen Geschmack der
Darstellung. In allem zeigt sich System, keine l^hantastik.
Jede semer Abhandlungen steht unter dem Gesichtspunkte be-
herrschender Ideen, über welche einen klaren Ueberblick zu ge-
winnen man erst dann vermag, wenn man sich in sämtliche
Schrifter des Meisters vertieft hat. Schon in seinem „Choreb"
zeigen sich in Sprache, Aufbau und Gedankenentwickelung alle
Kernpunkte seiner Orginalität. In diesem wird der Lehr- und
Gedankeninhalt des Judentums zur wissenschaftlichen Bearbei-
tung und Erkenntnis gebracht. Anstatt die reHgiöseii Vorschriften
der jeweiligen Geistesrichtung anzupassen, hat er dort die wech-
selnden Denkweisen und Anschauungen an dem Maßstab des
Judentums gemessen und das Berechtigte und Bleibende in
ihnen nachgewiesen. I^er Lehrinhalt des Judentums wird von
ihm religionsphilosophisch dargestellt, jeder seiner Glaubens-
sätze unter eine systematische Ordnung gebracht, deren Zwecke
und Absichten mit tiefem Verständnis enirtert. Er folgt hierin
Maimonides, nur daß er dem Judentum seine intellektuelle
Eigenart und Ursprünglichkeit wahrte, während jener bekannt-
lich — in der Theorie — sich allzusehr von aristotelischen
Lehrmeinungen beeintlussen ließ. Da es für Hirsch in Glaubens-
sachen nur einen Ursprung und ein Bestehen, aber kein Werden
und Entwickeln gibt, so ist seine Darstellung von geschichtlichen
Ausblicken frei, woraus \iele verständnislos gefolgert haben,
dal) er des historischen Bewußtseins ermangelt habe. Grätz,
sein ehemaliger Schüler, der ihn besser gekannt, nennt ihn da-
gegen (ünostizismus) neben ,,dem unvergeßlichen Lehrer und
väterlichen Freund", auch ,,den geistvollen Vertreter für das
geschichtliche Judentum." — Nach (Choreb ist sein F^en-
tateuchkommentar seine bedeutendste Leistung, die große
Wirkungen hervorgebracht hat und noch viel größere veranlassen
würde, wenn eine Bearbeitung, die dem Bedürfnisse der All-
gemeinheit entspräche, möglich wäre. Hier zeigen sich seine
schöpferische Intelligenz und gestaltende Kraft auf ihrer ganzen
Höhe. Frei von jedem Eklektizismus entwickelt er in diesem
epochalen Werke die tiefsten Ansichten und Gedankenreihen,
nur gestützt von dem eigenen Reichtum der Ideen und der
eigenen Kraft der Erfindung. Die eingestreuten halachischeii Er-
örterungen halten sich frei \on überflüssiger Dialektik, peine
Symbolik vermeidet das Gebiet verwirrender M\stik. Seine Lexio-
graphie ist individuell und national zugleich, weil sie auf Frem-
des, wenn auch noch so Naheliegendes verzichtet und nur aus
Eigenem schöp't. So selbstverständlich es darum auch ist, tlaß
er die älteren und späteren Bibelkommentare studiert !iat, so
nennt er solche dennoch nur selten, auch da nicht, wo seine
Ausführungen mit ihnen übereinstimmen, weil er in sich selbst
dasjenige lebendig gefunden und aus sich selbst zur eigenartigen
Darstellung gebracht hat, worin diese ihm zuvcjrgekommen. Sonst
registriert er mit gewissenhaftester Treue auch die kleinsten
Anregungen, die er aus den Schriften älterer und späterer
Autoren wie Silforno, Wessely und selbst aus r-.ypn^^ rr'crin
gewonnen hat. Die sprachlichen und halachischeii Einzelheiten
leiten immer die großen Gedanken des Thoraworts ein, die er
meisterhaft auseinandersetzt. Sie bilden für den Kundigen bl;)s
den reizvollen Wechsel in den alle Teile beherrschenden geist-
vollen Abhandlungen. Man schwelgt im Genus-,e eines Gedanken-
reichtums, wie ihn vor ihm noch keiner bei dieser Gelegenheit
entfaltet hat. Hierin geht das Urteil aller einig. Weniger ist
dies der Fall in Beziehung auf das von Hirsch angewandte
System etymologischer Untersuchungen und Ableitungen. Bei
vielen dieser will es scheinen, als ob sie nur vermittels scharfer
Dialektik und Hirsch'scher Sprachgewandtheit mogliih seien.
Da aber die Sprache Begriffe darstellt, die .auf dem Wege d^^r
Vorstellung gewonnen wurden, so genügt für eine Worter-
klärung in der Tat kein trockener Nachweis der Analogie,
sonüerii alles weist auf den von Hirsch betretenen Weg der Ab-
leitung eines jeden Wortes aus sich entwickelnden Gedanken-
reihen mit zwingender Notwendigkeit hin. Auf der (jeltend-
machung dieses Standpunktes beruht die ganze Hirsch'sche
Etymologie. Man mag den Ausführungen hierin im einzelnen
Billigung schenken oder nicht, ihre grundsätzliche Richtig-
keit muß jeder einräumen. Es ist geradezu unglaublich, wie
sehr man sich gewohnt hat zur Erklärung irgend eines dunkeln
Ausdrucks der Bibel sofort in anderen Sprachen Umschau zu
halten, anstatt im nächsten Umkreise nachzusehen und ^ich in
den Geist der eigenen zu vertiefen. Wer demgegenüber den
von Hirsch gezeigten Weg verfolgt, dem werden sich noch eine
Fülle bedeutender Entdeckungen darbieten, die die Möglichkeit
der Fortbildung und Begründung seiner Etymologien erweisen.
Wir wollen dies -I3pn mnnn p'i^i \n£tJ' Vü'' 'il^^b durch ein
Beispiel aus dem laufenden Thorahabschnitt näher erläutern.
Den Satz s-'t';) orS n\m or-txtü x'i:' itfK -iy TV. B. M. 11,2;) über-
setzt Hirsch eigenartig und trefflich: „Bis es euch aus ilem
Halse wachsen und euch zum Erbrechen werden wird." In
der Begründung führt er an, daß t~«t"iT verwandt mit ."-.■'f.
ein Wegwerfen, also ein Erbrechen bedeutet. Eine ähnliche
Auffassung des Wortes v-r fiirJec s'c!! in dem Werke ■''Ci "''-i^C
des R Abraham Saba, nur kommt er hiezu auf anderem Wege,
indem er das >< als Auflösung einer Verdoppelung eines
yV Stammes nimmt, wie in "sjr-^ für '"■' Jes. 18,2; 10^»;' für
iDPt:" Ps 58,8 (s. das. im Comm. von Hirsch) und es gleich-
falls als ,, Erbrechen" erklärt -^'nn i-nr"i1 it?r NirS*). — Solcher
Stellen, in denen die Hirsch'sche Auffassung und Ableitung sich
auch noch von anderer Seite begründen läßt, kennen wir viele.
Möge die hundertste Wiederkehr des Geburtstages des großen
Lehrers uns mahnen, uns immer mehr in seine Gedankengänge
zu vertiefen und seine Gesinnungen und Lebensgrundsätze in der
eigenen, seiner würdigen Lebensgestaltung wirksam sein zu lassen.
I
Aus dem Briefwechsel zwischen S. R. Hirsch
und Qerson Josaphat.**)
I.
Hirsch an Josaphat.
■]'3pn n^3H: '□ 'i cv :-n3:niN n"3
Mein lieber guter Josaphat !
Es hat mich innigst gefreut, vor längerer Zeit schriftlich von Ihnen
selbst Mitteilung über Ihre gegenwärtigen Bestrebungen zu erhalten
und wenn Ihr I. Schieiben bis jetzt unbeantwortet blieb, so glauben
Sie mir gevviti, dalJ nicht Mangel an freundschaitlicher Teilnahme
daran Schuld gewesen. Nun sind Sie doch, was Sie lange erstrebt, auf einer
Universität und iet^t bereits Veteran, und begierig bin ich zu wissen, was Ihnen
das Universitätsleben geworden, was und worin Sie sich vorzüglich bewegt
haben und ob das \xissenschaftliche Bestreben llirerseits (unkennt-
lich) mütiige vor der Zeit aufgedrungene Zugabe Ihnen seworden, eine Zugabe,
die so betrachtet, nur Bürde und beschwerlich ist. Oder ist sie Ihnen das ge-
worden, was Sie Ihnen werden sollte, Erhellung des Oeistes, auf dem sich
Ihre eii'ne Wissenschaft mit der Wissenschaft die ^pyi nS"lp niflO ist, ver-
einigt. Daher kommt es viel darauf an, welche Gebiete der wissenschaft-
lichen Kreise und mit welcher Ansicht und zu welchem Ziele man sich
ihnen weiht. Und daher auch hier wie überall ni"i2D~ no"' □"'CiDJ riDiri usw.
Oldenburg, 18. Adar 5506.
II.
Hirsch an Josaphat.
Mein lieber Josaphat!
Innig hat mich die Nachricht Ihrer Anstellung erfreut und wünsche ich
von ga- zem Herzen Qlück dazu. Möge Ihnen der Himmel ein ungeirübtes
Glück bereiten und Sie mit Kraft rüsten, in Ihrem neuen Wirkungskreise recht
segensvoll zu wirken. Nicht minder muß mich der Anteil freuen, den Sie
meinem literarischen Versuche schenken. Wollte Gott, ich konnte die Hälfte
der guten Meinung rechtfertigen, die Sie von dem Verfasser der Briefe hegen.
Aber ich bin mir meiner Beschränktheit zu gut bewußt, um nicht zu wissen,
daß der Beifall, den diese Briefe hie und da erhielten, mehr dadurch erw orben
wird, dati der Verfasser den Mut hatte, für eine Sache öffentlich zu sprechen,
für uie man bis jetzt größtenteils geschwiegen, als daß ihnen irgend eine
innere Vorireiflickeit innenwohne. Darum, mein lieber Josaphat, mul.i ich mit
37,
") Anm. d. Red.: Als weitere Bestätigung dieser Bcdctitting vgl. Sirach
i-i-
■*) l{al)bi (ier.-ioii .iosii|>liat K.-ililiin.its .Vspip.^^sor zu lliilberstalt, wsir ^:ct)Oivii
mi'is (ISOS. zu (^ii.ssel, wci sein Vater, linljl'i Saiiiiiel l>ev,v .losajiliat (alliieinein
unter ilein Namen Ualilii Samuel VVitzeiilia'isen litkannt) Oher-LaiKiesralibincr war.
Im IS. .laliri' liez.ii; er ilie damals in lüiile stelienile .lesliiwah zu .Mannheim,
welcher der sellist noch Jiiirendlic'ie. bereits li eh criilinite Stift sr.-ililiiiier l.'alibi
j Jacob KttJiniier, '^''^l spilter Oberralibiner in Altona Norstand. Von da her rührte
I seine Freiindseliaft mit seinem dam;ilitren .Stndieni;enossen Habbi K. S. Ilirscli ':"ST
Itiirch den Tod seines Vaters wnnle Itibbi (ierson veranlaßt, in die Heimat zii-
rüekznkeliren: da nals im Alte'r von 21 .laln'tMi wo er an Sielte si'ines Vaters
l"i' .lalire lanjr das l,.nid-i;abbinat in Cassid verwaltete. Da aber damals schon
aiiLier li'alib. Wisse i. auch weltliche Kenntnisse von den Heliönlen verlaiiiit
wiir len, so entsrhiolj sich der Jnnfre Rabbiner die Iniversitjlt lionn zu liesmdien,
\on wo er nach zwei jäliriirem llören der Kollegien, zur ferneren Veivollkorninnunj;
-ich n.ich der Knrliessischeii l.andes-rniver-itat Xlarburp lieijab. (Hierauf be-
zieht sieh liriefansziiir II. Im Alter von ■_".) .laliren wurde Habbi (ierson als
l{abbiner an die BereMd-I.ehman'sehe Siiftiui',' .'ils liabbinats-.Vssessor nach llalber-
stadt berufen, welche Stelhin«:: er 47 .lalire lau«; bis zu seinem ISS3 (am l'>, Nissan'
erfolf^ten Tilde b,.k|.idete. Willirend dieser Zeil \ erlebte Kabbi (ierson 1'l .lahr
in l'rankfnrt a. .\l , wohin er bei .Vtisbnich der Cholera IS."(i von llalberstadt
ans sicli beigeben hatte (liriefe III u IV l.
.?5
dem Verfolg meiner Arbeiten sogar behutsam sein. Nicht, das können Sie
mir glauben, wird mich irgend unbegründeter Tadel, Sctimähungen. ja selbst
Einschüchterungen, die mir geworden und noch vielleicht werden können,
einen Augenblick anstehen lassen, das zu thun und zu sagen, was mir als
Pflicht und Recht erscheint, denn das wissen Sie Lieber, ich war selbst bei
Herausgabe der Briefe mehr auf Tadel, Widerspruch und Hohn vorbereitet, als
auf Beifall von irgend einer Seite. Nur eins könnte mich von der Herausgabe
meiner übrigen Arbeiten abhalten, wenn ich mich überztusen sollte, daß ich
der heiligen Sache, der sie gewidmet sind, mehr j^chaden als nützen würde.
und die Meinung, die einige meiner Freunde ge-en mich behaupten, bedarf
doch meinerseits der sorgiältigsten gewissenhaftesten Prüfung. Lnd die Prü-
fung durch mich selbst ist ungeheuer schwer. Wenn ich mir die Einreden
meiner Freunde nach bester Ueberzeugung widerlegt habe, dann entsteht und
muti immer in mir der Zweifel entstehen, ob nicht vielleicht an dieser meiner
Ueberzeugung der Schmerz mit teil hat, der unnennbare Schmerz, zur Zer-
rüttung der heiligsten Sache vielleicht schweigen zu müssen. Wer löst mir
den Zweifel, ob ich dann auch unpaiteiisch genug über meine eigne Arbeit
zu urteilen vermag. Ich arbeite indessen fort an ihrer Vollendung. Ich werde
prüfen und wieder prüfen, vor Qott prüfen und danach handeln. Hätte ich
nur einen der Sache und der Zeit kundigen Freund hier, der redlich und warm
für die Sache fühlt und aller Persönlichkeit vergil.it, mit dem ich mich be-
sprechen könnte. Aber ich bin in einer Wüste. Könnten Sie doch Ihren Plan
recht bald ausführen, mich zu besuchen, wie wollten wir alles besprechen!
Ich darf Ihnen ia wohl i;esiehen, lieber Josaphat, dieser Zweck hatte nicht
geringen Anteif an meiner Einladung diesen Sommer; ich weiti, Sie werden
mir über dieses Geständnis nicht zürnen. Adieu, mein lieber .losaphat, möge
mir bald die Freude werden, Ihnen mündlich die Achtung versichern zu
können, die für Sie hegt
Ihr Freund
III.
Josaphat an Hirsch.
['ran kf u r t a. M. S"'"r
•irEt-v: i^s'7 •; er
Mein lieber Reb Schamschon I
Mofrentlich wird dieses Sie und Ihre liebe Familie gesund und wohl
antreffen, was ich Ihnen n":; unserseits auch versichern kann. Um Ihnen zu
antworten, weshalb ich von"hier aus schreibe, und besonders, da ich weil.!,
dali Sic ein warmes Inttresst- an all meinen Verhältnissen nehmen, fange ich
mit meiner Wenigkeit an. Wie Sie wissen, war in Halberstadt meine Haupt-
beschäftigung D-rzv '■y ~-i'r- "i? 'n^-!; ^rx ncn mn^ oj; ncb^i -no^b
n^ Z'r, doch den Kreis derselben zu vergröflern war deshalb nicht gut mög-
lich, weil die r^vp dort zu klein und zu unbemittelt ist. Durch niD""". die
gewiß D-^i^n "C ^ind. wohne ich seit mehreren Monaten mit Familie hier
und denke auch'ri"^« hier wolinen zu bleiben. Auch hier habe ich mehrere
iunge Leute, denen ich n'iJ'np- irmiHD Unterricht erteile und habe die
Hoffnung, dal'i icn immer -"]}2 mehr Zuwachs bekommen werde und n";~n
möge meinen Wunsch, eine tüchtige -"'"£''' zu gründen ^ni^^d rmn vonnb
r;-n;~bl in Eriüllung bringen j^x- Nun zur Hauptsache. Sie werden gehört
haben, daß sich hier in der iüdischen Gemeinde eine neue, aber dennoch alte
fromme Gemeinde gei'iUet' hat; die achtbarsten und reichsten Leute, die
Familie; Rothschild an der Spitze, gehören dazu. Auch werden Sie wissen,
daß Herr Dr. Sachs in Berlin, zum 2'^ gewählt worden ist. Wie nun all-
gemein das Gerücht verbreitet ist, so wird derselbe ni:ht lierkommen, indem
die Berliner ihn nicht gehen lassen werden. Dieses Gerücht, wie ich ver-
nommen, findet Bestätigung. Die Stellung als hiesiger Rabbiner ist eine
glä.-zende, namentlich findet der echt fromme m einen sehr ergiebii^en Boden,
indem diese Leute alle das Cime wollen und ihr Streben und Sinnen geht
nur dahin -".i'i^b "Ti^Vm "i^inn^ ^ Ich habe seit mehreren Monaten die
beste üelegeiiheit gehabt, die meisten von ihnen kennen zu lernen, es sind
Z'OD C"^ sehr brave Leute p'^N 'Vlü ""J cm::": miC ^Z'lü 'C'l:~B'1 CW^i
~ Da aber noch sehr vieles ins Leben gerufen werden muß und zu ordnen
is', so bedürfen sie eines in jeder Beziehung tüchtigen Mannes, -»p-ij;.-!, dessen
nZD 1D\~I ist, eines frommen Mannes, der m3ri''-nn für rT,:'np~ i:,"Tl\~i 'lat
und dessen Charakter makellos dasteht. La nmi. mein Hirsch!, Sie der Mann
sind, indem alle diese schönen higcnschaften im höchsten Grade sich \'ereinigt
linden, so glaubs ich und gewiß selir viele mit mir, daß es für hier ein großes
GIücIn wäre, wenn Sie sicli verstehen würden, die hiesige Ste.le anzunehmen.
Sic haben allerdings eine der größten ni::;^.-Stellen inne, stehen dort v^nD
C~'jf ~'^, indessen als Deutscher, und wie ich Sie kenne, würde hiesige
Stelle Ihnen mehr zusagen und ist der dortigen vorzuziehen. Die Leute sind
wirklich sehr brav und friedliebend. Ich versichere Sie, Sie werden auf
Händen getragen, und was die Hauptsache ist, Sie können sehr viel hier
\<i:ken, ia Großes thun. Die iWatcrialien und Mittel sind zu allem im vollem
Maße vor. landen, es muß nur ein Mann da sein, der es \ersteht, sie zu-
sammen zu tragen. Und das sind Sie, mein lieber Reb Schamschon! Nun
muß ich Sie bitten, nur nicht über meine Dreistigkeit und Offenheit zu zürnen,
ich bin immer no.h der alte Gerschon Josaphat, der er war, als wir so ver-
gnügt und innig in Mannheim wissenschaftlich zusammen lebten, eine Zeit,
woran Sie wie ich mit Vergnügen immer zurückdenken werden. Verwirk-
lichen Sie meinen Wunsch und kommen her, es bedarf nur Ihres Fnlschlusses,
so sind wir nach S) langem Getrenntsein -"■{< wi der zusammen. Auch
bitte ich Sie, mein lieber Freund! mir hierüber gefälligst Ihre Meinung bald
miizuteilen. Ich werde nicht mehr von Ihrer lieben Antwort Gebrauch
machen, als Sie es mir erlauben. Indem ich Sie und die lieben Ihrigen herz-
lich grüße, verbleibe ich Ihr Sie liebender
-"Hl -a"z'Zf
IV.
Hirsch an Josaphat.
N i k 0 1 s b u r g , '"tb s""r [c; r"h 'n c".
Liebjr "''; "tfiJ 'i
Das Band, das Sie so freundlich befürwortet, ist also
geknüpft, und hoffe ich zu Gott, daß es zu allseitigem Heile gereichen
möge. Auf eine unerwartete Weise führt uns nun die Vorsehung einmal
wieder in einen Kreis zusammen und läßt uns die Einnerung der ersten Zeit
unseres Jugendstrebens erneuern. Sei sein Name n"~ in allem und für alles
gepriesen.
Jüdische Jugendvereine.
Ein Brief S. R. Hirsch's.
Frankfurt a. M., 12. Oktober 1860.
An den
löbl. Vorstand des Isr. Jugend-Vereins in B . . .
Sie haben mir, sehr geehrte Herren, durch gefl Mitteilung Ihrer Kon-
stituirung und Ihrer Statuten eine wahrhafte Freude bereitet. Möge der Geist,
der sich in Ihrem Vorhaben ausspricht, in immer weiteren Kreisel unsere
Jugend erfassen, und dieses Vorhaben selbst unter göttlichem Beistande zu
dauernder, segensreicher Ausführung gelangen.
Ihren Statuten habe ich Ihrem Wunsche gemäß die gebührendste Auf-
merksamkeit geschenkt und finde weniges zu bemerken.
In der Einleitung sprechen Sie als nächsten und ersten Zweck des
Vereines die Förderung der eigenen religiösen Bildung aus und zu diesem
Ende die Bestimmung: wöchentlich mehrere Stunden Bibelunter-
richt im Geiste des orthodoxen Judentums zu nehmen; in
zweiter Linie steht dann die Unterstützung von ciiriD- In den Statuten
stehen diese Zwecke in umgekehrter Ordnung, die nnin^ Unterstützung
steht voran, das eigene Lernen folgt und zwar in weit allgemeiner gehaltenen
Fassung: die Mitglieder durch religionswissenschaftliche Vorträge zu erbauen
und zu belehren. Nach meiner unmaßgeblichen Ansicht sollten Sie die Be-
stimmung, wöchentlich mehrere Stunden Unterricht in ■]";n zu nehmen,
wörtlich in die Statuten autnehmen. Vielleicht verbinden Sie damit auch
das Lernen populär-rabbinischer Schriften wie c"IN ^^n, ^\><^^ mliD mit
Auswahl etc. .ledenfalls würde ein solches Lernen wirkliches Lernen ,,an
der Quelle" sein, wie Sie es selbst in der Einleitung beieichnen, während
ein Vortrag leicht nur erbauende und belehrende Anregung im allgemeinen
bietet, jedenfalls aber nicht den Nutzen eines gehörigen Lernens unserer
heiligen Schriften gewährt. Ebenso vermisse ich in den Statuten die aus-
drückliche Verpflichtung der Mitglieder zum regelmässigen Besuche der Lehr-
stunden. Eine solche ausdrückliche Verpflichtung scheint mir nicht über-
flüssig, ja, ich gebe anheim, ob dieselbe nicht durch kleine in die Vereins-
kasse zu zahlende Ordnungsstrafen für ohne dringenden Anlaß geschehene
Versäumnisse unterstützt werden dürfte. Da die Uebernahme solcher Ver-
pflichtungen ja eine durchaus freiwillige ist, so fällt das Gehässige eines
Zwanges weg, mit Eintritt in den Verein legt jedes Mitglied sich eine solche
Verpflichtung nur selber auf; mir scheint aber der stete regelmäßige Besuch
der Lehrstunden, der Kardinalpunkt Ihres ganzen Vereines zu sein, dem durch
die Bestimmungen Ihrer Statuten eine möglichst feste Aufrechterhaltung ge-
sichert werden müßte.
Ferner scheint mir in dem Titel V die Befugnis der Vereinsrepräseitanz
zu ausgedehnt gefaßt zu sein, indem derselben die gänzliche Besorgung
aller Angelegenheiten üoerlassen ist. Ich rate, das ,,gänz iche" ,, aller" zu
streichen und in einem besonderen Paragraphen zu statuieren, daß in allen
nicht bereits durch die Statuten der Repräsentanz übertragenen Angelegen-
heiten die Ermächtigung von der Generahersammlung einzuholen sei, daß
ferner in allen der Repräsentanz zweifelhaften Fragen die Entscheidung durch
eine Generalversammlung herbeizufü.irea sei, daß in allen Fragen religiöser
und wissenschaftlicher Beziehung der Herr Rabbiner um Rat ersucht werden
solle, diß aber in letzter Instanz bindende Bestimmungen nur du-ch Beschluß
einer Generalversammlung festgestellt werden können. Hierdurch sichern
Sie die Autonomie des Vereines nach allen Seiten.
j Mit aller Hochachtung
gez. Hirsch.
UCT
Wie Israel seine Grossen ehrt.
Ein (Jutachten S. R. Hirsch's aus dem Jahre 1860.
An den 'l^ourj-Monument-Verein in New-Orleans.
Sehr geehrte Herren !
Sie wollen freundlichst die Verzögerung meiner Antwort auf Ihre ge-
schätzte Zuschrift vom 6. Juni entschuldigen ; ich bin durch die Anhäufung
von Amtsgeschäften bis ieizt verhindert worden, dieselbe zu erledigen —
und auch noch heute bin ich genötigt, meine Antwort auf die wesentlichen
von Ihnen gestellten Fragen zu beschränken, um dieselbe nicht noch weiter
zu verzögern.
Sie beabsichtigen, das Andenken eines verblichenen Edlen durch die
Errichtung einer Statue oder eines Monuments zu ehren, vorausgesetzt, daß
solches nicht im Widerspruch mit den religiösen Gesetzen und Gebräuchen
der Juden stehe, und Sie beehren mich mit dem Gesuche, mein Gutachten
darüber abzugeben:
Ob es in Uebereinstimmung mit dem iüdischen Gesetze erlaubt ist, zu
Ehren eines verstorbenen Glaubensgenossen eine Statue von Bronze oder
.Xlarmor auf einem öffentlichen Platze einer Stad: zu errichten?
36
Ob es in Uebereinstimmung mit dem jüdischen Gesetze erlaubt ist, auf
dieselbe Weise und zu demselben Zwecke ein Monument (Säule u. dergl.)
zu errichten?
Hierauf beehre ich mich zu erwidern :
Die Errichtung einer Statue, d.i. einer menschlichen Gestalt aus Bronze,
Stein oder anderem Stoffe ist nach dem jüdischen Gesetze auf jeder Stelle
und zu jedem Zwecke verboten.
Ebenso verbietet das jüdische Gesetz ausdrücklich die Errichtung eines
Monuments, das gänzlich frei von jeder Gestalt ist, einer Säule, eines Denk-
steins usw. zum Zwecke göttlicher Verehrung und sei es selbst, sich um
dieselben zu versammeln zur Anbetung des Alleinigen Gottes. (Siehe Mai-
monides Accum 6.)
Nicht ganz so klar ist die Bestimmung in Betreff der Errichtung eines
solchen Monuments nicht zu Zwecken göttlicher Verehrung. Nach ^"^i ;i"qd
2"f2 n"2' scheint es beinahe, daß die Errichtung einer Säule u. dergl-, selbst
nicht zum Zwecke der Verehrung, verboten gewesen, und daß demgemäß
die oben angeführte Stelle des Maim. so aufzufassen sei, daß die Errichtung
einer Mazeba überhaupt, und sei es selbst zur Verehrung des Alleinigen
Gottes, nicht Bestattet gewesen. Aber dieJosua 24, 26, 27, Samual I., 12 er-
mähnten Begebenheiten erweisen, daß selbst nach der n:osaischen Gesetz-
gebung die Errichtung von Steinen als Denkmäler zu profanen Zwecken
nicht durch das Gesetz verboten gewesen. Aber Sie haben in Ihrer ge-
ehrten Zuschrift selbst angegeben, dali Sie in dieser Frage nicht nur die aus-
drücklichen Gesetzesvorschriften zu beobachten wünschen, sondern auch den
überkommenen Brauch in Israel, und daß das Projekt nur dann ausgeführt
zu werden beabsichtigt ist, v\enn es sich nicht im Widerspruche mit ,,den Ge-
setzen und Gebräuchen Israels" befindet.
Wenn man diese Frage in diesem iJchte betrachtet, so würde es in
der Tat scheinen, daß der durch die ganze jüdische Vergangenheit herrschende
historische Brauch sich gegen die Errichtung eines Monumentes zu Ehren
eines Mannes erklärte. So weit unsere Kenntnis in der vor- oder nach-
mosaischen Zeit reicht, werden wohl Monumente zur Erinnerung an Ereig-
nisse oder in Beziehung zu denkwürdigen Orten gefunden, aber Monumente
als ehrende Qedenkzeichen an Menschen sind nicht anzutreffen. Nur
einem heispide begegnet man, daß ein Monument zum Andenken eines
Menschen errichtet worden, und dieser ein eitler Mann — Absalom —
hatte es sich selbst während seines Lebens errichtet. So groß auch die Zahl
großer Männer unseres Volkes ist (und gewiß gibt es keine Nation, die dank-
barer das Gedächtnis ihrer Heroen an Geist und Tugend verehrt) ihr Ge-
dächtnis hat es durch verschiedenaatige Dinge geehrt, nur nicht durch Mo-
numente von Metall oder Stein. Und obgleich von der NichtWahrnehmung
eines bestimmten Faktums ein Gewisses nicht zu folgern ist — lyxi N^
il^NI lyN so mag doch isowie des Ausführlichen im •JCU'^ vyn ~"!i' '^7 er-
hellt) hinsichtlich eines Brauches und ganz besonders da, wo ein Zeitraum
von mehreren tausend Jahren mit tausendfachen Anlässen vorliegt das Nicht- '
Vorhandensein sicherlich als ein Beweis dienen, daß der Brauch es als nicht
zulässig erachtete.
Es ist nicht einzuwenden, daß die Zeiten der Zerstreung unter Druck
und Verfolgung der Errichtung solcher Monumente nicht günstig gewesen.
Die spanische Zeit gewährte volle Freiheit; obgleich sie sich nicht wenig
großer Männer rühmen konnte, die bei ihrem Leben als Wohltäter ihres
Volkes geehrt wurden, einige sogar mit fürstlicher Ehre, so dachte doch
Niemand daran, ihr Andenken durch en Monument zu feiern, .la noch mehr.
Selbst zur Zeit des zweiten Tempels, wo, namentlich unter den Königen des
hasmonäischen und herodianischen Hauses persönliche Ehrenbezeugungen in
ungeziemend auffallender Weise erwiesen wurden und die Liebe zum Pomp,
und die Nachahmung griechischer und römischer Gebräuche, besonders zur
Errichtung solcher Monumente e nlud, finden vsir wohl, daß Türme, Burgen,
Städte usw. zur Erinnerung an Menschen erbaut wurden, die Errichtung von
Säulen und ähnlichen Monumenten aber wurde insofern ich mich auf mein
Gedächtnis verlasse — nicht gewagt. Betrachten wir alles dieses, so er-
scheint die Annahme wohl begründet, daß der iüdische Brauch der Errichtung
von Säulen und ähnlichen Monumenten dem Andenken der Menschen ent-
schieden entgegen ist.
Sie haben nun in Ihrer verehrlichen Zuschritt ausgesprochen, daß in
der Ausfuhrung diese Frage nicht allein die Gesetze, sondern auch die
Gebräuche Israels in B tracht genommen werdtn sollen. Es ist aber
ferner ein religiöses Gesetz Israels, die Gebräuche Israels gewissenhaft zu
beobachten; demgemäß würde die Uebertretung eines solchen jüdischen Ge-
brauches eine direkte Verletzung des jüdischen k'eligionsgesetzes sein.
So sind Sie allerdings, geehrte Herren, von diesem Ges chtspunkte aus
an der Ausführung Ihres Planes — der so löblich an sich selbst — das An-
denken eines edlen Mannes in solcher Weise zu ehren, gehindert; doch -
abgesehen hiervon — wollen wir uns freuen, daß der jüdische Brauch sich
selbst die Crr chtung von Säulen u. dgl. als ehrende persönliche Erinnerungs-
zeichen ebenso untersagt, «ie die Erricl^tung solcher Denkmäler, die das Ge-
setz verbietet.
Beobachten wir diesen jüdischen Brauch, welcher, indem er den un-
betitelien Namen als die größte Auszeichnung betrachtet, lo^T p"lD ^n:
eben durch die Versagung des gewöhnlichen Grabsteins am besten das An- i
denken ausgezeichneter Toten zu ehren glaubt c^^l^'^ m^C3 pB'li? pN ■
weil, wie die Begründung sich ausdrückt, :::nD: on □~''~i31 sie sich selbst
durch ihre Worte und Taten das unvergünglich^te Denkmal gesetzt haben.
Bewahren wir namentlich den jüdischen Brauch, welcher bis jetzt das
Gedächtnis verstorbener ausgezeichneter Menschen lediglich durch gute.
nützliche und heilsame Werke zu ehren gewußt und so in Wahrheit pii^j -\3;
~Di::'i das Andenken der Gerechten zu enier Quelle des Segens für die
Lebenden gestaltet.
Vergessen wir nicht, daß die jüdische Gesinnung in der Errichtung
zweckloser und unnützer, wenn auch glänzender Bauwerke ein preiswürdiges
Werk nicht erkennt, c^'l'pr ^•2^':;}~\^- f"-in Rabbi, der, als er an einer pracht-
vollen Synagoge vorbeiging, ausriet: [XO '.TIN ''Vp'J^ i^'-O "^^ -^'^ ^'^'
Geld haben meine Vorfahren hier begraben", erhielt zur Antv\ ort r\WC- '^2-
]HD ~'r\ZH 'i'pr. -wie viel Seelen haben deine Vorfahren hier begraben!'
Nnm«' pym O'^IZ vir; n'^ gab es hier keine Bedürftigen zu unter-
stützen, ihnen das Studium des (jcsetzes zu eririöglichen ?
Und so glaube ich denn — geehrte Herren — vielleicht teilen Sie
meine Ueberzeugung — wenn Sie den Namen des Verstorberen zu ehren
d'e Zinsen des Kapitals welches die Errichtung eines Monuments erheischen
würde, zu einer jährlichen Bewilligung zum physischen, geistigen oder sitt-
lichen Wohle eitles einzigen Menschen bestimmen, Sie sein Andenken, je
mehr er eine solche Würdigung wirklich verdient hat, auf eine mehr jüdische,
das heißt wahrere und würdigere Weise ehren würden, als duich das pracht-
vollste Monument, das Sie in Bronze oder Marmor ausführen können.
Genehmigen fcie die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung,
mit der ich verharre, geehrte Herren,
Ihr ergebener
Hirsch.
Samson Raphael Hirsch's Ideen zur inneren
Politik der deutsclien Judenheit.
Von Dr. Ed. Biberfeld in Berlin.
Was Homer von Odysseus rüliint, dali er viele Städte
sali und ihren Geist erkannte, das trifft auch auf Samson
Raphael Hirsch zu. Geboren und bis zum .lüno;lino;salter in
einer kleinen Republik, Hamburg, aufgewachsen, führten seine
Lehrjahre ihn nach Baden und dem preul.iischen Rheinlande;
Oldenburo^. Linden und Nikolsburi^ sahen seinen Aufstiejj;
die freie Reichsstadt, die später preuLiisch gewordene
i^atrizierstadt ist der Wirkungskreis seiner gereiften Mannes-
kraft, die gesegnete und segen\erbreitende Stätte seiner bis
ins höchste Greisenalter unverbrauchten Schaffenskraft. Cr
ist darum kein -oA'j;po-/oc geworden : der häufige Wechsel des
Vaterlandes hat ihn nicht zum Kosmopoliten gemacht; zu
wurzelliaft war die .Anlage seines Wesens, um der Ver-
schiedenartigkeit des Milieus zu erliegen; zu ausgesprochen
die Charakteristik seiner Art. um sich selbst in der Viel-
seitigkeit der Verhältnisse zu \erlieren. Aber eines hat
diese die Grenzen der Länder überbrückende Lebensge-
staltung in S. R. Hirsch geübt und gewirkt: er hat den Geist
der religiösen Gemeinschaften, in welciien und mit denen er
lebte, deren Führer und Lehrer er war, aufs Trefflichste
erkannt; hat aus der Verschiedenartigkeit der Lebensbeding-
ungen, die hier und dort ihm begegnete und dennoch Gleich-
artigkeit der Lebensbetätigung nicht unterband, entnommen,
das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Wesenbildende
\()m .Aeulierlichen und Zufälligen, den ewigunveränderlichen
Inhalt xon der wechselnden Lorm zu unterscheiden und zu
trennen. .Als er später seine ganze Kraft für das Gesetz vom
2(). Juli l(S7o. das den Parochialzwang in der preuliischen
Judengesetzgebung durchbrechen sollte, einsetzte, da haben
seine Gegner, um seine Sachkunde zu verdächtigen und zu
verkleinern, hämisch darauf hingewiesen, tlali er, als ge-
bürtiger Hamburger, die Segnungen des Gemeindezwanges
in der Jugend nicht empfunden und darum auch fürder nie
verstanden habe. Sie wollten ihn damit schmähen und lästern,
und haben ihm doch nur ein hellleuchtendes [ihrenzeugnis
erteilt. Er hat nie das ist wahr und zutreffend es ein-
zusehen vermociit, dal.i dem Staat der Beruf zukommt, Juden-
gemeinden zu schaffen, zu organisieren und in ihrem Be-
stände zu schützen; er hat die gemeindebildende Kraft ander-
wärts gesucht und gefunden; gefunden das beweist der
Segen, der auf seinem Andenken nach mehr als einem halben
Jahrhundert auch heute noch in jenen Gemeinden ruht, die
nur karg bemessener Zeitspannen sich seines Besitzes er-
freuten, das beweist das Lmporblühen der (lemeinde, die er
gescliafien und /u einer ..A'\iitter in Israel" erhoben; beweist
der Lrfolg, den das preuLiische Austrittsgesetz, direkt und
indirekt, für die Lrhaltung der nir' n:i^N in Deutschland und
darüber hinaus gezeitigt hat und täglich zeitigt.
Samson Raphael Hirsch war auf die Gefahr hin, dal,!
sein Ruhm darunter litte! keine „komplizierte Natur".
Schlichi uikI gerade wie seine Grr)l.le. so war auch sein
37
Gedankens\ stein I Vollends trifft diese Charakteristik zu für
seine Ideen zur inneren Politik der deutschen Juden -
lieit. L'nnöticj zu betonen. daH niachiavellistische Staats-
kunst dieser verkörperten Offenheit und Ehrlichkeit fremd
blieb! Aber — wieder auf die Gefahr, seines Ruhmes Ver-
kleinerer zu scheinen ! — es herrscht überhaupt nichts von
allgemeinphilosopliischen Spekulationen, nichts von staats-
wissenschaftlichen und \ölkerrechtlichen Doktrinen, nichts
endlich \on .MassenpsNcholoji^ie und anderen lialbmystischen
Vorstelluncjen in der Linienführunji; des Qedankenbaus, den
S. R. Hirsch als Modell des Dyo ;rrD, einer Judengemeinde
nach seiner Auffassuno; und Wertung, gezeichnet und zu
errichten gestrebt hat. Man müLite denn Kenntnis und de-
nnitSNolle Verehrung des Qottesgesetzes vom Berge Sinai
für nustischen l leberschwang halten, Wissen von seinem
Volke und Leben in seinem Volke geschiclitsphilosophische
Exkurse nennen. Gerechtigkeitsliebe und Glauben an die
sieghafteKraft desRechts und der Billigkeit zur aethetisierenden
Gourmandise herabwürdigen und Sichselbsttreue als starren
Prinzipienreiterei \ erlästern! Denn diese Eigenschaften sind
es ausschlielilich. aus denen S. R. Hirsclis System zum Auf-
bau und Ausbau modernen, jüdischen Gemeindelebens sich
lierleitet. Er kannte die Thorah und darum verspürte er
der G'pSx nn-ip in sich einen Hauch ; darum war er. der
starke Mann, so demutsvoll gegenüber jedem nv V v.iip.
dal.l er eher sich und die ganze Welt umgestalten wollte^
als des offenbarten Gotteswortes, der Lehre unserer Weisen,
eines bx-'U'' 3n;2 Wandelbarkeit und ..Fortentwickelung" zu
unterstellen: er lebte mit seinem Volke und war mit seiner
Geschichte \ertraut. und darum war er von mimosenhafter
Empfindlichkeit und Reizbarkeit gegenüber fremdartigen,
wesensungleichen Berührungen und Einflüssen; sein Gott
war ihm ein Gott der Gerechtigkeit und untrügbaren Ihi-
besteclilichkeit. und darum zweifelte er nie. dal,! das Recht
früher oder später triumphieren müsse; und aus allem diesen
durfte er. konnte er sich selbst nicht untreu werden, wollte
er um zeitlichen Gewinn nicht die ewige Waiirheit verraten,
die Stimme des Gewissens nicht im Siegeslärm des Tages-
erfolges ersticken!
.Die Gemeinschaft religiöser Ueberzeugun-
gen ist das wesentlichste Kriterium einer Reli-
gio n s g e m e i n d e . u n d w 0 d i e s e i n n e r e E i n h e i t f e li 1 1 .
wo die U e b e r z e u g u n g e n in schroffen Gegensätzen
auseinander klaffen, da kann kein staatliches
Diktat und kein fiskalisches Einschreiten eine
Religions-Gemeinde, ein wahres Religions -Ge-
meindeleben schaffen." Diesen Standard-Satz mag
man getrost als die Grundlage der Ideen S. R. Hirschs zur
inneren Politik der deutschen Judenheit ansprechen. („Das
Prinzip der Gewissensfreiheit" S. 13) Wäre es möglich,
seine zwingende Richtigkeit anzuzweifeln? Alle Vergleiche
hinken, und es ist ein undankbares Beginnen, zusannnen-
gesetzte Massenerscheinungen in eine knappe Formel zu
pressen. Und so soll der Streit hier nicht aufs Neue be-
ginnen, ob der Gegensatz, der Neologie und Orthodoxie
von einander scheidet, in der konfessionellen Verschiedenheit
von Katholizisnuis und Protestantismus sein Aequivalent hat.
Auch die theoretischen Betrachtungen mögen schweigen:
hat die Geschichte der letzten Dezennien nicht auf jedem
Blatte die Richtigkeit jenes Satzes erhärtet, den Nachweis
erbracht, daii wahres Gemeindeleben nur in homogenen
Genieindebildungen zu finden und überall da zu vernnssen
ist, wo äuDerer Zwang disparate Bestrebungen und Gesinnungen
in ge\Naltsame Einheit schlägt? Sind nicht gerade aus ..li-
beralen" Kreisen der grciliten Judengemeinde PreulJens in
diesen Tagen Vorschläge herxorgegangen. Ansichten ge-
äuüert worden, die dem Gedanken Rechnung tragen, daß
die völlige Treimuiig der Culte und was damit zusammen-
hängt, zwischen den religiös ohnedies Getrennten im Interesse
der Einheit in den sonstigen Gemeindeaufgaben liegt? ! .Der
einzige, wirkliche, echte, wahrhaftige, gemeindebildende
Faktor jüdisch-religiöser Gemeinschaften ist: das religiöse
Pflichtbewußtsein" (ebda. S. 12). Man mag eine allge-
meine israelitische Gemeindeverwaltung sich konstruieren
können, deren Kräftefeld nur allzu eng und beschränkt wäre:
religiöses Gemeinschaftsleben ist nicht denkbar zwischen
Männern, die ihre wissenschaftliche l leberzeugung zum reli-
giösen Nihilismus, Kreise, welche ihre gesamte Lebensführung
aus dem Religionsgesetze hinausgeführt hat, und, auf der
anderen Seite. Männer, deren Lebensodem Tliora. Aboda und
Gemillus Chasodim ist. die für und für das unabänderliche,
ewige Gottesgesetz als Richtschnur ihrer Lebensgestaltung,
den Schulchan-Aruch als [■Regulativ ihres Handelns nicht nur,
sondern auch ihres Fühlens und Denkens betrachten. Es
hat eine Zeit gegeben, wo S. R. Hirsch .das Begräbniswesen,
Hospital und alle gemeinsamen Wohltätigkeitsanstalten" von
dem eigentlichen religiösen Gemeindeleben ausschied und
ein Zusammenwirken auf diesen Gebieten im Rahmen einer
..allgemeinen israelitischen Gemeindeverwaltung bestehen"
lassen wollte. (Gehorsame Vorstellung v. J. 1858 S. 39.) Er
hat unter den Erfahrungen des Tages diese' Meinung später
geändert: und mit gutem Grund. .Ist ein Waisenhaus kein
mildes Institut?", so heißt es in der Schrift gegen Makower,
.und doch werden die Waisen notwendig nur nach Einer
der vorhandenen, konfessionell sich scheidenden Richtungen
erzogen werden können. Das Gewissen des orthodoxen
Juden wird, wenn die Waisen nach reform-iüdischen Grund-
sätzen erzogen werden sollen, sicherlich Bedenken trageu.
zu einer Erziehung jüdischer Kinder nach einem System bei-
zutragen, das er für seine eigenen Kinder gewissenlos und
verwerflich erachtet . . . Ganz ähnliche Fragen werden sich
bei einem Hospital hinsichtlich der religionsgesetzlichen oder
religionswidrigen Speisung erheben usw. und so fast bei
allen andern milden Instituten die Beachtung oder Nichtbe-
achtung der religiösen Gesetzes\orschriften in Frage stehen" . . .
(S. 19.) .Nicht Rabbiner, nicht Liturgie, nicht Kanzel, nicht
Schule, keine einzige der dem gesetzestrenen Juden zur Er-
füllung seiner religiösen Gewissenspfichten unumgänglichen
Institutionen können sie gemeinsam haben uud man wollte
diese so konträren konfessionellen Gegensätze doch nur als
parochiale Gliederung eines und desselben konfessionellen
Systems behandeln" (Denkschrift über den Austritt. 1873. S. 6.)
Und in \ollster Schärfe in der oben zitierten Schrift gegen
.Makower S. 14: .Es ist geradezu die Wahrheit verleugnende
Täuschung, wenn man von gewisser Seite diesen Gegensatz
als nur die Liturgie des öffentlichen Gottesdienstes berührend
darstellen möchte. .Anerkennung oder Verleugnung des
religiösen Gesetzes in Lehre und Leben bildet die Scheidung.
Lehre und Leben des orthodoxen Juden ist dem Juden der
Reform Aberglaube und Torheit. Lehre und Leben der Reform
dem orthodoxen Juden Blasphemie und Verbrechen: und eine
Organisation, die solche Gegensätze. Bekenner und Leugner
der Göttlichkeit und Unverbrüchlichkeit des biblischen und
traditionellen Gesetzes durch gewaltsamen Zwang zusammen-
gehalten, hat sicherlich nicht der Entfaltung und Pflege eines
wahren Gemeindelebens Vorschub geleistet" . . . Qoldne
Worte, die in den Tagen der Goldschmidt'schen .Einheit
des Judentums" nicht laut und oft genug betont werden
kcinnen!
Sehen wir auf der einen Seite, wie wenig gemeinde-
bildender Kraft der Zwangsorganisation innewohnt, so lehrt
andererseits die Geschichte, wie gerade bexor und bis dieser
Zwang einsetzte, am Baume der freien Opferwilligkeit die
schönsten Blüten jüdischen Gemeindelebens erwuchsen. .So
lange die Judenheit existiert, in der Diaspora und früher,
bildeten die an einem Orte zusannnenwohnenden Juden
Gemeinden, hatten ihren Vorstand, ihren Ausscluiü, ilire
Statuten, ilire Vereine, üire Stiftunt^en, ilire Gotteshäuser,
Sclnilen und Lelirhäuser, bewiesen eine Konsistenz und eine
Leistun^sfähi5i;l\eit, die sie in den hefti^^sten Stürmen wider-
stelien und den exorbitantesten Anforderun.ü;en jjenügen
ließen, waren sie die bet;:eisterten und opferfreudi^'en Ptle^er
^eisti^er und sittlich \ eredelnder Crixenntnis, die (^eisti^e und
sitthche Bildung in die letzte Hütte ihrer Gemeinschaften
trug, und entfalteten oiine staatlichen Zwang, ohne
staatliclie Fcirderung; ja unter der Ungunst aller
politischen Verhältnisse ein wahres Gemeinde-
leb-en. — _Uem alten Juden stand, und den treuen Söhnen
dieses alten Glaubens steht noch heute die Genieindepflicht
d. h. die Pflicht der örtlichen Gameinschaft seines religiösen
Bekenntnisses mit Geld und Wort und Tat anzugehciren.
oder wie der jüdische Ausdruck ist. ..die Gemeindelasten
mitzutragen und mit den Gemeindeangelegenheiten sich zu
beschäfttgen", obenan in dem religiösen Pflichtkode.x eines
jüdischen .Wannes. l ind wie es nicht des staatlichen Diktates
bedarf, iim zur Scliüellnng seines Geschäftes, zur Einstellung
seines Gewerbes am wöchentlichen Sabbath zu treiben. \x ie
er ohne staatlichen Zwang sich all den Opfern und V.ni-
sagungen freudig und freiwillig unterzieht, den seine reli-
giöse Gesetzestreue \on ihm fordert, wie sein religi()ses Ge-
wissen Noilkommen für die religiöse Gestaltung seines
indi\iduellen und Familienlebens ausreicht, so reicht es auch
\()llkonnnen für die pfliclugetreue L()sung seines Gemeinde-
lebens aus und nur xon diesL'm religiösen Pflicht-
gefühl getragen hat sich und w ird sich jederzeit
ein wahres Gemeindeleben erzeugen" (Prinzip der
Gewissensfreiheit S. llff.). l nd in der Denkschrift (S. '^i:
-Fben es. eben dieses alte, jüdische Judeiuum, das man das
orthodoxe nennt, es zittert am wenigsten, ihm bangte nicht.
wenn der Staat ihm seine schützende liand auch ganz ent-
z()ge und es in sollster Freiheit sich selbst wieder ainer-
traute. Dem Bekenner des al t eii .1 u d en tums sind
die religi(")sen Institutionen kein Fciertagszube-
Iiör für die Feierm(»mente des Lebens, er kann
ihrer für keine Stunde des Lebens en traten, sie
sind ihm die Begleiter und Leiter des täglichen
Lebens in allen seinen Gestaltungen, und da ihre
gedeihliche Pflege weseiulich ilem Scholle einer Genossen-
schaft anvertraut ist. so steht Gemeindepflicht, so
steht die Hörigkeitspflicht zu einer Ortsgemeinde, sobald
sie die Seine ist. gleich ihm der Gesetzestreue
pflegt, in demselben r e I i g i (") s e n P f I i c h t k o d e x .
aus welchem er alle seine übrigen Pflichten sclicipft. So
lange es orthodoxe Juden gibt, so lange wird es jüdisciie
Gemeinden geben!"
.Aber der Zwang zur Gemeinsamkeit ist nicht nur aul.ier
Stande wahres Gemeindeleben zu erzeugen: er ist. aus eben
denselben Gründen und Folgen, die seine gemeindebildende
Kraft zersK'iren. auch schon Gewissenszwang. A\an hat
es so darzustellen beliebt, als stünde in S. R. Hirsch's Ge-
dankenwelt, in seiner Forderung nach .Aufhebung der staat-
lichen Gemeindeorganisaiion die Rücksicht aut die Pieitrags-
pilicht der Disseinierenden obenan. Von jenem b()sartigen
S\koplianteinum zu schweigen, ilas wider besseres Wissen,
um bei Parlament und P)eli(")rden und in der Oeffentlichkeit
die Lauterkeit seiner .\\oti\e zu entwürdigen. ..Geldrück-
sichten" als Antrieb der .Austrittsbewegung denunzierte! .Aber
auch objektiver Denkende, ia selbst Freunde und Vertreter
der Gemeinschaftsfreiheit haben sich tlurch das Schlagwort
von der .Steuerersparnis" insoweit irreführen lassen, dal.i sie
vermeiiUen Sainson Raiihael Hirsch habe das Schwergewicht
seiner Gründe auf die Sleuerpflicht begründet, habe die .Aus-
trittspflicht vor Allen tiaraus hergeleitet, dall man einen
Orgelkult und andere Reformwerke nicht mit Geld uiUer-
stützen dürfe. Es steht um diese Behauptung nicht viel
besser als um jene ähnlich klingende Beschuldigung, mit
der man den politischen Liberalisnuis der Konfliktsperiode
verdächtigte: ..Diesem Ministerium keine Groschen", sei seiner
Weisheit letzter Sclihiü. Fs ist wahr und soll ganz und gar
nicht bestritten werden, dalj S, R. Hirsch die Beitragspflicht
zu dem Budget einer Gemeinde, die auf neologem Boden
steht, für einen Gewissenszwang erkannt und gewettet hat.
..In der Tat ist ja auch der Pflichtbeitrag zu einer religiösen
Institution kein blolies Geldeinzahlen, ist vielmehr selbst ein
Svnibolum. eine Bekenntnistat. die den Ausdruck der Aner-
kennung und Hörigkeit zu dem Prinzip und den Zwecken
dieser Institution involviert." (Prinzip der Gewissensfreiheit
S. 8.) Und in der ..Gehorsamsten Vorstellung" von 1858:
weil wir die jenseitigen .Anstalten nicht benützen dürfen,
weil die jenseitigen .Anstalten auf der Basis der Verleugnung
uns heiligster Religionsgrundsätze stehen, und die Bekämpfung
und Vernichtung unseres eigenen uns unverbrüchlich heiligen,
alten, orthodoxen Judentums als Ziel ihrer Wirksamkeit ver-
folgen, somit wir in Mitunterhaltung derselben uns an
Werken zu beteiligen gezwungen werden, die vor unserem
Gewissen die schwersten Versündigungen sind darum
fordern wir die Befreiung dieser Beitragspflicht." (S. 24.)
.Aber, so grol.les Gewicht dieser Gesichtspunkt mit vollem
Recht beansprucht und eiimimmt: er ist nicht der einzige,
nicht der ausschlaggebende in seinem Svstem. Schiede die
Steuerfrage aus der Debatte auch völlig aus. machte die
Reform der Orthodoxie in Geldfragen auch die weitgehendsten
Konzessionen auch dann müüte. was innerlich längst ge-
schieden, sich auch äußerlich scheiden, wäre eine Zusammen-
fesselung der religiös Getremnen in eine konfessioneile Ge-
meinschaft schlinnnster verhängnisvollster Gewissenszwang,
weil sie beide Teile zur Gewisseiisknechtung anhält, die
einen zur Duldung von Sacrilegien verpflichtet, den .Anderen
Heuchelei und unangebrachte Rücksichtnahme zunuitet. Zu
dem Pathos eines alten Sehers erheben sich S. R. Hirsch's
Worte, wenn er auf die, nach beiden Seiten hin, un-
heilsvollen Folgen hinweist, welche der Gewissenszwang der
staatlichen Gemeindeverfassung gewirkt und geschaffen hat.
..Wie anders stände es um das Judeiuum in der heutigen
Judenheit. hätten die Staaten das jüdisch-religiöse Gemeinde-
leben, wie von je. so auch da noch sich selbst überlassen,
als der Jude mit .Anfang des Jahrhunderts in den Kreis
des europäischen Kulturlebens einzutreten begann und damit
die gegensätzlichen Richtungen iinierhalb des Judentums sich
zu emfalten begannen! Sich selbst überlassen und nicht zu
aussichtsloser feindlicher Dmarnnmg gezwungen, hatten sich
die Gegensätze gar bald geklärt, hätten in der Freiheit 'sich
nebeneinander einfaltet, hätten mir einen geistigen, sittlichen
Wettkampf siegreicher Betätigung des einem jeden inne-
wohnenden Kernes der 1 ieberzeugungen bestanden und hätten
in eben solcher |-)etätiguiig um tue Palme der Wahrheit
gerungen. Fs hätte dieses alte Judentum, wie es von je ein
treuer Hüter und Pfleger der geistigen Schätze seiner natio-
nalen Wissenschaft und Litteratur und gleichzeitig keineswegs
den geistigen Strömungen seiner l 'mgebung versclilt)ssen
war, es hätte dieses alte Judentum gar rasch sich mit allem
Wahren und Fdlen der europäischen Bildung befreunilet
und. indem es fortgefahren hätte, seine Inslituiionen der Fr-
kenntnis und des Lebens, die unter dem Drucke seine
geistigen Hebel und sitttlichen Frhalter waren, nun in der
.Atmosphäre tler Freiheit noch blülenreicher zu entfalten, so
wäre gar bald dem l-iewuLitsein der Staaten die Erkenntnis
aufgegangen, welche Schätze der Erleuchtung und Ge-
sittung denn doch elieses alte Judentum bei seinem Eintritt
in das europäische Kulturleben als .Angebinde den Völkern
mitzubringen habe, lind neben iliesem lebensfrischen. uii-
verkümmerten. heiterernsten, alten Judentum hätte dessen
^<>
jüngste Toc!iter. die Reform, offnen Boden zur Ent-
faltunir jjehabt. wäre, auf sich selbst ojewiesen, ^e-
z\\un*ien «gewesen statt in blolkn Nejjationen in positiven
Schöpfungen sich zu üben, und statt ihre Gebilde den hi-
stitutionen des alten Judentums gewaltsam einzuimpfen
und diese zu verkümmern, ohne selbst zu eigener Blüte
zu kommen, wäre sie genötigt gewesen in Schöpfung
eigner histitutionen ihre Lebenskraft und Lebensfähigkeit zu
erproben , . . .Alles dieses iiat der vielgepriesene Zwang
vereitelt. Indem er die beiden wie Satz und Gegensatz
unversöhnlichen Elemente zusanunenhielt. brachte er die
gebildeten Söhne der Reform zu fanatischer Feindschaft und
Zerstörung der alten religiösen Heiligtümer und die treuen
Hüter dieser Heiligtümer zu scheuer Elucht xor einer
Bildung, die ihr nur in religiösem VVidersatz entgegentrat.
also, dai.i lange, lange bei den Gebildeten das religiöse
Leben und bei den Religiösen die Bildung verkünnnern
muOte und \erkünunerte. Und dieser Zwang, der die dis-
paratesten Gegensätze in den heiligsten Anliegen der
Menschen gewaltsam zusannnenhielt, hat permanenten Zwie-
spalt und Hader in Gemeinden, Familien und Häusern
genährt, hat die Wahrheit des religiösen Lebens aus Gottes-
häusern und Schulen gescheucht, hat an die Stelle der
Klarheit der Erkenntnis und der Entschiedenheit der Ge-
sinnung einen Geist der Konnivenz und der Rechnung
tragenden Klugheit erzeugt, der nur die Mäimer als die
rechten .\\änner der Zeit begrüßte, von denen er vertraute.
sie würden im ..rechten Verständnis" der Zeit und im ver-
meintlichen Interesse des Friedens das Religiöse zu einer
Reihe hohler Phrasen zu umwandeln verstehen, dal.) darin
alle Gegensätze, das bekennende Ja und das leugnende
Nein religiöser Deberzeugungen, ein friedliches Neben-
einander finden Es ging ja nicht anders. Es muLlte die
Aequilibristik pastoraler Klugheit, eine sonst inr Judentum
unbekannte Kunst, an die Stelle der Aufrichtigkeit in Lehre
und Leben treten, und die Wahrheit, das einzige Element
eines jeden echten religiösen Lebens, als Störenfried aus
dem Kreise der Lebendigen \erscheuclit werden. Indem
der Staat konfessionelle Gegensätze \'on solcher
Kontrarität, wie die jüdische Reform und die
jüdische Orthodoxie, zu einer Religionsgemein-
schaft gewaltsam zusammen zwängte, sprach —
ohne es zu wollen er es aus, d a ü im religiösen
Gebiete .Alles einerlei, somit Nichts etwas sei.
ward er ganz ei gentlich der Vater und Erzeuger
jenes Nihilismus, den er gewiLi nicht als lieil-
vollen Factor für die Völker- und Staatenbildung
begrül.it. So sieht der Gewissenszwang aus. dem S. R.
Hirsch durch die Austrittsfreiheit der dissentirenden Glieder
begegnen willl L'nsere Zeit, die nur die reellen Faktoren
im Staats- und Gesellschaftsleben zu begreifen, zu würdigen
weill. mag diese Auffassung weltfremde Verstiegenheit,
theoretisierende Speculation bedünken! Ihre überzeugende
Kraft kann darunter nicht leiden; schon hat die Gescliichte
ilir Recht gegeben, und die Zukunft wird dies Urteil nur
bestätigen.
..Austrittsfreiheil" hierüber noch ein Wort! S. R.
Hirsch hat diesen Ausdruck gelten lassen, weil er die
faktische [Rechtslage knapp und präzise umschreibt; dem
Sinne nach hat er ihn nie gebilligt. Denn ihm bedeutete
die gesetzlich erzwungene, formelle Austritts-Erklärung
nicht, dal.) der Dissentierende vom Alten sich schied, „in
uns lebt die .Wuttergemeinde fort, von welcher die Gegner
ausgetreten. Nicht die Ausscheidenden die Zurückge-
bliebenen sind wir, der letzte Rest der bei den väterlichen
Heiligtümern des \on jeher bestehenden Judentums treu
Gebliebenen!" AAochten die Gebäude, die Stiftungskapitalien,
die alten Einrichtungen, selbst die Grabstätten der Ahnen
im Besitze der Neologie verbleiben Jüdische Gemein-
schaft, eine jüdische Gemeinde ist ihm nur die zu nennen
und zu schätzen, wo die Fahnen des alten, wahren, ortho-
do.xen Judentums wehen, wo „Tliora. Aboda und Qemillus
Chassodim theoretische Kenntnis der Thora. praktische
Verwirklichung ihrer Anforderungen und Liebung selbst-
tätiger .'Menschenliebe" als des Judentums Merkmal gelten.
S. R. Hirsch hat \ieler Menschen Städte gesehen und
ihren Sinn erkannt, lind mag, wie er ihn erkannt, noch
so x'ielen in unserer Zeit unverständlich, irrig erscheinen;
mögen sie ihn als Stcirenfried \ erschreien oder als A'\ystiker
zu verspotten wagen; in seinen Ideen zur inneren Politik
des Judentums ist mehr Wahrheit und Klarheit, mehr sitt-
licher Ernst und weitschauendes EwigkeitsbewuLitsein als in
all den l^anaceen zur Heilung unserer Gemeindenöte, die
gerade unsere Zeit in beängstigendem Uebermaüe zu
produciren sich berufen dünkt.
Samson Raphael Hirsch als Erzieher.
Von Dr. J. Wohls:emuth in Berlin.
„Rembrandt als Erzieher", wie ein Blitz fuhr dies Buch vor
etwü zwei Jahrzehnteil in die deutsche Welt, erweckte stürmische
Begeisterung und entflammte junge und alte Herzen. Deutsche
Art und deutsches Wesen waren noch nie mit so jugendlichem
Feuer gepriesen, mit so überlegenem Wissen geschildert, mit
soviel Kunstverständnis und ästhetischem Feingefühl gezeichnet
worden.
Wer gibt uns das Buch: „S. R. Hirsch als Erzieher", wer
gibt ('S uns Juden so, wie es der große Unbekannte, der
anonyme Verfasser in jenem Werke den Deutschen gegeben?
Das würde ein Buch in dem all die Hoffnungen Israels zu
frischem, fröhlichen Leben erwachten, die uralten Wahrheiten
in lichter Klarheit sich wieder offenbarten, das heilige Gesetz
seine beglückende und beseligende Macht entfaltete, und die
ganze neu sich erschließende Gedankenwelt wäre aus dem
Geiste Hirschs geboren, wir hörten nicht nur die Worte des
großen Mannes, seine Seele sti;.>ge hernieder, und die wun-
dersaine Melodie, mit der sie die Mitwelt in ihren Bann zau-
berte, da sie noch auf Erden weilte, erklänge wieder in einer
neuen Harmonie. In einer Harmonie voll Kraft und Anmut,
vol! Lieblichkeit und berauschender Fülle, die unser führerloses
Volk, unsere geistesarmen und willensschwachen Scharen mit
ungeahntei Erkenntnis, mit flammender Begeisterung erfüllte,
daß die alte, sturmerprobte Fahne des gesetzestreuen Judentums
uns zu neuen Siegen führte, wie in der Vorzeit.
Wir haben dies Buch nicht, und wir erhalten es wohl
nicht ip Bälde. Wir stehen dem Großen noch zeitlich zu nahe,
als daß es Einem unter uns gelingen könnte, alle Strahlen
dieses Geistes zu sammeln und sie in neuen Lichtern zu ver-
körpern. Vielleicht ist es aber gestattet, in dieser Festesnummer,
die dem Andenken Hirschs geweiht ist, ein paar lose Gedanken,
einige anspruchslose Sätze vorzutragen, winzige Bruchstücke
jenes Buches, das dereinst in seiner Vollendung uns von dem
Berufener, gespendet wird.
Einer ganzen Anzahl theoretischer Erörterungen wohnt nicht
soviel Beweiskraft inne, wie einer einzigen lebendigen Er-
fahrung. Darum will ich erzählen, wie Hirsch ni i r zum Er-
ziehe'- wurde. Einundzwanzig Jahre alt war ich geworden, in
einer Gemeinde, wie Hamburg, aufgewachsen, und keine Zeile
von Hirsch war bisher in meine Hand gelangt. Vielleicht war
es so gut und noch besser, daß ich, als ich nun die Universität
bezog, zuerst über die Jahrgänge des „Jeschurun" geriet.
Nirgends ist Hirsch so ganz Hirsch, nirgends tritt das
Geniale seiner [Persönlichkeit so unverhüllt hervor, wie in den
ersten Jahrgängen des ,, Jeschurun." Er steht in der Vollkraft
seines Schaffens, eine blühende Gemeinde zaubert er aus dürrem
Boden, er bildet Menschen nach seinem Ebenbilde, seine Welt-
anschauung, vor Jahrzehnten schon in großen Zügen von ihm
erfaßt, ist ausgereift, sein sicherer Besitz geworden, die Werke
der Zukunft liegen vor seinem geistigen Auge, und jetzt auf dem
Höhepunkt seines Lebens, im Glücksgefühl des Errungenen, im
Bewußtsein seiner providentiellen Aufgabe hält er seine Reden
an die jüdische Nation. Es sind Reden auch für den Leser,
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aber Reden wie der I^ropheten Rede, nicht für den Tag geboren,
sondern füi alle Zeiten. Und auch mich ergriffen sie mit elemen-
tarer CJewalt. Solche löne hatte ich nocii nie vernommen. Icn
war in dem Alter, in dem die Widerstandsfähigkeit gegen die
Fluten der aus allen profanen Wissenszweigen herandrängenden
Probleme geschwächt ist, da all die stickigen Dünste das Hirn
umnebeln, da brauste der Sturm der religiösen Begeisterung
aus diesen Reden lierxor und verscheuchte die Nebel. Die
eiserne Konsequenz, das ,,Und dennoch!" das aus jeder F^ede
spricht, sie wurden Stab und Stütze dem im Dunkel Wandelnden.
Es war kein Zufall, da(5 ich gerade mit dem „Jeschurun" im
Arm dem (betriebe der Großstadt entfloh und die Wälder der
Mark durchstreifte. Ein Urwüchsiges, ein völlig Ursprüngliches,
ein Stück Natur war für mich in die Erscheinung getreten.
Und nui in Gottes freier Natur, wo die Brust sich weitet, der
Blick unbehindert in die Ferne schweift und mit den Sinnen
auch der Geist sich zu Großem erhebt, nur dort schien mir
der rechte Rahmen gegeben für das grandiose Bild, das Hirsch
mit Meisterhand entwirft.
Auch die kargen Reize der Mark entschleiern dem, der sie
mit offenem Auge sucht, die Züge der Schönheit und Erhaben-
heit in der Natur. Auch hier Wald und Feld und Berg und
Tal, unü Blumenduft und Vogelsang, ins scheinbar Unendliche
sich dehnende Binnenseen, das blaue Himmelsgewölbe und tlas
Spiel der Sonnenstrahlen in allen Farbenwundern, das wechsel-
volle Lied der Windsbraut und das Jagen und Treiben der
phantastischen Wolkengebilde. Ich wandere durch eine roman-
tische Schlucht. Immer schauriger gestaltet sich die Umgebung,
immer steilei schlängelt sich der I^fad, die Bäume dicht anein-
andergereiht, wuchernder Pllanzenwuchs, kein Sonnenstrahl fällt
hinein. Dunkel umfängt mich, Totenstille ringsumher. Tief
unter mir in gespensterhaft düsterem Scheine ein Gewässer. Da
schimmert es hell durchs Gebüsch, ein Schritt und tief aufatmend
begrüß ich das Sonnenlicht. Und ich greife zum „Jeschurun"
und lese die Thischribetrachtung: „Des Juden Katechismus ist
sein Kalender" und mich erfaßt ein unendliches Sehnen, den
werbenaen, mahnenden, lockenden Worten durchs Leben zu
folgen, durch Nacht zum Licht mich durchzuringen, „von Morgen
zu Morgen, von Frühling zu Frühling zu zählen," daß auch
mein Tag sei „ein Tag, der mit dem Morgen anbricht und zum
Mittag steigt und mitten durch die Schatten der Nacht doch
sicher wieder zum Morgen geleitet." Ich k.-nne kein Produkt der
nachbiblischen jüdischen Literatur, das in einer einzigen Be-
trachtung eine solche Fülle von Gedanken, einen s») uner-
schöpflichen Stimniungsgehalt gegeben, wie diese Thischribe-
trachtung. Ists ein Wunder, daß sie mir an diesem Orte in
dieser Zeit gelesen unvergeßlich geblieben, in ihren Wirkungen
für mein Seelenleben nicht zu berechnen ist?
Ein anderes Mal: Ich habe die höchste Erhebung eines
Walürückens erstiegen. Auf den Sammetboden von schwellen-
dem Moos hingelagert, blicke ich nach« oben in das azurne
Blau des Himmelsgewcilbes und durch eine Lichtung schweift
das Auge über den See bis dahin, wo Himmel und Erde sich
küssen, wo die verschwimmende Linie des Horizont die .\hnung
eines Unendlichen weckt. Nicht in der Studierstube über den
scholastischen Beweisführungen der Alten brütend oder liber
den Hirn und Mark aussaugenden Systemen der neueren Philo-
sophie gebückt, hier im Angesicht des Himmels und der Erde
wird die Unendlichkeit des Raumes, die Ewigkeit djr Zeit zur
lebendigen Vorstellung. Und ich lese im ,, Jeschurun" den Weck-
ruf: „Der Jude und seir.e Zeit" und zum unverlierbaren Besitz
wird mir die Wahrheit: das Judentum ist nicht zeitgem.'iß, und
sem höchster Ruhm ist es, daß es nie zeitgemäß gewesen. Wie
lächerlich klein erscheint die Zeit gemessen an der Ewigkeit,
wie bedeutungslos die herrschenden Ideen einer Zeit gegenüber
dem von (iott übermittelten (jcsetz an Sein v'olk, dem es
selbst und die Menschheit heranreiten soll im ewigen Wandel
der Geschlechter.
ich raste im Laubwald. Um mich ein reges Leben und
Weben, eine reiche Flora und Fauna. Kaum fassen die in der
Großstadtluft verkümmerten Organe all die Welt von Luft und
Duft, von Klang und Sang, vcyii wimmelnder Regsamkeit, die
hier sieh entfaltet. Man sieht förmlich die Säfte emporsteigen,
hier welkende Blüten, dort schwellende Früchte. Aus der Ferne
der Ruf des Kukuk, hoch über uns pfeift der i'irol, aber
schmetternd übertont sie der Sang der Drossel. Ein Lächeln
tritt auf unsere Lippen. Der Specht ist wieder einmal um den
Baum gerannt, und recht einfältig schaut er aus, er sieht sich
wiedei genarrt. Es raschelt in den Zweigen, hoch oben im
Wipfel wiegt sieh das Eichh()rnchen und blinzelt mit seinen
klugen Aeuglein herab auf den Eindringling. Aber erst am
Boden, was für ein geschäftiges Treiben! Insekten aller Arten
schwirren heran, saugen an den Blüten im Unterholz und ent-
eilen geschwind. Die mannigfachsten Käfer versuchen ihre be-
scheidenen Kletterkünste an den am Boden liegenden Zweigen,
aber ernste! und schwerer Arbeit sehe ich die beiden \meisen
hingegeben, die mit ihrer Last sich nun gemeinsam so lange
schon mühen und sie doch erst eine kleine Strecke fortbewegt.
- Und hier, \öllig hingegeben der Betrachtung der Natur, sinne
ich der Gedankenwelt Hirschs nach, hier erwachsen in mir seine
Ideen über das (iottesgesetz zu neuem und mir für alle Zeit
urLigeiiPü Leben. Baum und Strauch, Halm und Blume, die
Tiere, groß und klein, hinab bis zum Unscheinbarsten, sie alle
folgen dem göttlichen Gesetz, und nur weil sie es befolgen,
treu und verläßlich, nicht um Haaresbreite weichend von dem
ihnen gewordenen Gebot, darum zeigt sich uns die Natur in
der Pracht der Vollendung, darum die von keinem Mißklang
gestörte Harmonie. Und der Mensch? Und die Menschheit?
Sie sollte die Krone der Schöpfung sein, in ihrem Wirken und
Streben eine zweite Natur, eine noch herrlichere erstehen lassen,
sie sollte deir ihr gewordenen üottesgesetze in Freiheit sich
beugend aus eigener Kraft eine Harmonie schaffen, in der
Himmel una Erde sich vermählte, Seele und Körper, Geist und
Natur zu einem wunderbaren Gebilde sich zusammenschlösse.
Aber noch gilt das Dichterwort: „Die Welt ist vollkommen
überall, wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual."
Denn wir sind von der Natur abgefallen, von unserer Natur,
von d e ii Gesetzen, die allein unser Wesen so gestalten können,
wie es in Gottes Plan lag, da er den Menschen in Seinem
Ebenbilde schuf, daß er Sein Stellvertreter sei auf Erden, daß
„das remt Gottes Willen vollbringende Wirken des Menschen
die Gottheit enthebe des Niedersteigens zur Erde, sie enthebe
des unmittelbaren Vollbringens ihres Willens im irdischen
Kreise." Und nicht eher wird die Schöpfung in ihrer Vollen-
dung erstrahlen, als bis wir an der Hand der göttlichen Lehre
ein anderes Dichterwort beherzigen: ,, Suchst du das Größte,
das Höchste? Die Pflanze kann es dich lehren! Was sie wil-
lenlos ist, sei du es wollend! Das ist's!"
Die Ufer der Havel im Schimmer der Abendröte. Ringsum
ein Kranz vor. Waldeshöhen in allen Farbennüancen des Grün.
Unten die leicht gekräuselten Wellen im funkelnden Rot. Und
am Fuße der Hügel die Häuser der Reichen, Marmorbilder
lugen hier und dort aus dem Grün des Waldes hervor, und auf
einzelnen Höhen in stolzer Pracht, in antikem Gewände die
Schlösser des preußischen Kc'migshauses. Schimheitstrunken um-
faßt der Blick diesen Erdenwinkel, den Kunst und Natur mit
soviel Anmut geschmückt. Dies Bild wird mir zum Symbol. Ich
sehe Hellas vor mir mit seinen Tempeln und Statuen, seinen
Festen und (lesängen, der Musik seiner Sprache und dem
zwingenden Zauber seiner Dichtung. Warum ward nicht uns die
Lebensfreude und der dem Glücke des Diesseits zugewandte
Sinn des Hellenen? Und der ,, Jeschurun" gibt die .Antwort.
1-ie Kislewbetrachtung ,,Der Hellenismus und das Judentum"
ist IS, die den Widerstreit löst in des Jünglings Brust, den
inneren Kampf beendet, der sich so oft, wenn auch unbewußt,
im Innern unserer jüdischen akademischen Jugend abspielt. Die
besten Jahre hat sie dem Humanitätsideal der Antike geopfert,
in glühenden Farben wurde ihr die Welt des Schönen ge-
schildert, wie sie bei den Hellenen in nie wieder erreichter
Vollendung sich entfaltet hat. Und demgegenüber der strenge
Ernst des jüdischen F^flichtenlebens, die klare aber darum oft
Harte und poetischer Form entkleidete Arbeit talmudischer For-
sehungsinethode. Aber Hirsch läßt sich also \ernehnien:
„Nicht umsonst hat (iott seine Welt mit dem Ocwand des Schönen
umkleidet, in Formen und Töne das Ciesetz der Harmonie gesenkt und
dem Menschen Aug' und Ohr geöffnet, diese Harnionieen zu erfassen
und sich ihrer im Geiste und Ciemüte zu erfreuen. iWit jeder l::mpfin-
dung des Erhabenen, die dem Menschen der bestirnte Hinuiicl mui das
Strahicndiadem der kommenden und scheidenden Sonne bringt, mit
jeder Freude die er an der .Anmut und der Schönheit einer BhiiTic
empfindet, wird er iiber den engen Kreis beschränkter Nützlichkeit ge-
hoben und ein Ton in seinem Inneren angeschlagen, der in inniger
Verwandtschaft zu der noch höheren Empfindimg für das sittlich Schöne
steht imd ihn der limpfänglichkeit für dieses um einen bedeutenden
Schritt näher bringt.
l'nd weil der allgütige Schöpfer die Freude am Schönen, eben als
Vorstufe für seine höhere Vollendung, tief in die Brust des Menschen
gelegt und in diesem durch das Schönheitsgefühl veredelte Dasein, der
Mensch erst wahrhaft seiner selbst froh wird und zum heiteren (leniili
des irdischen Daseins ersteht, dartini eben verwirklicht sich der Seher-
spruch an dem Triumph des japhetischen (ieistes über alle <iemüter,
darum öffnen sich rasch und gern die l'forten des (iemütes der hel-
lenischen Kultur; tind der Kalokagathia, der durch das (lefühl des
Schönen vermittelten Tugend griechischer Bildung, ist der verheißene Sieg
gcwili."
41
Wk nun Hirsch des Weiteren zeigt, daß das Schönheits-
ideal des Hellenismus dennoch nur eine Vorstufe des Judais-
mus ist, daß der semitische Geist erst die Erfüllung und die
wahre Vollendung der Menschheitsziele gewährleistet, das ist in
wenigen Worten nicht wiederzugeben. Unzählige Male habe ich
diese Abhandlung gelesen, Unzähligen sie zur Lektüre empfoh-
len, immer neue Anregungen für pragmatische Geschichtsbe-
trachtungen aus ihr empfangen.
Soll ich die Schilderung meiner Wanderungen fortsetzen?
die Beispiele werden genügen. Bald zwei Jahrzehnte sind seit-
dem dahmgegangen, die einzelnen Züge haben sich in der Er-
innerung vielleicht verwischt. Aber im Großen und Ganzen gab
ich ein treues Bild, wie Hirschs „Jeschurun" auf mich wirkte
draußen in Gottes freier Natur, wie Naturbetrachtung und
Hirschs Gedankenwelt sich mir zu einer Einheit gestalteten, und
gtmemsam mich bildeten und erzogen. Diese Einheit war keine
subjektive Zutat von mir. Sie ist in der Sache gegeben. Wie
jeder echte und rechte Erzieher ist Hirsch von der Natur aus-
gtgangeii. Das ließe sich durch Zergliederung seiner .■\ufsatze
und Abhandlungen erweisen. Doch solche philologische Klein-
arbeit kann hier nicht unsere Aufgabe sein. Sie erscheint auch
überflüssig, denn die Bewunderung für die Natur, das liebe-
volle sich Versenken in die unendlich mannigfaltigen Reize, in
die unvergängliche Schönheit, die sie dem aufmerksamen, sinnigen
empfänglichen Betrachter bietet, das alles ist zu sehr mit den
Kerngedanken von Hirschs Weltanschauung verknüpft, als daß
sich ein Zweifel regen könnte. Die Lebensbejahung, das (jlück
des Diesseits wird ja in allen möglichen Wendungen von ihm
verkündet Und er sollte die edelste Quelle des irdischen Glücks,
den ureigensten Lohn des gottergebenen, gottgetreuen Dieners,
die Freude an der gotterschaffenen Welt vernachlässigt haben?
Ein in seiner Schlichtheit rührendes Wort von Hirsch ist
mir berichtel worden. Er konnte und wollte nicht die heutzu-
tage beliebten jährlichen Sommerreisen unternehmen, konnte
und wollte in seinem Amte, in seiner rastlosen Arbeit nicht eine
längere Unterbrechung eintreten lassen. Einmal entführte sein
Schwiegersohn ihn nach de." Schweiz, Und a's e: heimgekehrt war,
da meinte er: Ich fürchtete mich immer, wenn ich einst vor
Gentes Richterstuhl erscheinen würde, vor der Frage: „Ich habe
eine so schöne Welt geschaffen, was hast du von dieser Welt
gesehen?'' Nun kann ich doch Rede stehen. Das schönste und
gewaltigste Stück seiner Erde habe ich geschaut!
Und wieviel Eindrücke hat er aus einer schlichten Rhein-
fahrt gewonnen. „Aus der Mappe eines wandernden Juden" sind
die Betrachtungen betitelt, die im Besonderen freilich an die
Gesprächt anknüpfen, in denen er mit Reisegenossen über die
trübe Gegenwart des Judentums, über seine Autgaben und
Ziele sich auseinandersetzte. Aber wie bricht da immer die innige,
unausrottbare Liebe zur Natur hervor. Eine Stelle von vielen:
„Was waren unsere alten Rabbiner für andere Männer! Wie Ilaben
sie in (iotti-b herrlicher Natur geatmet und gefühlt, gedacht und gek-
lebt! Wie haben sie unseren Sinn für alles lirhabene und Schöne in
der Schöpfung wecken wollen! Wie wollten sie aus Morgcnstrahl und
.Abendröte, aus Tageslicht und Schattennatht, aus Sternenschiinnier und
Blütenschmelz, ans Meeresrauschen und IJoniierrollen und Blit:a'snug
uns den Kranz der Verherrlichung unserem (iotte wieder lehren; wie
wfjihen sie in jedem Geschöpfe einen l^rediger seiner .Macht, einen
.Wahner an unsere Pflicht uns zuführen. Zu welcher (jottesoffenbai-ung
haben sie das Buch der Natur uns gemacht!"
Das Genie ist ein Stück Natur, ursprünglich wie die Natur
und schöpfend aus der Natur. Aber Hirschs Wirksamkeit, seine
Wiiksamktit als Menschenbildner allein aus seinem Verhältnis
zur Natui erklären zu wollen, wäre natürlich durchaus ver-
fehlt. Ist es doch der Geist des Judentums, der Geist des
göttlichen Gesetzes, den er in den Mittelpunkt all seiner Be-
tiuchttingen stellt. Ist doch die Naturbetraehtung für ihn nur
eines dei Hilfsmittel, um das Gottesgesetz in seinem Sinn zu
deuten Und haben doch die ,, Stubenhocker, die die Gottes-
herriichkeiten auf Erden nie geschaut" nicht minder im Bann
der Persönlichkeit und der (jedankenw elt Hirschs gestanden!
Er hat Seelen geschaffen. Darum mußte er seclenkundig sein.
U'iid in der Tat, jeder große Menschenbildner, jeder große Er-
zieher ist ein großer [Psychologe. Nicht in dem Sinne, daß er
die Systeme der Psychologie beherrscht, nicht einmal in dem
Sinne, daß in ihm eine genaue Kenntnis aller Schwächen unel
Leidenschaften, aller guten Keime und Triebe des Menschen-
herzen^ lebt und er nun s\stematisch und bewußt, die guten
Keime pflegt und die Schwächen nutzt. Der große Menschen-
bildner spielt das Seeleninstrument der ihm Ainertrauten w ie ein
großer Künstler. Er schafft die Harmonieen nach Gesetzen, elie
wir nachträglich - xielleieht ableiten und feststellen k(innen,
vfji' denen er seihst aber nur Weniges weiß.
Ich habe in einem anderen Zusammenhang ausführlich ge-
zeigt, wie von den Propheten bis herab auf die neueste Zeit
alle Führer in Israel, die einen entscheidenden Einfluß auf ihr
Volk geübt, die nicht nur theoretisch sein Wissen gemehrt, son-
dern es durch ihr Wort auch fortgerissen zur opferfreudigen Hin-
gabe an Gott und sein Gesetz, daß diese alle, was sie an Ge-
danken gaben, durch das Medium des Gefühls fruchtbar machten
für den Willen. Ich will zum leichteren Verständnis des folgenden
hier in aller Kürze noch einmal sagen, weshalb diese Tatsache
in psychologischen Gesetzen begründet ist.
Es hat in einer früheren Zeit an einer klaren Einsicht in
das Verhältnis der Seelenkräfte gefehlt. Man war der Meinung:
die Erkenntnis, daß etwas unrecht sei, das völlige Verständnis
für das Wesen der Sünde würde dem Mensch .m das Unrecht der
Sünde unmöglich machen. Man glaubte eben, der Verstand wirke
unmittelbar auf den Willen und übersah die Mittelglieder, die,
häufig allerdings unter der Schwelle des Bewußtseins, zwischen
dem Denken und Wollen die Kette schließen.
Diese unentbehrlichen Mittelglieder nun sind in dem Ge-
fühlsleben des Menschen gegeben. Die Welt der Gefühle ist
psychologisch freilich noch wenig erforscht, darüber aber herrscht
ziemliche Uebereinstimmung, daß das Gefühl im Seelenleben die
entscheidende und wirksamste Rolle spie't. Was j.'dem einzelnen
geistigen Zustande seinen eigentümlichen Charakter verleiht ist
verzüglich die Stimmung, die während desselben herrscht, ihn
bestimmt und durch ihn bestimmt wird. Ebenso wie bei den
unmittelbaren Empfindungen spielen auch bei dem Verlaufe der
Vorstellungen das Interesse und die durch das Interesse be-
stimmte Aufmerksamkeit eine wesentliche Rolle. Ebenso beruht
die Stärke der .Vorstellung auf ihrem Verhältnis zum Gefühl.
Aber auch bei aller Unabhängigkeit von den praktischen Be-
dürfnissen und den Forderungen des Augenblicks ist das Denken
dennoch stets mit einer gewissen Stimmung verbunden. Es sind
Gefühlselemente vorhanden, die nur so leicht übersehen wer-
den, wenn sie sich nicht in den Vordergrund drängen, sondern
sich dem Spiel der Gedanken unterordnen. Ein durchaus gefühl-
loses Denken (wie spekulative Philosophen es so oft gefordert
haben) existiert nicht. Nur vermöge der mit allen Vorstellungen
und Gedanken verbundenen (iefühlselemente wird die Er-
kenntnis eine Macht in der Seele. Es ist, psychologisch falsch,
wenn man so oft von dem Streit der Vernunft mit den Leiden-
schaften spricht. Direkt kann ein solcher Streit gar nicht statt-
finden Ein Gedanke kann ein Gefühl nur dadurch verdrängen,
daß es ein anderes Gefühl erregt, das im Stande ist, jenes zu
beseitigen. Wenn man vom Kampfe der Vernunft mit der
Leidenschaft redet, so wird eigentlich ein Kampf gemeint zwischen
den mit vernünftigen Rücksichten verknüpften Gefühlen und den
heftigeren mit weniger (iedankenelementen verbundenen Ge-
fühlen, die man mit dem Ausdruck Leidenschaft bezeichnet. Ein
Gefühl kann sehr stark und innig sein, ohne heftig zu sein,
wirel aber dann häufig übersehen. Die mit ideellen Zwecken
und Verhältnissen verknüpften Gefühle sind weit weniger als
di'; primtiven, mit den physischen Lebens'unktionen verbundenen,
(Jefühle im Stande, augenblicklichen Effekt und plötzliche ,^uf-
wallung zu bewirken. Die ideellen Gefühle sind mehr über
größere Zeiträume verteilt und wirken mehr im Verborgenen.
Und dennoch sind sie im Stande, sich Sehritt für Schritt des
Mittelpunktes der Seele zu bemächtigen, und die angesammelte,
ursprünglich von jenen Trieben beherrschte Energie in ihren
Liensten zu benutzen. — Das innige Verhältnis zwischen Gefühl
und Wille aber ist mit der Tats:iche gegeben, daß nur ein starkes
lebhaftes Gefühl Motiv des Willens ist. Erkenntniseleniente an
und für sich führen nicht zur Wil'ensbewegung.
Also (iedanken vermögen den Willen nur zu bestimmen,
wenn sie den Umweg nehmen über das Gefühl. Freilich eine
stete Inanspruchnahme des Gefühls schädigt seine Frische und
Lebendigkeit. Das gilt aber mehr von den elementaren Ge-
fühlen, von denen die durch einfache und sinnliche Reize er-
zeugt ouei von denen, die stets mit den gleichen .Wittein und
in gleicher Form angeregt werden. Die ideellen Gefühle aber,
d. li. diejenigen die mit einem größeren oder kleineren Kreise
\()ii Vorstellungen verknüpft sind und diejenigen, die durch
neue Gesichtspunkte oder anders gestaltete Formen wieder er-
weckt werden, können nicht nur ihre Stärke (wenn auch nicht
ihre Heftigkeit) behalten, sondern durch Wiederholung nur ge-
winnen. Die nämliche Summe von Energie, die im .Woment der
Erregung ausgelöst ist, läßt sich auch später auslösen, nur ge-
wissermaßen in mehrere Ströme verteilt l^as Genih" gewinnt a'so
an Mannigfaltigkeit und Innigkeit, was es an Frische verliert.
So wird gerade für die Welt der höheren Gefühle die Erkenntnis
und die Bereicherung der Vorstellungen von der größten Bedeu-
42
hing. Durch die Verbindung, die die Vorstellungen miteinander
eingehen, werden auch die Gefühle anders gruppiert. Durch
die Beziehung der Gedanken zu neuen Gedanken gehen die
Gefühle in neue Gefühle über.
Wer also durch das Gefühl auf den Willen dauernd wirken
will, muß so häufig wie möglich neue Gedankenreihen vorführen,
um ' die Vorstellungswelt des ihm Anvertrauten zu bereichern
und durch die neuen Vorstellungen einen neuen Weg zu seinem :
Herzen zu finden, er muß verschiedenartige Formen wählen,
um das Gefühl von Zeit zu Zeit an einem anderen hnde zu
ergreifen [
Was ich hier ausgeführt, ist von der Wissenschaft lestge- 1
stellt und in den svstematischen Werken der Psychologie zu lesen,
und es klingt doch so, als hätte ich das alles aus einer Analyse [
der litterari?chen Produkte Hirschs gewonnen, als hätte ich diese
Gesetze aus der genaueren Beobachtung seines Wirkens abge-
leitet. So sehr war seine Arbeit eine Erfüllung der psychologisch
gegebenen Aufgabe. Ja wenn es das Ziel des Menschenbildners
ist, dem Willen die Richtung zu geben und diesem Ziele mit
allen Mitteln, auf allen Wegen zuzustreben, und wenn der_ er-
folgreichste Weg, wie wir gesehen, eben der ist, eine Fülle
von Gedanken durch das Medium des Gefühls dem Willen zu-
zuführen, dann war Hirsch das Ideal des Menschenbildners.
ich setze bei dem Leser die Kenntnis der Werke Hirschs
voraus und begnüge mich daher mit Andeutungen. Den Willen
zu bestimmen und natürlich religiös und im Sinne des gesetzes-
treueu Judentums zu bestimmen, das stellt Hirsch sich ils Auf-
gabe. Es ist kühn, bei dem weitschichtigen Material, das als
Ergebnis einer so gesegneten nahezu sechzigjährigen litterarischen
Wirksamkeit vorliegt, eine allgemeine Behauptung aufzustellen.
Ich glaube sie wagen zu dürfen. Es gibt wohl keinen .\ufsatz,
keine wissenschaftliche Auseinandersetzung, kL'ine größere zu-
sammenhängende Stelle in seinen Komnu-ntaren, keine Besprech-
ung eines noch so entlegenen Themas, dii- nicht in irgend einer
Form auf das Ziel zusteuern, den Willen des Lesers ni be-
stimmen, d. h. für Hirsch: ihn zum Gehorsam gegen Gott und
Sein heiliges Gesetz zu führen. Die „Gesammelten Schriften",
die ein sehi gutes Bild der Vielseitigkeit und Mannigfaltigkeit
von Hirschs litterarischen Arbeiten geben, eignen sich am besten
dazu, diese Behauptung nachzuprüfen. „Die jüdische Heiter-
keit", „Die Kunst sch()n zu sein und lang.' zu leben", „Der
jüdische Gemeinsinn", „Einige Andeutungen über den hehr iischen
Unterricht als gemeinsames Bildungselement", das sind Aufsitze,
die mehr kulturhistorischen Charakter tragen, und doch wie sind
auch sie letzten Endes darauf angelegt, die Leser zu Juden zu
erziehen, zu willensstarken Juden, die in dem Bewußtsein v^)n
der allet überragenden Bedeutung ihrjr Religion, ihrer Sprache,
ihrer Kultur, ihrer nationalen Eigenschafien den Vorschriften
folgen., den gcittlichen (ieboten, die ihr ureigenes, besonderes
Wesen geprägt haben.
Soll ich hier den Nachweis führen, wie Hirsch den Willen
der Leser sich, oder besser seinen Zielen dienstbar macht durch
die Erregung des Gefühls, wie er mit unerreichter Meisterschaft
alle Saiten unseres Gefühllebens erklingen läßt, uns bald zur
seligen Lust emporhebt, bald in düsteren Schmerz versenkt;-'
Der haf nie seines (ieistes einen Hauch verspürt, der ,iicht m
allen Fibern erzitterte, dem nicht ein Rieseln über den Rücken
rann, wenn er dij Pjrleii unter Hirschs Kalenderbetrachtiingen
las. (jesänge sinds, aber Gesänge von einer seltenen Mannig-
faltigkeit. Da erklingt eine liebliche Weis.':')
Is Ifiichtut dtr Mond, .\tikl strahlt sein silbernes Licht. Linos
SiuulinL's Auge erträgt seinen Strahl, und spielend greift eines Säug-
lings Hand nach dem freundlichen Licht. .Wild diimniernd halt er Wacht
über die schlafende trde und gesellt sich als freundlicher h uhrer /u
dem Wanderer in der Nacht. Bescheiden entzieht sich dem Lorscherblick
sein stilles Wirken in dem Trieb der Kriifte, in der schwellenden Woge,
in den Schwingungen der Nerven, und nicht immer und nicht in stets
ßlcichcr Fülle grüßt uns sein Licht. In stetem Wechsel steigt uiul
fällt seine lichtige (irölie, wiichst aus völligem Dunkel zur ganzen Licht-
fülle empor lind ringt sich durch die Phase gänzlichen Verschcidens
immer wieder zu neuem Wachsen hinan. Sein Reich ist die Nacht, doch
weicht er auch nicht vor dem Tagesstrahl der Sonne. Vom ■sonnenglanze
vordunkelt, vollbringt er gleichwohl mitten unter Tagesherrschatt der
Sonne still und bescheiden die eigene Hahn. Ist bald em stiller he-
felciler der Sonne, und steigt bald herauf, wenn die Sonne gesunken.
Und diese liebliche Weise schwillt an zu immer volleren
Akkorden, und Sonne und Mond, „die verschiedenen Größen",
werden zum Svmbol der Vöilkergenien von Esau und Jakob.
Wehmut und Lust, Wonne und Schmer/ ertint in den ergreifendjn
Klängen jener Jjarbetrachtung zum C^cmn üN;
Line dunkel-hchte Zeit, mit ihren Schrecken und ihrem Erhabenen,
mit ihier Verzweiflung und ihrer Seligkeit, mit ihrem todumtlorten Le-
ben und ihren lebendurchdrungenen Toten steigt alljährlich mit diesen
') Adarbetrachlung- „Die verschiedenen drölien." (ies. Sehr. 1[. s. .)4.
-) Oes. Sehr. III S. 152.
Worten aus dem Grabe der Vergangenheit in die frisch-pulsierende Cie-
gen*art. — Was wollen die Toten unter den Lebendigen? Sie wollen sie
zu ihrem Tode und ihrem Leben begeistern.
Aber Wehmut und Lust lösen sich, sie verschmelzen zu dem
spornenden Gefühl, zu dem willenskräftigen Trieb, den Ahnen
gleich zu werden, die Hirsch nun schildert im Gegensatz zu
den lauen Bekennern des Judentums seiner Zeit: „Sie hatten
einen Eigner und kannten seinen Willen, sie kannten ihren Hort
und wußten sein Verlangen."
Wir können hier auf beschränktem Räume nur wenige Bei-
spiele vorführen. Jedem Kenner der Schriften Hirschs werden
sich viele andere bieten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang
besonders an die Nissanbetrachtung) : „Werden sie wieder auf-
leben, die dürren Gebeine?" Auch hier aus niederdrückenden
und emporführenden Gefühlsmomenten jene unnachahmliche
Mischung, welche den Menschen erhebt, wenn sie den Wenschen
zermalmt.
Aber die mächtigste Wirkung üben seine Reden, wenn es
wie Donner aus ihnen grollt, wenn er seinem Volk kündet sein
Vergehen, dem Hause Jakobs seine Sünde. Mit elementarer
Gewalt brausen die Sturmworte heran, das rüttelt und zerrt an
uns, das reißt uns empor, jeder Widerstand ist vergeblich. Da
ruft er uns auf zu heißem Kampf, hinauf, hinan, zu mutigem
Ringen um den Siegespreis. Da prasseln die Blitze des Spottes
und der Ironie gegen all die Ueberhebung und das törichte
Selbstbewußtsein entarteter Zeitgenossen. Auch hier müßten wir
die Betrachtungen ganz wiedergeben, wollten wir Beispiele an-
führeti. Ich erwähne nur unter den vielen die Nissanbetrach-
tung. „Denn siehe der Winter ist vorüber", „Der Jude und
seine Zeit", „L'er Religionsunterricht", „Das jüdische Ccremonial-
gesetz", „Die Trauer des neunten Aw", alle Thischribetrach-
tungeii usw.
Ich fürchte den Vorwurf, den der Talmud David entgegen-
hielt auf seine Worte yp-. -s ■•,-; p'-^rT „Gesänge sind mir
deine (iesetze." Ist die Betonung des Gefühlsmäßigen nicht
eine Entwertung dessen, was mit dem Anspruch unverbrüchlicher
Gültigkeit und Wahrheit auftritt? An andrer Stelle habe ich
gezeigt unc es mit Stellen belegt, daß im Talmud zwei Rich-
tungen herrschen, die eine, die die ästhetische Wertung der
Thorawerke verwirft, und die andere, die sie würdigt und aner-
kennt Und so mögen auch für die Schriften Hirschs die beiden
Anschauungen ihr Recht sich wahren und ich meine, es ist das
beste Kriterium für die wahre und unvergängliche Größe Hirschs,
daß Menschen von den verschiedensten Anlagen, die einen
mit zarterem Empfinde n und die anderen, die kühlen D e n k e r
und Kampfesnaturen, den Namen des Meisters mit gleicher
Verehrung nennen.
Freilich würde Hirsch nicht selbst gegen diese Hervor-
hebung des Gefühlsmäßigen in seinen Schriften entschieden
protestieren ? War er doch der geschworene Feind aller in Ge-
fühlen schwelgenden religiösen Betätigung. Die Aesthetisiening
der Religion, die Meinung, der Dienst Gottes erschöpfe s'ch
in einer ästhetischen Gestaltung des Gottesdienstes, in (Tior-
gesang und Orgelklang, prunkvoll erbauten Synagogen, diese
Meinung freilich 'war ihm in der Seele verhaßt. Aber bei
Hirsch setzt sich ja jede Gefühlserregung, wie wir gesehen,
um ii; einen Appell an den Willen, all die Tiefe der Empfindung,
alles Weiche und Zarte, alles Herbe und Harte, das er in seine
Worte legt, dient überall und immer einer praktischen Nutzan-
wendung, führt uns auf allen Wegen zu dem einen Ziele, zu
der Forderung des Gehorsams gegen das göttliche (iebot.
Entscheidend ist das Letzte. Hätten wir es in Hirschs
Schriften wirklieh nur mit Aeußerungen eines Gefühlslebens zu
tun, und wären die Aeußerungen noch so mannigfaltig, und
wäre das Gefühl noch so stark und ursprünglich, ihre Wirksam-
keit wäre eine vorübergehende, nicht von Dauer für den Ein-
zelnen und nicht hinüberreichend in kommende Zeiten. Die
Schriften aber haben Menschen gebildet in ihrer Zeit und wer-
den, das ist ohne Prophetengabe schon jetzt vorauszusagen,
auch künftigen Geschlechtern die Wege weisen. Und der Grund
hierfür, und das ist eben das Entscheidende, ist in ihrem Ge-
dankenreichtum gegeben. Die Gefühle sind nicht leer,
sondern getragen und erfüllt von einer schier überwältigenden
Masse an Ideen und Vorstellungen. Predigten, und mögen sie
noch s(; 'bedeutend sein, sind für ihre Zeit, bald lagert auf
ihnen Staub, sie veralten und verlieren immer mehr an ihrer
ursprünglichen, werbenden Kraft. Das gilt auch von den Dcra-
schahs da Mittelalters und der Neuzeit. Mehr als sechs Jahr-
zehnte sind verflossen, seitdem die Betrachtungen in den Jahr-
gängen des „Jescluirun" erschienen. In unserem Leben, in
unseien Anschauungen, in unserem wissenschaftlichen Denken,
:') Oes. Sehr IL S. 72.
43
haben sich außerordentliche Umwälzungen voll/ogen, a b e r
die Betrachtungen wirken, als wären s ie h e u t j ge-
schrieben. Denn es sind eben keine Predigten, und wollte
man sie als solche bezeichnen, so sind es Predigten von einer
einzigen Art. Und dies, weil die beiden anderen Momente:
die Bestimmung des Willens und die Erregung des Gefühls
wohl eine hervorragende Rolle in ihnen spielen, aber dennoch
in ihrer Bedeutung zurücktreten vor der Fülle d j r neuen Ge-
sichtspunkte, dem Reichtum nie geahnter Be-
ziehungen, die der Verfasser aus der Gedankenwelt des
Judentums vor unseren Augen entwickelt. Wir haben oben
ausgeführt, und es ist das ja eine tägliche Erfahrung, daß die
Gelühlserregungen sich abschwächen, je häufiger sie wieder-
holt werden, daß sie wirkungslos verpuffen und ohne alle
Früchte fürs Leben bleiben, wenn man ihnen nicht neue Kraft
einhaucht durch Verknüpfung und Verflechtung mit neuen Vor-
stellungen Daß das überall und ununterbrochen in Hirsciis
Schriften geschieht, ist bekannt und es erscheint in dieser Fest-
nummer, die bei dem Leser eine gewisse Vertrautheit mit ihnen
voraussetzt, recht überflüssig, dies durch Beispiele zu illustrieren.
Es hieße ja auch, eine ganze Weltanschauung entwickeln, eine
Weltanschauung, die zugleich dc-s scheinbar (ieringste und Wert-
loseste in der Welt berücksichtigt, wollten wir ein rechtes Bild
von dem Gedankenreichtum geben, der sich in diesen Schriften
entfaltet.
Zweifellos ist es vor allem das Verdienst des gewaltigen Gegen-
standes, der in den Betrachtungen und in den Kommentaren be-
handelt wird, daß wir diese F^ülle von Anregungen empfangen.
Ist's doch das Judentum mit dem von der Gottheit empfangenen
Gesetzbuch, seiner allumfassenden biblischen und nachbiblischen
Literatur, seiner xieltausendjährigen Geschichte. Und haben doch
alle Zeiten und Geschlechter auf diesem unerschöpflichen Boden
Schätze über Schätze gehoben. Es ist darum ein seltsamer F-infall,
wenn manche Verehrer, übers Ziel hinausschießend, und im völ-
ligem Widerspruch zu der wahren Eigenart des Meisters, der
sich überall mit bescheidener Zurückhaltung äußert, wenn sie
den Pentateuchkommentar - den Kommentar nennen und damit
die zweitausendjährige Geschichte der jüdischen Pentateuchexe-
gese aus ihrem Gedächtnis streichen wollen. Und doch ist seine
Schriftbetrachtung, seine Symbolik, seine Art, aus Gesetz und
Sitte, aus Litteratur und Geschichte das wahre Wesen des Ju-
dentums geschichtlich zu entwickeln, genial, genial in der
ursprünglichen Bedeutung des Wortes. Wie die
Natur überall den kürzesten Weg nimmt, wie sie mit den ein-
fachsten Mitteln arbeitet, so das Genie. Die schlichteste Beobach-
tung, ein Vorgang, den Unzählige gesehen, wird ihm zum Aus-
gangspunkt einer epochalen Entdeckung oder Erfindung. So Hirsch
in seinen Schriften. Immer wieder müssen wir es bedauern, daß
wir im Rahmen dieses Aufsatzes nur wenige Beispiele bringen
können. Das Schew uothfest, so wird in einer Siwanbetrachtung')
ausgeführt, das Fest der Gesetzgebung, das grundlegende und
wichtigste, ist auf nur einen Tag beschränkt, und die Feier ist
nicht mit einem Gebot verknüpft, die Thora hat kein Sym-
bol. Aus dieser Idee, diesem Samenkorn eines Gedankens ent-
faltet sich vor unsern Augen Wurzel und Stamm und Gezweig
unseres Lebensbaumes, das ganze Wesen der jüdischen Re-
ligion, der fundamentale Unterschied zwischen der Thora und den
heiligen Urkunden der Völker, zwischen dem Begriff Gesetz und
dem der „Religion." Und eine andere Siwanbetrachtung.-) „Es
sprach — Gott - alle diese Worte — zur Mitteilung." Es ist viel-
leicht der schlichteste Satz aus den Kapiteln über die Offenba-
rung am Sinai zum Ausgangspunkt gewählt, und wie reich be-
schenkt kehren wir von dieser Betrachtung heim ! Zugleich ist
diese Art ein gutes Stück grandiosen Anschauungsunterrichts. Daß
„das Maß der Thora weiter ist als die Erde und breiter denn das
Meer," das kann nicht deutlicher und dauernder dem Bewußtsein
eingeprägt werden als durch eine Betrachtungsart, der das un-
scheinbarste Moment, die schlichteste Bibelstelle Gelegenheit gibt,
uns zu zeigen, wi:- ö\2 Quelle des Thoragesetzes, des Thorawortes
in überschäumender Fülle auch an unbesuchten und ungekannten
Orten sprudelt.
Samson Raphael Hirsch als Erzieher! Wie er es mir durch
seine Schriften gewesen und warum er es mir gewesen, habe
ich zu zeigen versucht, und daß diese seine Wirksamkeit auf
psychologischen Gesetzen beruht und darum an jedem jungen
Juden sich bew ähren muß, der sich in den Bereich seiner
Erziehertätigkeit begibt, an dem er seine erzieherische Kraft ent-
falten kann, der zu seinen Schriften sich wendet und immer
') Oes. Sehr. I S. 80 fi.
-1 Ges. Sclir. III S. 163 li
wieder zi. jener Weisheit zurückkehrt, die einst der .Vlund des
Lehrers verkündet hat.
Samson Raphael Hirsch als Erzieher! Das wäre ein dank-
bares, fruchtbares, vielgestaltig zu behandelndes Thema. Ich
habe nur seine Schriften berührt, aber er hat ja auch eine
gottgesegnete praktische Wirksamkeit entfaltet, er hat ja Men-
schen gebildet Generationen hindurch, die Verlorenen zurück-
gebracht, die Verstoßenen gesammelt, eine blühende Gemeinde
schier aus dem Nichts geschaffen, die Jugend gelehrt, die
Männer gestählt. Und vor allem, er war Gründer und Leiter einer
höheren Schule, Pädagoge im engeren Sinne, und daß er hier
der rechte Mann auf dem rechten Platze war, lehrt der Erfolg.
Anregend und inhaltreich sind auch seine pädagogischen Auf-
sätze, die er zum Teil im „Jeschurun", zum Teil in .Schul-
programmen veröffentlicht hat. Letzten Grundes ist die Technik
der Pädagogik nur eine, es können daher nur immer die gleichen
Wahrheiter ausgesprochen werden. Auch will Hirsch eigentlich
nur den Nachweis führen, daß in Bibel und Talmud die gleichen
Sätze ausgesprochen werden, die heute Allgemeingut der Pä- ^
dagogeii sind. /■Demnach begegnen wir bei Hirsch Gedanken- ^Jit^
gangen, die der ganz modernen pädagogischen Bewegung ent-
sprechen. Eines der bekanntesten Bücher dieser Bewegung ist
Försters „Jugendlehre." Wer dies Werk liest, und mit den
Erörterungen Hirsehs vergleicht, wird überrascht sein, wie ähn-
lich hier und dort die Grundideen sind. Wenn es bei Förster
heißt, der Grundfehler unsrer Erziehung beruhe darauf, daß wir
die Moral als eine dem Kinde feindliche Macht hinstellen, die
immer zu verbieten hat und dem Kinde seine liebsten Wünsche
stört, während wir uns doch mit den natürlichen Trieben des
Kindes der Tapferkeit, dem Mut, dem Selbstbewußtsein ver-
bünden, ihm zeigen müßten, daß die Selbstüberwindung, die in
der Erfüllung der Sittengebote gegeben, der Ausfluß höchster
Tapferkeit ist, so vergleiche man damit Hirsch (Programm 1873):
„Des Kindes Stolz ist es „groß" zu sein und „groß sein" be-
deutet dem jüdischen Kinde dem Gottesgesetze vollen Gehorsam
zu leisten." Oder man vergleiche mit dem ausgezeichneten Ab-
schnitt „Erziehung zur Selbstständigkeit" in Försters „Jugend-
lehre" in der er in trefflicher Weise zeigt, daß es unsere
Hauptaufgabe sein muß, das Kind dahin zu führen, daß es seine
eigenen Wege geht, unbekümmert um die Anfeindungen, die es
dadurch von seiner Umgebung erfährt, man vergleiche damit
was Hirsch (in demselben Programm) über den Wert des
Minoritätsbewußtseins für die Charakterbildung sagt.
Aus vielen Stellen seiner Schriften geht es hervor, daß er,
der ein Lehrer der Großen war, auch in die Seele der Kleinen
sich vertiefen konnte. Goldene Worte spricht er über die in-
di\iduelle Behandlung des Kindes, und unwiderleglich, wenn
auch noch nicht allgemein anerkannt, sind seine Ausführungen
über das völlig widersinnige, unpädagogische und Geist und
Gemüt des Kindes verwirrende Erziehungsmittel der Märchen-
erzählungen. Hier möchte ich einen kleinen Zug einfügen, der,
mehr als alle theoretischen Erörterungen es könnten. Ihn als
den echten Kinderlehrer zeigt, aus dem die Liebe zu den Kin-
dern iu herzerquickender Frische hervorbricht. Er ist mir von
einem Augenzeugen berichtet worden. In der Synagoge zu
Frankfurt stellten sich die Kinder während der Predigt in den
großen freien Raum vor die Kanzel. Hirsch war mitten in seiner
Predigt, als mehrere Kinder zu weit vordrängten, und der Vor-
steher herantrat, um sie zurückzuführen. Da unterbrach Hirsch
seine Predigt: Herr.... lassen Sie die Kinder, ich spreche
zu den Kindern, für die Kinder, und nun folgte eine seiner
wirkungsvollsten Predigten, in der er, halb zu den Kindern,
halb zu den Erwachsenen gewandt, den Wert und die Bedeutung
des Kindes für die Zukunft des Judentums schilderte.
Aber was er seinen Zeitgenossen gewesen und dem engeren
Kreis seiner Gemeinde, das gehört nicht der Vergangenheit an —
es wirkt noch hinein in die Gegenwart und noch hinüber in
eine nahe Zukunft, aber nur mittelbar. Er war der Lehrer der
Kinder, das Vorbild der Jünglinge, der Vorkämpfer der Männer,
Trost und Bürge für die Greise, doch das ist er gewesen.
Aber für alle Zeiten bleibt er, und das durch seine Schriften,
der Erzieher unseres Volkes. Wir nannten diese
Schriften: „Reden an die jüdische Nation." Wir dachten an
Fichte, aber hier ist mehr als Fichte. Wie kalt und schal er-
scheinen uns heute diese Reden an die deutsche Nation und
wie warm und lebendig und jugendfrisch die Reden an die
jüdische. Freilich dort das Thema des Patriotismus, wenn auch
für uns nicht w ie für Lessing eine heroische Schwachheit, so doch
immerhin ein menschliches Ideal, und hier das Gesetz des
lebendigen Gottes, des Menschen Heil und seine Seligkeit, ge-
deutet von einem gottbegnadeten Sänger und Weisen. Und der
Erfolg? Wäre es nicht nun bald zwei Jahrtausende Israels
44
Schicksal von Prüfung zu Prüfung zu schreiten, wäre nicht an
der Wiege unseres Volkstums uns mitgegeben das „Und den-
noch", das uns die schwersten, trübsten Zeiten überdauern ließ,
wir müßten verzagen. Wir können die Ereignisse an sich frei-
lich nicht zum Vergleich stellen, dort die Erhebung gegen den
fremden Eroberer, der Befreiungskrieg und seine Folgen, hier
die Renaissance des gesetzestreuen Judentums. Aber sind die
Ausstrahlungen einer Lichtquelle, wie sie in Hirschs Schriften
gegeben ist, in unsere Kreise nicht gar zu winzig, sind die
Wirkungen einer solchen Persönlichkeit, wie sie bis jetzt in
die Erscheinung getreten sind, nicht gar zu spärlich, fand der
große Moment nicht ein kleines Geschlecht? Wir können's nicht
leugnen. Der Traum, den Hirsch geträumt, das Judentum, das
unser ist, in altem Glänze wieder zu erblicken, daß in den
Stätten alter Talmudherrlichkeit die Heldenjünger um die alte
Fahne sich zusammenscharten, daß überall sich wieder
blühende Gemeinden zu frommen Wirken nach der Väter
Art erhöben, er blieb bisher im Traum! Und wollten wir,
und wenn wir wollten, es bliebe nicht ein Traum !
O daß in diesen Tagen, die dem Gedenken unseres Führers
geweiht sind, der Funke zündete in tausenden von Herzen, der
Funke, der auch jetzt noch glüht in seinen Worten, der Funke,
der entstammt dem Feuer unseres göttlichen Gesetzes ! Daß der
Entschluß in ihnen reifte: Wir wollen lernen, Gott zu fürch-
ten, wir wollen Tag für Tag, und wäre es auch nur kurze
Zeit, den Worten jenes Mannes lauschen, der uns mit Mut und
Kraft erfüllt, das Höchste zu vollbringen im Dienste unseres
Gottes. Gewiß, wenn ihr nur zu ihm kommt, er läßt euch
nicht, er hätt' euch denn gesegnet!
Samson Raphael Hirsch in Ungarn.
Von Rabbiner Ph. Fischer in Devavänya, Ungarn.
Deutschland ist die Stätte, von der aus der Name Hirsch seinen Er-
oberungszug nach allen den Ländern hin angetreten hat, wo der Begriff Jude und
Judentum noch kein leerer Schall, kein biolies >X'ortgepränge geworden, die
Stätte, woher der Genius Hirschs seinen Siegeseinzug in das Pantheon der
das ganze Erdenrund umspannenden jüdischen Volksgeschichte begonnen.
Dort strahlte die leuchtende Sonne seines großen Geistes nur auf, um die
belebenden Strahlen der wahren Gotteserkenntnis und wahrer Menschen-
beglückuog allüberallhin fluten zu lassen, wo man sich nach wahr-
heitsgemäßer Darstellung der jüdischen Lebensaufgabe gesehnt hat und
sehnt.
Im weiten Zarenreiche schaffte emsig und unermüdlich bis an sein
Lebensende der ausgezeichnete Hebraist Moses Aronsohn, um die klassischen
Werke Hirschs auch dem hebräisch lesenden Publikum zugänglich zu
machen. Er hat bereits eine hebräische Uebersetzung der 19 Briefe, des
Chaurev und des Kommentars des ersten Buches Mosis herausgegeben. Wir
halten es für eine Ehrenschuld des jüdischen Vcilkes, dafür zu sorgen, daß
sämtliche Schriften Hirschs, vor allem aber seine Meisterwerke ins He-
bräische übertragen werden. Wohl wohnt dem Vorwurf, den Dr. Nacht in
Ha'olam (I. Sp. S. 181) erhebt, dati Hirsch seine Werke nicht in hebräischer
Sprache geschrieben, und der Schadenfreude, mit welcher derselbe ein in
diesem Sinne gehaltenes Epigramm S. D. Luzzattos zitiert, nicht eine Spur
von Berechtigung inne. Wohl mul'. es im Gegenteil, angesichts der modernen
Zeitlage und der in der neueren Zeit hervortretenden Bestrebungen im Schotie
des jüdischen Volkes, als eine historische Notwendigkeit angesehen werden,
daß Hirsch in deutscher Sprache schrieb, denn was hätte man mit dem
klassischen hebräischem Style gegen die auf die Betörung der Massen speku-
lierenden Bestrebungen der Geiger und Konsorten ausrichten können ? Aber
dennoch ist es nun eine Ehrenpflicht des jüdischen Volkes, dafür zu sorgen,
dati die aus den tiefsten Tiefen des jüdischen Geistes und Ge-
mütes hervorquellenden geistigen Schöpfungen Hirschs dem
hebräischen Bücherschatze eingefügt werden.
Es ist bekannt, dali dem Englisch lesenden jüdischen Publikum bereits
die „19 Briefe über das Judentum", welche bekanntlich den skizzenartigen
Grundrill der Hirsch'schen Ideenwelt enthalten, durch eine englische Ueber-
setzung des Rev. Dr. Drachmann in New-Nork zugänglich gemacht sind.
Auch ins Holländische sind sie bereits übersetzt worden.
Gegenwärtig arbeitet Schreiber dieser Zeilen an einer ungarischen
Uebersetzung der 19 Briefe, die er mit Gottes Hilfe noch in diesem Jubeljahre
Hirschs herausgeben will. Wir glauben damit dem Verlangen weiterer Kreise
entgegenzukommen. Denn auch in Ingarn hat Hirsch eine grolie Schaar
von Verehrern.
Zur Zeit, da Hirsch als Landesoberrabbiner von Mähren nach Nikolsburg
kam, berief die jüdische Gemdinde von Nikolsburg den Prediger Mannheimer
von Wien, einen Anhänger der Reform, um. einen — S. R. Hirsch ! zu be-
grüßen. Mannheimer sagte auch mit Freuden zu und begrüßte Hirsch in der
Hauptsynagoge mit den Worten: i:: cpbn mi ^B'N B'"'« (L B. M. 41,38.).
indem er des weiteren ausführte, wie der neugewätlte Landesoberrabbiner
von Mähren der Mann sei, der in die alten Gesetze des Judentums einen
neuen Geist der Belebung zu bringen bestrebt sein werde. Er erklärte, daß
Hirsch der Mann sei, den die Vorsehung berufen, um die Judenheit Mährens
einer geistigen Renaissance entgegenzufuhren.
Charakteristisch genug für die damalige Begriffsverwirrung und Unklar-
heit der Vorstellungen, daß man einen Mannheimer zur Begrüßung eines
Hirsch berief.
Doch blieb der tiefe geistige Gegensatz zwischen dem Begrüßungs-
redner und dem Gefeierten nicht lange ein Geheimnis. Und gar bald wandten
sich die orthodoxen Rabbiner in Ungarn an- das geistige Oberha:upt des
mährischen Judentums um Rat. Während eines Aufenthaltes Hirschs in Wien
suchten ihn mehrere der größten Rabbiner Ungarns auf. Auch der damalige Ober-
rabbiner von Preßburg, der hochberühmte Verfasser der Responsensammlung
^D^D 303 ^ar unter denselben. — Am Sabbath darauf, nachdem R. S. Wolf
Sofer s. A. von dem Besuche bei Hirsch zurückgekehrt war, so erzählte mir
ein äußerst glaubwürdiger Schüler desselben, der auch Ohrenzeuge des weiter
Berichteten war, gingen besonders viele Talmudjünger gelegentlich des 'iffb'V
rmyo-Mahles zum Rabbi hinauf. Sie waren gar gespannt auf den Eindruck,
den der neue eigengeartete Rosch-Medinah von Mähren auf ihren Rabbi ge-
macht hatte. Besonders waren sie darauf neugierig, wie sich ihr als großer
Talmudgelehrter gefeierter Rabbi über die talmudische Gelehrsamkeit Hirschs
äußern werde, da es ihnen für eine Sache der Unmöglictikeit galt, daß ein
modern gebildeter „aschkenasischer" Raw auch ein großer I^amden sein
könne. Auch wußten sie, daß ihr Rabbi, wie der größte Teil seiner gleich-
zeitigen, strengorthodoxen Amtsgenossen mit zur damaligen Zeit ziemlich
berechtigtem Mißtrauen auf die Verbreitung von weltlichem Wissen schaute,
und infolge trauriger Erfahrungen in jeglicher Verbreitung profanen Wissens
im Kreise des jüdischen Volkes eine Gefahr für die jüdische Gesefzestreue
erblickte. Aber wie überraschte sie die Aeußerung ihres großen Lehrers:
„Wir haben mit dem neuen -D'^ID IfN") sehr viele mTl ■'^3^ gesprochen.
Aber worüber immer wir mit ihm sprachen, überall in D"tt' und D'pDiD war
er zuhause. Ein ^]o haben wir ungarische n''3m- Er hält uns nämlicli für
größere DiiiDt" als er einer ist. Wüßte er aber, was für ein po^ er
selber ist, dann hätten wir keine nmiD (Ruht) vor ihm." —
Letzterer Satz bezog sich auf das Bestreben Hirschs, auch weltliche Bildung
unter seinen Gesinnungsgenossen zu verbreiten.
Ein achtzigjähriger Lamdon in Preßburg erzählte mir, daß er einst einem
Schiur, einem Talmudvortrage Hirsch's, den derselbe vor seiner Jeschibah in
Nikolsburg hielt, beigewohnt hatte. Während desselben gelangte H. zu einer
der schwersten Stellen in Tossafoth, da sagte er nun bescheiden zu seinen
Jüngern : „Ich selber verstehe diese Stelle noch nicht, so kommet und lasset
uns gemeinschaftlich deren Verständnis zu ermitte'n suchen."
Diese Bescheidenheit rührte den Hörer derart, daß immer, wenn er an
eine schwerverständliche Stelle in Tossafoth gelangte, er sich unwillkürlich
des großen Mannes erinnern mußte, zu dessen Größe sich solche Bescheiden-
heit gesellte.
In damaliger Zeit, da Nikolsburg noch '?^^^:y"l^ c^<^ n^J? „Mutterstadt
in Israel" war, voll der Weisen und Schriftkundigen, und in Mähren noch
viele talmudisch gelehrte Rabbiner und Talmudhochschulen existierten, bestand
ein reger Verkehr zwischen der Talmudgelehrten- Republik Ungarns
und Mähren. Talmudjünger aus Ungarn besuchten Talmudschulen
Mährens, namentlich waren viele ungarische Talmudjünger an der Jeschü ah
Hirschs eingetroffen. Ueberhaupt stammte in früherer Zeit ein großer Teil
der ungarischen Rabbiner aus Mähren und Böhmen. (Wir verweisen blos
auf einige bekannte Namen : R. Wolf Boskowitz, Verfasser des nitt'on 1~\D
R. Feiwel Plaut, Verfasser des Qi^n p ^3^ ^^ip^. R- Saloriio Klein, Ver-
fasser des HD'^tt' ''t;ipS R- Josef Honig, Rabbiner in Neutra, Josef Weise,
der bekannte Biurist, Rabbiner in Waag Neustadtl und viele Andere). So ist
es kein Wunder, daß bald die ganze ungarische Rabbinerwelt von dem neuen
Rosch-Medinah in Mähren wußte, der Wunder wie „gebildet" und dabei „doch"
streng orthodox sein sollte. Fast ungläubig vernahmen sie die Kunde davon,
schienen doch den frommen Rabbinern in Ungarn die „ersten Schwalben" im
Magyarenlande, ein Leopold Low, ein Zipser, ein Fassel und Clenossen eben
das Unmögliche einer harmonischen Vereinbarkeit altjüdischer Frömmigkeit
mit moderner Kultur zu beweisen. Das Auftreten derartiger Rabbiner in
Ungarn war nur dazu geeignet, Mißtrauen zu säen gegenüber der modernen
Bildung und Kultur überhaupt. Das Wort Hirsch's: „Jede solche falsche
Wissenschaft untergräbt - nicht das Judentum, das Judentum wird uns alle
überleben — untergräbt aber jedes Aufblühen wahrer Wissenschaft im Juden-
tume, indem es allen mit der Wissenschaft nicht vertrauten aufrichtigen Juden,
erfahrungsmäßig, wissenschafiliches Streben als das Judentum gefährdend er-
scheinen lassen muß" (Jeschurun VII, S ,^57), — bewahrheitete sich auch hier.
So ist es kein Wunder, wenn so mancher altelirwiirdige Raw in Ungarn,
dem die von walirer, unerschütterlich fester Ueberzeugungstreue und glühender
45
Anhänglichkeit an das heilige Vätererbe Israels zeugenden Schriften Hirschs
nie vor Augen gekommen waren, etwas ungläubig das graue Haupt schüttelte,
so man ihm die Ort.odo.xie Hirschs laut pries. Und wie erst als nwji« härte,
daß der neue Rosch-.Medinah der in den Sxnagogen eingerissenen großen
Unordnung steuern wollend, sämtliche Rabbinate und Vorstände des
Landes aufforderte, die Ordnung während des Gottesdienstes in den Synagogen
wieder herzusellen und dauernd aufrecht zu halten, da witterte gar mancher,
der Hirsch blos von Hörensagen, nicht aber aus dessen Schriften kannte,
einen verkappten Neologen in dem neuen Herrn.
Und doch zeigte eben auch dieses Vorgehen Hirschs seine weitschauende
Weisheit. Er sah, wie die Reformer mit Hilfe von Schlagwörtern von Anstand
in der Svnagoge und dergleichen all diejenigen an sich lockten, die es nicht
länger leiden mochten, daß die „Judenschul" auch weiterhin zum Spotte im
Munde des Volkes sei, er sah, wie solche und ähnliche Schlagwörter blos
Köder waren, um die gesitteten Elemente an die Reform zu fesseln. Dem
gegenüber berief sich nun Hirsch auf den klipp und klar ausgesprochenen „Din"
im Schulchan-Aruch. forderte eben im Namen des von den Reformern be-
geiferten Schulchan-Aruch Anstand und Andacht in der Synagoge und entwand
so den Feinden ihre geiährliche Waffe.
Einer der hervorragendsten Schüler des großen Baal Chatham Sofer
s. A., sein Schwiegersohn Rabbi Salomon Spitzer s. A. hat dem Andenken
Hirschs Worte gewidmet, die deutlich Zeugnis ablegen, wie sehr er letzten
Endes auch von den „Alten" gewürdigt wurde. Da heißt es : „Qott war
geweiht das ganze, Lebefl R. Hirschs. Qett und dem göttlichen Gesetze
waren geweiliet die Gedanken seines Geistes und die Gefühle seines Herzens.
Und derjenige, der seine Werke zu lesen pflegt, empfindet es bei deren
Lektüre, wie ein Ouell der Lebensheiligung in seinem Inneren aufsteiget." —
- — „Seine 19 Briefe pflanzen einem die Kraft des Glaubens ins Gemüte,
sein Chaurew wieder durchdringet einen mit Erkenntnis des Geistes, der in den
Geboten Gottes weht.' — — ~ „Er war der Mann der bereits vor 50 Jahren
den Verteidigungskampf gegen die Stürme auf das Ueberlieferte eröffnete. Er
gab seine 19 Briefe he-aus und erregte Bewunderung mit denselben. In diesen
19 Briefen enthüllte er die ganze Unwahrhaitigkeit der Reformer. Er zeigte
auf glänzende Art und Weise die Erhabenheit des Vätererbes. Wer diese
19 Briefe liest, der wird einsehen müssen, daß er das Judentum früher
— bevor e r diese 19 Bri ef e gel es en — nichtso erkannt hat
wie jetzt. Er fühlt sich nach der Lektüre dieses Werkes
als ein ganz neues Wesen. Nachher gab R. Hirsch seinen Chaurew
heraus, der eine Begründung der 61,^ Ge- und Verbote der Thora ent-
hält. Das i st ein siiii a'^s:, ^^\^2n
ein wunderbares und
furchtbares (für die Gegner) Werk; welches den Ruhm des Verfassers
in alle Welt hinaustrug etc. etc." (Siehe nD^tr i'p\"l nSD von Rabbiner
Salomon Spitzer 'p"i in Wien, Pol. 110 und 111, Hesped auf Hirsch). Es ist
gewiß, daß auch in Ungarn der Ruhm Hir? ch s in stetem Wachsen begriffe i ist. Das
Studium seiner Werke und die Anerkennung seiner Lehren und Ideen ver-
breitet sich immer mehr und mehr und iaiit immer tiefere Wurzel im Kreise
der ungarichen Judenheit. Dieser wachsende Einfluß Hirsch'schen Geistes und
Hirsch'scher Ideen ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des un-
gari-chen Judentums, denn nur deren Anerkennung und Sieg kann die in einer
Uebergangsperiode sich befindende Orthodoxie Ungarns davor bewahren, daß
sie Beute einer der beiden Extreme im ungarischen Israel wird : des jeglicher
modernen Bildung abholden Chassidismus oder der Neologie, deren ganzes
Judentum sich auf einen Tempelbesuch am Jomkipur und auf das Kaddisch-
und Maskirgebet für die hingeschiedenen Eltern beschränkt.
Diesem Gedanken hat auch schon ein anderer begeisteter Anhänger
und Verehrer Hirschs in einer bereits vor Jahren veröffentlichten ungarischen
Schritt Ausdruck \ erliehen. Wir meinen die unter dem Titel: „A zsidö
vaUäs in modern korban" (die jüdische Religion in der modernen Zeit)
im Jahre 1899 erschienene Schrift des H Elias Friedmann. In der Vorrede
schre'bt der Verfasser: „Auch wollte ich die Wahrheit dessen vergegen-
wärtigen, daß der religiöse Glaube wohl zu vereinbaren ist mit der weltlichen
Bildung. Dieses wähnte ich dadurch zu erreichen, datl ich den beiden eben
charakteri-ierten Extremen in der ungarischen Judenheil die wahrhaft großartige
Gestalt Hirschs, der doch auch unserer modernen Zeit angehörte, als eines
solchen vorzustellen mich bemühte, der Thoragelehrsamkeit mit moderner
Bildung harmonisch vereinigend, zugleich Großmeister aut dem Gebiete welt-
licher Wissenszweige und Vertreter des wahren Judentums war."
Auch sonst befreunden sich selbst altere Rabbiner immer mehr und
mehr mit Hirsch'sclien Ideen und Schrillen, wie dieses schon aus dem Um-
stände hervorgeht, daß man in neuerer Zeit häufig genug auf Zitate aus Hirschs
Werken und Iknützung und Anwendung der dortselbst gegebenen Id.en
trifft, so z B. in dem immense Gelehrsamkeit verratenden Werke nc'Tir 'wipS
meines sei. Großonkels 9. Silomo Klein gewesener Oberrabbiner in Zenta,
S. 104, b. vgl. Hirsch, Peniateuch, IV. B. M. 17,3 und Psalmen 42,1; zu
Seite 111, b; vgl. Hirsch, Psalmen .34,1. Vg . ferner desselben Verfassers
-zz r; l^aks, ,56:8, S. 17, b. *)
Auch in dem Werke r;- rr^z des R. Jose! Fisch finden wir S. 27, b,
die tiefsinnige, seitner fast zum geflügelten Worte gewordene Exegese Hirschs
zu II. B. M 2.S.8 aijgadisch verwertet und sie dann von R. Feiwel Plaut, dem
In dem im Jahre 5664 erschienenen Werke r; -; rr.i- -cc von dem
emer. Rabbiner in Groß- Tapolcsäny H. Feiwel Schlesinger ist sehr oft der
Einfluß verständnisvoller Lektüre»Hirseh'scher.'Schriften zu bemerken.
In dem zu Waitzen in Ungarn erscheinenden rabbinischen Fachblatte
T]','shr\ br 10. Jahrgang S. 45 ist eine gegenwärtig in meinem Besitze sich be-
findliche nziBT von S. R. Hirsch verö fentlicht worden. Das Antwortschreiben
ist an meinen Vater, Herrn Rabbiner A. Fischer gerichtet, ist aus Frankfurt a. M.
5639, 1. Kislew datiert und beantwortet mehrere an H. gerichtete Fragen in
-hz ahz ]Z-,p z-',pn [';»2. Dieses Schreiben allein beweist schon zur Genüge,
daß Hirsch nicht blos auf dem Gebiete der jüdischen Religionsphilosophie den
Größen unserer Vergangenheit ebenbürtig war, sondern daß er auch die tra-
ditionelle Methode der Talmudforschung als Meister beherrschte. Das Schreiben
erschien mit den Randglossen des Einsender-, des Herrn Rabbiners Fischer
und mit denen des (Jberleiters des erwähnten Fachblattes, des Herrn Rabbiner
J. Silberstein versehen und erregte solches Aufsehen, daß sich eine große
pubtizistische Kontroverse mehrerer Rabbiner und Talmudgelehrten ihrem Er-
scheinen anscliloß, die in den folgenden Njmmern des ~''tbri hr) ausge-
tragen wurde.
Es ist bemerkenswert, daß selbst hervorragende Persönlichkeiten der
Neologie in dem von der eigentlichen Stätte der Wirksamkeit Hirschs so
weit ab liegenden Ungarn, sich des imponierenden Eindruckes der hehren Ge-
stalt Hirschs nicht erwehren können.
So ist es charakteristisch, daß der Sohn und Amtsnachfolger des Re-
formrabbiners Leopold Low in Szegedin, Immanuel Low, nach dem Tode
Hirschs demselben einen warmen Nachruf gewidmet hat. (Low Immanuel
Beszedei, S. 401 und 402.) Er führt darin aus, welch tiefen Eindruck der noch
junge Hirsch auf Geiger machte, \xie dessen große rednerische Begabung,
scharfer Verstand und rasche Auffassungsgabe die Bewunderung des letz-
teren erregten.
„52 Jahre sind es, daß das erste Werk Hirschs erschienen ist. Binnen
kurzer Zeit, im Verlauf einiger Jahre ist Hirsch die erste Autorität der
deutschen „romantischen" *) Orthodoxie geworden, deren Anschauungen er in
einem großangelegten \\ erke, im Chaurew entwickelte, und zwar wenn auch
in maniriertem (?) Stile und auf „irrtümlicher" *") wissenschaftlicher Basis,
dennoch aber mit wohltuender Wärme, mit geistvollen Wendungen und
kühnen Forderungen, großen Eindruck machend und viele Anhänger sich
erwerbend etc. etc."
Noch bemerken wir, daß L. Low auch die Einleitung eines Aufsatzes
von Hirsch zu den Elul- und Selichothtagen und die eines Aufsatzes zu den
Teschuwahtagen ins Ungarische übertragen und sie als Betrachtungen dem
von ihm verfaßten ungarischen Andachtsbuche einverleibte. S. Smädsäpok
zsidok szämära. Gyüjiötte: Immamel. 1S03. S. 114 und 137.)
Es soll ferner nicht unerwähnt bleiben, daß einer der her\ orragendsten
Jünger des echneologen Rabbinerseminars in [Budapest, der in neologen
Kreisen großes Ansehen genießende Rabbiner Dr. J. Steinherz in Stuhlweißen-
burg in der Vorrede seines i. J. 1895 erschienenen Buches: „A zsidö
vallas erkölcstana" (Morallehre der jüdischen Religion) schreibt, daß er
unter den seiner Arbeit zugrunde liegenden Werken in erster Reihe den
Chaurew, den flammengeistigen (hangelmejü) Vertreter des strengsten Kon-
servatismus nennen müsse; er fährt dann fort: „Es kann jedoch hierorts
nicht meine Aufgabe sein, die Richtung dieser meteorgleichen Erscheinung
zu charakterisieren. Nur das eine will ich erwähnen, daß derselbe sich
keinesfalls mit der bloßen Anführung irgend einer Stelle aus der Heiligen
Schrift zur Begründung und Befestigung einer gewissen Morallehre zufrieden-
stellt, sondern sich vielmehr in die betreifende Lehre versenkt uud jenen
beispiellos erhabenen Geist sich offenbaren läßt, der unsere I'hora durchdringt
und den bloß die Propheten vollkommen erfaßten, die mit ihrem Herzen
dachten.- (S. 4 und 5.)
Selbst der, wie wir bereits im vorigen Jahrgange des Israelit
(Nr. 29) nachgewiesen, radikalste, bibelkritischen Hypethesen huldigende
langjährige Religionslehrer an der neolo;;en Lehrerpräparandie in Budapest,
z. Zt. Dozen" am neologen Rabbinerseminar in Wien, Dr. S. Krauß, scheint
in seiner „Systematischen jüdischen Religions- und Morallehre", die wir an
eben erwnhnter Stelle gehörig betrachtet haben, dort, wo ihn die Reform-
weisheit seiner Meister im Stich läßt, nicht ohne Hirschs tiefsinnige Erklärungen
auskommen zu können. So z. B. bei den Speisegesetzen Seite 109.
* ■ *
Wir glauben, daß auch obige Zeilen dazu beitragen werden, in manchem
der vielen Tausende, denen Hirsch inmitten des Ringkampfes zwischen
Religion und Kultur, Glauben und Wissen, Altetn und Neuem ein treuer
Wegweiser auf ihrem Lebenspfade ist, die Ueberzeugung zu festigen, daß er
keinem Phantom nachgeht, so er sich der Führung des Mannes anvertraut,
den die jüdische Gesamtheit auf dem Erdenrunde mit jedem Jahr-
zehnt mehr als „Leuchte des Exil es" erkennen und verehren wird.
*i Die.si' Hi'Zfichnuni; der deutscluii (.)ithodü.\if wurde Ixkaiiiitlich vom X'ater des
Autor.-* Leojiold Lüw eri'unden F.
*») l'ud wie sollte denn .auch für Low die Von-iussetzuuR der Göttlichkeit der
mündlichen Tradition eine .indcrc als „irrtümliche" Kasis atisrebeu können? F.
gewesenen
ausgebaut.
Rabbiner zu Groß Suran\, in dem Werke c"
'Weiter
- 46
Samson Raphael Hirsch in Holland.
Von Justus Tal in Amsterdam.
Es ist noch nicht lange her, seit man Rabbiner Hirsch in Holland kennt.
Zwar hatte schon 1837 in den ,lsraelietische daarboeken" eine lange und
ziemlich günstige Rezension der XIX Briefe gestanden: auf den berühmten
Amsterdamer Bücher-Auktionen kamen öfters Choreb und XIX Briefe vor, und
1857 wurde da ein Choreb für M. 5.- gekaufi; außerdem soll 1864 ein-
mal einen Augenblick die Rede davon gewesen sein, Rabbiner Hirsch als
Oberrabbiner nach Amsterdam zu berufen. Weiterstanden im Bücherschranke
des Rabttnerseminars einige Jahrgänge des Jeschurun, einige nur, die übrigen
fehlten, keiner las etwas darin, höchstens holte dieser oder jeder ein einzelnes
Mal einige Ideen heraus, wenn er sie verwenden wollte und das
war alles.
Erst in den 80er Jahren änderte sich das Bild. Es waren einige Schüler
der Hirsch'schen Realschulenach Amsterdam gekommen, die in ihrem kleinen
Bekanntenkreis einiges über l^abbiner Hirsch's Arbeiten sprachen und hie und
dort auch einiges erreicliten. .Wan fing an sich die Arbeiten anzusehen. Aber
an der Pflanzstätte des Holländischen Judentums, dem Seminar, wurden
Hirscli's Arbeiten damals nrch mit dem .verdäcntigendeii Zauberwort' —
wie Dr. Mendel Hirsch -"üt es nannte — , unwissenschaftlich", gekennzeichnet
Es ist charakteristisch, dalJ ein damals noch relativ junger Mann, derdieses ange-
flogene Urteil sich mit Ueber/eugung zu eigen machte, heute fast alles, was
Hirsch geschrieben, treu durchstudiert hat, und dalJ es auKenblicklicli keinen
Verehrer Hirsch's in Holland gitit, der mit mehr Begeisterung von ihm und
seinen Arbeiten spricht als gerade er. Ja, tempora mutantur et nos mutamur
in Ulis.
Denn die Zeiten haben sich geändert. Als im Jahre 18<'2 der Ober-
rabbiner Tal -"i'; seinen Vortrag über Rabbiner Hirsch im Verein cvp -|<p^;
hielt, da war die Wirkung, die er hervorbiaclite, schon ziemlich bedeutvnd,
wenn sich dies auch erst allmählich dem Auge dessen zeigte, der regelrnälliu
die geistige Phy-iognomie der An.sterdamer jüdischen Eamilien beobachten
kann. Der hrfolg war, dati der Nari.e und die Schriften Hirsch's nach und
nach in die Gemüter und Häuser eindrangen und mancl-.er auch \on dtn
kalten Holländern seine Zuflucht zu Hirsch's Arbeiten nahm, wenn er junge
Gemüter - und auch wohl einmal alte - das Jutentum kern tn lehren wollte.
Im Jahre 1895 erschien eine Holländische Uel ersetzung der XIX Briefe.
Es war die .Anregung aus die-em Vortrag gekommen: denn als der Redner
von den XIX Brieten sprach, hatte er betont, wie bedauerlich es sei, dal.i sie
noch nicht ins Holländische übersetzt seien: \ie!c Holländer lesen kein
Deutsch, und gewiti nicht das der XIX Briefe. Sie wurden übersetzt vi m
jetzigen Rechtsanwalt Dr. IsiJore Hen. Neun Jahre später gründeten einige
jungen Herren und Damen einen kleinen .Kreis, worin sie sich vornahmen,
zusammen k'abbiner Hirsch-Schriften zu studierui. Sie rannten sich .Rabbiner-
Hirsch-Kreis. ) Kein Verein, denn einen Vf)rstanJ hatte der Kreis nicht und
alle zu besprechende Sachen wurden ganz freundschaftlich zusammen abge-
macht. Man hat dort zweimal die XIX Briefe im Holländischen gelesen, dann
.Aus der Mappe eines wandernden Juden' in den ües. Sehr. I, dazu die
Holländische Bearbeitung der Kalenderbetrachtungen, in den Qes. Sehr. I: und
zum X .\1;il die XIX Briefe, aber in deutscher Sprache. Der Kreis hat diese
Kalenderbetrachtungen, für das Holländische Publikum durch einige Mitglieder
desselben bearbeitet, herausgegeben, und sie natürlich auch seihst gelesen.
Besonders die jüdischen Lehrer haben das Buch viel gebraucht, und das ist
doch wenigstens ein Ai, fang, um die Jugend mit Hirschs (]e;st zu durchdringen.
Dtr jüdische i.iteratur-Verein in Rotterdam hat elenialls die XIX Briefe
gelesen und ihnen drei Wintersemester gev\idrnet. Danach hat man dort
sogar einige Kapitel aus Hirscli's Pentateuchkommentar behandelt.
Auch indem Vorstädtchen Apeldoorn hat sich vor kurzem ein Rabbiner-
Hirsch-Kreis gebildet, der auch mit den XIX Briefen anfängt, dessen Geschichte
aber erst beginnt, und dem wir ein herzliches f^^n "112 zu seinem Eintntt
ins Leben zurufen.
Vor einigen Jahren hat in Deventer der Lehrer bei seinen Sabbat- Vorträgen
regelmäßig Hirsch's Kommentar zu Gründe gelegt. Doch endeten diese
Vorträge mit dem Weggange des betreffenden Lehrers.
Viele von den Lehrern im Lande haben aus der l.ektüre Hirsch's reichen
geistigen Gewinn gezogen und jetzt kommt auch auf dem Rabbiner- und Lehrer-
Seminar Hirsch nach und nach zur grolieren Geltung. Viele von den jungen
Schülern gehen bei ihm in die Schule und lernen schon, auf dem Wege zu ;
C"'iS ^^nd C'',TC'C. ^'Ji 'hm sich einen Begriif ihres Judentums bilden. i
Möge Hirsch immer heimischer unter den holländischen Juden werden
und. um mit seinen eigenen U Orten zu sprechen") .er ihnen das Juden
.tum im l.ichtgewande der Bildung und Wissenschaft zeigen, auf dal.i sie der
, Geist durchdringe des ewigen Judentums im Bereiche des „Denkens und
Lebens."
*> Ki(.'<>ntlich .Wiilil.incr llirM'li <;c.zflsclui|.-. Dms «(.•iit.-ijii! ..Go^i-ilx'liiiff {;ilit
iitiiT i'ini'n (r.'iMz aiuliTi'H Gi''l;inkeii.
■ ') .\us .-i'inc'in iil"T .\iii.-tiTilniii L"sclirii'lM'ni'ii. in i|iT llolliindix'lH'ii Zi'it-
»ichrift ..('lioP'r (Ixxxi iilM'r.-''tzti'ii .'^tiick .,.\iis di-r M:>\i\>i- eines uanilcmilon
.Juden' III. (ie. Si^h. I Seiti' .U:s fl'.'., .Ie-clinrnii .liilir;.'. I Vr.hi: \s:,:,. s,'\t<- l'7(1;
vielleicht wanl nie .-in,, lirss-ere l'.etraclitnnK iiSer die .•\iii>tenl:niier ~^~p ire-
H('hriet)en.
Aphorismen
zur Grundlegung der jüdischen Ethik
im Geiste Samson Raphael Hirsch's.
Von Jacob Rosenheim in Frankfurt a. M.
.Ein Geist! in Allem! von dem Bau der
Sprache bis zum Thatenbau des Lebens.—
Ein Geist, — angeweht vom Geiste des
Alleinen !■
(Neunzehn Briefe.)
Wer einen Blick auf die Geistesarbeit Samson Raphael Hirschs wirft,
die sich über nahezu sechs Dezennien eines rastlos bewegten inneren Lebens
erstreckt, und die in einer kaum zu erschöpfenden Mannigfaltigkeit der schrift-
stellerischen Formen sich bethätigt hat, der steht vor einer Tatsache vor
allem in staunender Ehrfurcht stille: vor der einheitlichen Geschlossen-
heit dieses geistigen Lebenswerkes. Es ist, als üb in einer gesegneten
frühen Jugendstunde sich diesem Genius der Geist des Judentums wie mit
einem Zauberschlage offenbart habe, und als ob nun ein ganzes Leben lang
es nur noch galt, die tausendfältige Fülle dieser Offenbarung in Begrtff und
Worte umzusetzen, ihren Widerhall aber herauszuhorchen aus Sprache und
Schrift, aus Geschichte und Leben des Judentums. Fieser merkwürdigen l'at-
sache allein ist es zu verdanken, dali es S. R. Hirsch, trotzdem er kein
-System des Judentums', keine jüdische Dogmatik und keine jüdische
Methaph\sik, keine jüdische Ethik und keine jüdische Pädagogik geschaffen,
d-nnoch gelang, durch ein langes Leben hindurch als Commenlator wie als
Zeitungsschreiber, in Broschüren und Schulprogrammen, Predigten und wissen-
schaftlichen Abhandlungen einem großen Organismus lebendigen
Geistes das Dasein zu geben, der durch das Ineinandergreifen seiner Teile,
durch die gewaltige Pragmatik seines ganzen Aufbaus für seine eigene innere
Wahrheit überwältigendes Zeugnis ablegt.
Mir will es scheinen, als ob die Art, in der S. R. Hirsch schon in früher
Jugend der hebräischen Sprache gegenübertrat, den Schlüssel bilde zum
Verständnis dieser einzig dastehenden, durch ein ganzes Leben reichenden Ein-
heit geistigen Schaffens. Die heilige Sprache bildete das geistige Fluidum,
das auf des grollen Denkers empfängliches Gemüt wie der „Geist Gottes über
den Wassern' wirkte; aus der Berührung mit der Sprache strömten ihm
die Begriffe jüdischer Gotteswahrheit zu, und an dieser Sprache, die ja
im täglichen Gebet, beim Lernen und Lehren zum Ohr des
.lünglings wie des Mannes in denselben Lauten und Akzenten
redete, an dieser Sprache entwickelten sich ihm tausend lebenskräftige
Gedankenkeime, die vor dem ernsten Blick des W ahrheitssuchers dann in
organischem \\ achstum auf jedem Blatte des T'nach, auf jedem Blatte der
inündlichen Lehre zu prangender Herrlichkeit sich entfalteten.
An dieser Fruchtbarkeit der Sprach-Anschauung bei S. R. Hirsch hat
viel weniger die e t \mo I ogisc he Betrachtung der äußeren Form der
Sprachwurzeln Anteil, als die tiefeindringende vergleichende Untersuchung des
W or t begri f f s, und es fällt dabei in den meisten Fällen den herangezogenen
lautlich verwandten Wortwurzeln viel mehr die Rolle eines Gedanken an-
regenden Agens als die einer maligebenden Erkenntnisquelle zu. Erkennt-
nisquelle ist der Begriff des Wortes, der, aus seiner Anwendung im
Gotieswort ermittelt, durch scharfe Definition in seinem Kerne herausgeschält
wird und infolgedessen mit allen seinen Nüancierungen vveiterverfolgt werden
kann.
Unzählig sind die Stellen im -"ip. in denen diese tiefe Erfassung des
Wortbegriifs allein den Zusammenhang zu erschlielien vermag, unzählig die
(jedankenverbindungen, in denen durch diese Spracherfassung das Bibelwort
vom Gerumpel jahrhundertelang bewahrter Uebersetzungs - l'rivialitäten befreit,
und der sprudelnde (,)uell Leben weckender göttlicher Wahrheit wie mit dem
Mosisstab hervorgelockt wird.
Diese Tatsache, für die jedem Kenner Samson Raphael Hirschs die
Belege zur Hand sind, möge es rechtfertigen, wenn im Folgenden der
Versuch gemacht wird, an der Hand zweier von S. R. Hirsch vielfach
durchforschter W or t b egr i f f e die Grundideen der jüdischen Ethik zu ent-
wickeln, wenn dann ferner unter Hinzuziehung eines dritten [Begriffs
die Behauptung gewagt wird, dali diese drei Begriffe in ihrem Beziehungs-
reiciitum die tragfähige Ci rundlage einer systematischen iüdischen
Ethik bilden. T~s wird sich ergeben, dail diese drei Begriffe in ihrer Zusammen-
gehörigkeit von der Ue ber I ieie run g bereits als Grundlage der Ethik
erkannt worden sind, und dali eine auf ihnen sich erhebende ethische Lehre
eine Synthese der in den Strömungen der modern-wissenschaftlichen Ethik
herrschenden, zumeist einseitigen Prinzipien darstellen würde.
Die deutschen Worte .heilig", „Heiligkeit', Heiliglum' lösen bei dem-
jenigen, der sie denkt oder hört, im allgemeinen lediglich ein unbestimmtes
Empfinden aus, ohne daß sich damit ein umgrenzter, verstandesmäßig
bestimmter Begriff verbände. Ob das in der abschleifenden Wirkung des
47
lebendigen Sprachgebrauchs oder in tieferliegenden Ursachen begründet ist,
kann hier unerörtert bleiben. Seihst Lazarus in dem wundervollen, von
zartsinnigem Verständnis erfüllten ,Heiligungs--Kapitel seiner Ethik bringt es
nicht zu einer präzisen, die verschiedenen Nuancen treffenden Definition, ja
er bringt sich von vornherein um die Möglichkeit, zu einem solchen,
wissenschaftlich gevilä wünschenswerten Ergebnis zu gelangen, weil er —
aus naheliegenden Gründen — eine Scheidung zwischen religiös Heiligem
und sittlich Heiligem vornimmt, die den im Kerne durch und durch
religiösen Begriff des Heiligen seiner Klarheit beraubt.
Was ist nun — nicht heilig — sondern tt'np? Während in den
, Neunzehn Briefen-, die ja vorzugsweise Qeschic h tsp hilosophie ent-
halten, der dem Reiche des individuellen Seelenlebens angehörige Begriff der
r'v^np naturgemäß nicht erörtert und auch noch im Choreb auf eine tiefere
Erfassung des Begriffs verzichtet wird, gelangt er in den „Grundlinien einer
jüdischen Symbolik" (1859) in wenigen lapidaren Sätzen zur Entfaltung und
endlich im Pentateuch-Kommentar zur rnilP 'Tffipz nw "[IDD ''ü) zu licht-
voller, lückenloser Klarheit. Das dort von S. R. Hirsch Bemerkte muß
ich hier als bekannt voraussetzen. Offenbar ist es die Tatsache, daß nicht
nur der Mensch, sondern Gott ^pp genannt wird, die als ein zum Nach-
denken zwingendes Problem erscheint. Den Menschen läßt sich sagen:
„Werdet, seid heilig" d. h. kämpfet Eure Triebe nieder und nähert Euch
dem Zustande des kampflosen Rechthandelns Aber von Gott, bei dem ein
Kampf nicht denkbar, also auch der Begriff der „Kampflosigkeii" durchaus
sinnlos ist? Auch der Ausweg ist versperrt, der den Begriff als einen vom
Menschen auf Qott übertragenen ansehen wollte. Denn ausdrücklich wird
umgekehrt die ri'vr'np Q o 1 1 es als Quelle, als Ursache, als Gewährleistung der
menschlichen Heiligkeit statuirt: i;{< ^np -'S □"'^np Dn^üV Und nur wer
den wahrhaftigen jüdischen Gottesbegriff in eine unwirkliche „Idee" aufzulösen
sich unterfängt, könnte sich damit zufrieden geben, in der „Heiligkeit" Gottes
ein idealisiertes Abbild der menschlichen „Heiligkeit" zu erblicken.
Die gegensinnige Verwandtschaft von 2^np mit B^np führt auf den
Weg zur Erkenntnis des Sachverhalts: Wie ^-[p die völlige Hingabe an
das Sinnliche, an den Stoff, mit allem was drin lebt und webt, bedeutet,
so ist 'i:»!!^ das Gegenteil: die völlige „Freiheit", die völlige „Los-
gelöstheit" vom Sinnlichen, vom Stoff.
Damit sind mit einem Schlage alle Schwierigkeiten gelöst, und alle
Konsequenzen in nuce gegeben.
Für Gott, den Einzig-einen, is* der Begriff der ntVMp ei" einheit-
licher, positiver.
Hier heißt ij^np wörtlich: „absolut" (von absolvere), zu deutsch:
„losgelöst", als reiner Geist erhaben über die Materie, über die Bedingungen
ihres Werdens und Vergehens, daher frei, ewig und unsterblich.
Für den Menschen, das Doppel wesen, das zwar dem Weltenstoff ange-
hört, in dessen Inneres aber der Schöpfer einen Funken s eines Wesens
hauchte, gewinnt der Begriff der nVMp notwendigerweise eine negative
und eine positive Nuance.
Negativ gefaßt bedeutet nwnp die F r e i h e i t von der zwingenden Macht
der Materie, des Leibes, der Sinnlichkeit (daher vnn DiB'np — Vnn a"'B'TlC)
und die daraus fließende ewige Bereitschaft des sittlichen WoUens
zur Vollbringung des Qotteswillens.
Positiv i'rh ^Mp) ist's die vollendete Hingabe des über die
Sinnlichkeit triumphierenden Gottesfunkens im Menscheninnern a n den ihm
wesensverwand;en Schöpfer, wie sie hie nie den in den Momenten höchsten
sittlichen Vollbringens (siehe den Gegensatz zwischen der negativen n^3;~
und dem positiven ^Mp bei -^^n ]no. Jeschurun), jon d'"')V''
aber in der vollendeten Rückkehr des Gottesfunkens sich vollzieht.
Der Mensch kann ^'-\p werden, kann sich innerlich erheben über
seine Sinnen weit, weil Gott ^np ist, weil Fr frei und absolut waltet über
dem Stoffe und weil es ja Geist von Seinem Geiste ist, den Er hineinge-
senkt in die Menschenbrust.
Daher wird gerade bei r^i^ qi n^lp ^oU a\ii]:;-\p'a 11X3 gepriesen
und auch in den Psalmen (68,25 und 77,14) Gottes n'Z'lip in Verbindung mit
jenem selben Siege des Gottesgeistes über das Naturgesetz am Meere gefeiert,
weil die „Absolutheit des Gotteswillens" (d. i. Losgelöstsein von den Bedingungen
des Natu'gesetzes) gerade dort epochemachend hervortritt.
Daher auch wird es andererseits verständlich, wenn die talmudische
Lcberlieierung auch das auf Menschen bezogene ^np ohne weiteres mit
, unsterblich" identificiert und im Hinblick aui das Ziel der sitt-
lichen Entwicklung die Worte ausspricht: □^i'-iizi nri^jm [VüD ^^<B'2M "Til
f'a z"-^ pTi-:D) .G-'O-'-'p cb^v''• an ^x-
„DasAbsolute d er S i 1 1 1 i ch k e i t und des Da s e ins iä 1 1 1
zusammen, weil es aus einer Wurzel stammt."
Anders gefaßt: In dem Begriffe der nti'iip vereinigt sich die ethische
und die m ;taphysiiche Würde des Menschen zur höchsten Einheit, der
Mensch wird unsterblich frei, weil er auf dem Wege des sittlichen
Handelns auch die letzte Instanz der „Sinnlichkeit", den Tod, schließlich
überwindet; Gott aber kann sich zum höchsten Vorbilde der Sittlichkeit
setzen, weil aus ihrer innersten Natur heraus die Qott entstammende, im
sittlichen Handeln freigewordene Menschenseele Ihm, ihrem Eigener, dem
absolut Freien, entgegenwallt.
1113
Die nächstliegende Beziehung zwischen Clip und 1113 ruht in der
einfachen Tatsache, daß beide Begriffe unzählige Male im jüdischen Schrifttum
von Gott ausgesagt werden. Für die vulgäre, vermutlich erst mit dem
Erlöschen des lebendigen hebräischen Sprachgefühls entstandene Auffassung,
die "Ti- mit „gelobt" oder „gepriesen" wiedergiebt, erschöpft sich die Be-
ziehung der beiden Worte damit. Nicht so im Geiste S. R. Hirschs, der
schon in den „XIX Briefen" das Wort konsequent mit „segnen" übersetzt
und es S. 23 der 2. Aufl. also definiert:
"12 heißt segnen, den Verhältnissen eines Andern Gedeihen
geben oder anwünschen. 'n "z heißt daher Gott segnen, d. h.
die Erfüllung seines Willens „gedeihen" lassen oder ihm
Gedeihen „anwünschen" d.h. seinen Willen erfüllen oder zu
solcher Erfüllung Entschluß aussprechen.
Daß y^- in der Tat so wiedergegeben werden muß, hat S. R. Hirsch
an anderen Stellen seiner Schriften überzeugend nachgewiesen, und es kann
hier nicht unsere Aufgabe sein, die dagegen erhobenen Einwände kritisch zu
prüfen. Jedenfalls bildet der Begriff ";"i- mit Gott als Subjekt und ~" mit
Gott als Objekt einen entschiedenen Gegensatz zu cnp. Qott als der
„Absolute", als das unveränderliche Ideal der Sittlichkeit ist keiner irgendwie
gearteten Veränderung oder Entwicklung unterworfen, kann überhaupt nicht
Objekt menschlichen Tuns werden. Während daher der Ausdruck 'n tripc
oder 'n ac cnp nicht eine objektive Erhöhung der „Heiligkeit" Gottes
bedeutet, sondern lediglich die Anerkennung dieser Absolutheit durch
Wort (~E'i"p /K'iip) oder Tat (Märtyrertod), tritt in ~'iz eine ganz neue
Beziehung des Menschen zu Gott oder wenigstens zum Gotteswillen (da
Gott selbst unerkennbar ist) hervor. Dieser Gotteswille will etwas auf
Erden, er möchte ein großes Werk, das in der Zeiten Folge sich entwickelt,
gedeihen sehen, und eben die bewußte Förderung dieses
Gotteswerkes auf Erden, die Mitarbeit an der Realisierung
der Gotteszwecke im Kulturprozeß heißt „Gott segnen". So
bildet der Begrifi einer geschichtlichen Entwicklung die not-
wendige Voraussetzung des ~'" — Gedankens; nur weil dem freien Spiel
der freien Menschenkräfte im geschichtlichen Werden der Jahrtausende
hienieden ein Ziel winkt und ein Zweck vorbestimmt ist, weil aus der
Summe menschlicher Handlungen manche diesem Zwecke harmonisch dienen,
manche ihm entgegenlaufen können, darum vermögen w i r durch bewußtes
sittliches Vollbringen Gottes Willen, Gottes Werk „Gedeihen zu
spenden", ihn zu segnen. Es ist darum kein Zufall, daß in den „Neun-
zehn Briefen" mit ihrer scharfen Frontstellung gegen die Gefühlsethik
und deren individuelle „Glückseligkeits- und Vollkommenheits"-Ideale der
fundamentale t;'""p-Begriff vollkommen fehlt und dafür umso kräftiger und
häufiger der ~i"--aedanke entwickelt wird. Die ganze Tendenz dieser
Briefe ist ja darauf gerichtet, geschichMich zu orientieren, und nichts
ist dafür charakteristischer als die Tatsache, daß sogar die Wendung cn*: r"
szn n'::i''; p'^n nicht auf die individuelle Seligkeit der zu Qott heimkehrenden
Seele, sondern auf jenes SiH zbrj bezogen wird, das als Endziel der
geschichtlichen Entwicklung auf dem Schauplatz der Menschen-
tat hienieden winkt, und das seine äußerste Vollendung in CTcn rrr.n,
nicht in rsrn riSET! findet. Der """i-Gedanke mit seinem durch und durch
irdischen Charakter durchdringt unser ganzes jüdisches Leben; selbst im
Gottesdienst der Synagoge tritt er als notwendiges Korrelat zu dem Be-
wußtsein von Gottes nri-p und des Menschen "2'"~p-Fänigkeit regelmäßig
hinzu und geht mit jenem die mannigfaltigsten, fruchtbarsten Gedankenver-
bindungen ein. „So heilig, heilig, heilig r'sis 'n auch ist, so bleibt doch die
Fülle der ganzen Erde die eigentliche Offenbarung seiner Herrlichkeit",
Und von dieser hieniedigen Stätte seiner Herrlichkeit ist — Engel rufen's,
einer dem andern, zu — des Segens, des endlichen Gedeihens sicher diese
Herrlichkeit des "••;■"" ~:nc, des Qoties der Geschichte ('""pc: '" ""rr ~''Z).
Es zeu::it von dem feinen Empfinden unserer Paitanim, daß in ihren grandiosen
Dichtungen, in denen Engelscharen und Menschenchöre im Wettgesange die
Offenbarungen des Göttlichen verkünden, regcmiäßig jene, die „Geliebten,
Lauteren, Starken" um den üottesthron, r"~p und wiederum V'~p ertönen
lassen, diese aber, die „Wackeren, Pflichttreuen, Geraden" auf Erden mit
dem """--Rufe das Gelöbnis ihrer Lebenstat zum Gottesthron emportragen.
Und wenn mit seinem Worte mancher Pflichttreue auf Erden schon Qott
gesegnet d. h. Seinen Willen im Kreise der Menschen tatsächlich
gefördert oder die Sicherheit dieser Förderung ausgesprochen hat Ci-i:
~"r,r\ C'p^'ii}, so läßt der Gedanke an die überweltliche Hoheit des V~.p-
IdeaU das Wort auf der Zunge ersterben, und nur tief im 1 n n e r n der CT'tp,
tief in der Seele derer, in denen sich zu kamp:loser Freiheit der Gottesfunke
durchgerungen, erstrahlt in wolkenloser Schöne Gottes ^cnp: :"ip2i
B'-:pr r c-mp.
48
111.
Das Grundproblem der Ethik ist die Frage, unter welchen Bedingungen
menschliches Handeln als sittliches Handeln angesehen werden könne,
oder mit anderen Worten: die Frage nach dem Maßstab des sittlichen
Handelns. Die Ethik ist ihrer Natur nach eine normative Wissenschaft,
d. h. sie begnügt sich nicht mit dem Erkennen und Beschreiben von
Erscheinungen, sondern sie will aus diesem Erkennen N ormen,Vo rschriften
für Tan und Lassen, Wollen und Nichtwollen schöpfen, und sie ist darum
notwendig auf einen Malistab angewiesen, der ihr gestattet, in jedem einzelnen
Falle zu sagen, was g u t und was böse sei. Zur Auffindung dieses Maß-
stabes sind zwei Methoden denkbar. Entweder es wird der Beweis
unternommen, daß im menschlichen Gemüte (wenn wir die Gesamtheit
der psychischen Kräfte des Menschen so nennen) als ein angeborenes oder
geschichtlich gewordenes Stück Menschennatur ein solcher , Maßstab"
geborgen liege, der dann als sittlicher Geschmack, sittliches Gefühl,
praktische Vernunft, Gewissen den kategorischen Imperativ der
sittlichen Pflicht erzeugt (Kant, Herbart), oder aber die Norm kommt
nicht kausal als Motiv aus dem Menscheninnern, sondern wird durch
den Intellekt abgeleitet ans den Zwecken und Zielen des Weltgeschehens,
denen die Einzelhandlung sich nur anzupassen hat, um sittlich zu sein.
(Schopenhauer, Hartmann, Spencer, Wundt.)
Beide Methoden haben offenbar ihre Vorzüge wie ihre Schattenseiten.
Die erstere wirkt in der gewaltigen Ausprägung, die ihr Kant gegeben
hat, vor allem deshalb so wahrheitskräftig, weil sie den Pf 1 ichtgedanken
in den Mittelpnnkt stellt, ihn allein als Motiv des Handelns ins Bewußtsein
rockt und jeden Ausblick nach Zwecken und Zielen als verschleierten
Utilitarismus oder Eudämonismus mit Energie zurückweist. So dringt kein
Strahl vorgestellter jenseitiger Glückseligkeit oder hieniedigen sozialen Glücks, die
als Zwecke des sittlichen Handelns gelten könnten, in den Ablaut der Vor-
stellungen und Willensvorgänge, und in voller Majestät lenkt das Sittenge-
setz, allein Inder Form des Gesetz es. Wollen und Handeln des frei ge-
horchenden Individuums. Allein dem glänzenden Lichte fehlen die tiefen Schatten
nicht. Abgesehen davon, daß der kategorische Imperativ der Pflicht, in solch
einseitiger Strenge gefaßt, eine innere Verarmung des sittlichen Lebens
herl>eiiiilMt, dali^ et tiotz aller „Autonomie" des Sittengesetzes — wie Schiller
sich ausdrückt — nur für die Knechte sorgt, nicht für die Kinder des Hauses,
gehört dem Grundprinzip der Kanischen Ethik die Zukunft deshalb nicht, weil
ihre Voraussetzung immer wieder bestritten wird: eben das Postulat der
praktischen Vernunft *) Wer bürgt für die Wahrhaftigkeit jener inneren Stimme,
deren historische Existenz zwar durch die Jahrtausende sittlicher Entwicklung
bezeugt, deren ze itloser ewig er Wahrheitsgehalt aber — und das
allein gäbe ihr Recht und Würde — nimriiermehr aus sich selbst zu erreichen ist?
So arbeitet denn die moderne Ethik lediglich nach der zweiten
Methode. Sittlich ist ihr, was dem Zwecke des Kulturprozesses förderlich
ist. Der sittliche Wert einer Handlung wird nicht ausschließlich oder vor-
wiegend von ihrem Motiv bestimmt, sondern von ihrem Zwecke, ob
auch ihr sittlicher Wert unter Umstünden durch ein Bevvußtwerden des
Zweckes in den Motiven wesentlich erhöht werden kann. Da erhebt sich
nun die Frage: was ist der Zweck, besser das Ziel des Weltprozesses oder
- bescheidener — des Kulturprozesses ? Aus dem Gesamtverlaufe des
naturgeschichtlichen und kulturgeschichtlichen Geschehens soll erschlossen
werden, wohin die Entwicklung zielt, und es sind Monumente gewaltiger
Denkarbeit, in denen Männer wie Spencer und Wundt sich gemüht haben,
auf diesem Wege den Grund zu einem sicheren Gebäude wissenschaftlicher
Ethik zu legen. Welches das Ergebnis dieser Mühen ist, das zu prüfen
fällt nicht in den Rahmen unserer Untersuchung. Uns zeigen die ethischen
Systeme von Schopenhauer und Hartmann einerseits, Spencer und Wundt
andererseits, so gegensätzlich sie in der Auffassung des Weltprozesses zu-
einander stehen, doch den einen gemeinsamen Zug, daß sie das Wesen
des Sittlichen in die bewußte Förderung des Wel tprozesses
setzen. Dadurch schlägt ihre Ethik kräftige Wurzeln in dem Boden des
realen Lebens, sie zieht das Individuum in reichverzweigte soziale Zusammen-
hänge hinein und stellt ihm das ganze vielgestaltige Leben seiner Gegenwart
als sittliche Aufgabe. Freilich fehlt dieser Ethik der entschieden normative,
kategorische Charakter und, was schlimmer ist. es fehlt ihr die heilige
Würde, die man dem Kantschen Imperativ so wenig absprechen konnte wie
dem Sternenhimmel da droben. Denn was ist dieser Weltprozeß, der Leben
aus Leben gebiert, um Leben in Tod zu verwandeln? Warum muß ich ihm
huldigen, warum in Freiheit mein Leben einem kräftigeren Leben
(Spencer), meinen Willen einem hvpostasierten Gesamt willen (Wundt)
opfern ?
IV.
Was ist der G r u n dgedanke der jüdischen Ethik? Jeder kleine
jüdische Knabe, der aus dem Lehrhaus, der aus der Kinderstube dir entgegen-
kommt, wird dir die Frage ohne Schwanken beantworten: nii". Gebot,
Gesetz, Pflicht. Es bedarf kaum einer näheren Ausführung, welch
zentrale Stellung der Pflicht begriff innerhalb der jüdischen Lebens-
anschauung einnimmt, kaum des Beweises, daß als Motiv für das sittliche
Handeln im Geiste der jüdischen Ethik einzig und allein der Gottes-
«, Für llfTl.iirt k'ill iiililatis iTiulmiiliH (l<'isi-ll>r KiiiwiUiil in virslilrktcm M:iUc
Wille gelten kann. Dieser Gotteswille äußert sich in der Form des offen-
barten Gesetzes, und seine bewußte Erfüllung macht das Wesen
alles sittlichen Tuns aus.
Nun aber erinnern wir uns, daß eben diesem Gotteswillen, der im
G e s e t z e M o t i V unseres Handelns wird, innerhalb der individuellen
sowohl, als auch der geschichtlichen Entwicklung Zwecke vor-
schweben, Zwecke, deren konzentriertester begrifflicher Ausdruck uns in den
Worten trnp und "i"'- zu liegen schien.
Diese Gotteszwecke zu den unsrigen zu machen, jede Tat unsres
Lebens zwar aus dem Motive heraus zu vollbringen, daß Gott sie geboten,
aber zugleich in dem Bewußtsein, damit dem individuellen Ziele
der inneren Läuterung ( rn ) und dem sozialen Ziele der Förderung
des Gotteswillens in der irdischen Geschichtsentwick-
lung (1^2) zu dienen — das bedeutet die Vollendung des sittlichen
Handelns auf dem Boden der jüdischen Wahrheit.
Ein System der jüdischen Ethik würde unseres Erachtens aus der
Orientierung an diesen drei Maßstäben reiche, fruchtbare Antriebe schöpfen
und seine volle jüdische Eigenart daran entfalten können.
Daß aber in der Tat die Zusammenfassung der drei von uns ins Auge
gefaßten ethischen Momente;
Motiv: der Wille Gottes,
Zweck: einerseits Heiligung des Menschengemütes bis zur
völligen '"nv'^- ,
andererseits Förderung der Gotteszwecke auf
Erden,
kein Traum ist, sondern daß in der Tat die Zusammenfassung dieser
drei Momente zu einheitlicher Menschentat den Inbegriff der jüdischen Sittlich-
keit bildet, das zeigt ein Blick aur die Institution der niscn n:^z.
Aeußeres mechanisches Vollbringen in das Bereich des sittlichen Handelns
zu erheben, das ist recht eigentlich die Absicht dieser ni3"Q. Und siehe da,
sie bringen uns in der Tat in krapper Kürze die Grundlage des Systems der
jüdischen Ethik.
liii'i i;r-!p -nr, so lauten die drei verbalen Gedankenträger in
jeder dieser r'sir, und es ist für denjenigen, dem die Lehre von der jüdischen
Gotteswahrheit keine Floskel ist, wahrlich kein Zufall, daß aus diesen lapidaren
Sätzen, mit denen die Väter unsres Volkes das jüdische Pflichtleben geweiht,
die Synthese alles Wahrhaftigen und Le be nsfähigen in
den ethischen Systemen der forschenden Menschheit uns
entgegenleuchtet.
Selbst die Reihenfolge, die Gruppierung der drei ethischen Grund-
begriffe des Judentums in den r"ri2 ist bedeutungsvoll. Unmittelbar vor
der Handlung ist die Beracha zu sprechen, ihr Gedanken- und Gefühlsinhalt
soll ja in der gesammelten Kraft der T a t zur Verwirklichung kommen. Da
bilden naturgemäß die beiden Ziele des sittlichen Handelns, B'i^p und "la
die entfernteren Momente, und aus dem unmittelbar wirkenden Motive
des i;:3:i heraus hebt sich die Hand, um den Willen Gottes zu vollbringen,
nachdem Intellekt und Gefühl in ~^z und mp geweiht worden.
Die jüdische Ethik hat solchergestalt das Problem gelöst, aus der
Motivation des sittlichen Willens alles auszuschalten, was dem Pflicht-
begriffe fremd ist, dabei aber nichtsdestoweniger die Würde jeder
einzelnen sittlichen Handlung in den vorgestellten, frei zu
fördernden Entwicklungszielen des Individuums wie der
Gesamtheit fest zu verankern.
Wenn unsere alten ":"^-Bücher s:n dS'S im engeren Sinne, also die
Rückkehr der Seele zu Gott, und daneben cmn iT"nn das Wieder-
auf blüh e n eines vo m Gottesgeist erfül I ten Menschenlebens
auf Erden als Zweck und Ziel der Pflichterfüllung kennzeichneten, so haben
auch sie damit nur die beiden äußersten Pole des mp-Gedankens und des
"■IS-Gedankens als Hochziele aufgestellt. Denn die edelste Frucht der nti-np
ist ja das Freiwerden des siegenden Gottesfunkens, und die Vollendung der
durch T"i= gewährleisteten geschichtlichen Entwicklung liegt nicht im Grabe,
sondern im gesteigerten Leben , das immer wieder vom Gottesgeist ge-
weckt wird, ob auch Welten vergehen und entstehen.
Möchten die Leser dieser Blätter es verzeihen, daß ein Laie in den
Hallen der Wissenschaft es wagt, zu den höchsten Problemen des jüdischen
Denkens das Wort zu ergreifen. Was ich hier aphoristisch angedeutet, soll
ein Huldigungsgruß sein für den großen Meister, ein tastendes Vorarbeiten
vielleicht für den Berufenen, der die reichen Schätze der Gedankenwelt
Samson Raphael Hirschs endlich mit dem Rüstzeug wissenschaftlich-philo-
sophischen Denkens ergreifen und die Gedankenkeime, die sein Genius in
verschwenderischer Fülle ausgestreut, zu dem Aufbau einer systematischen
Philosophie des Judentums verwerten möge.
40
Des Abends Dämmer zieh'n mit leisem Rauschen
Diirdi's Gotteshaus zu der Ncilohzeit,
Rings tiefes Sdnveigen atemloses Lauschen
Dem Meister rückt die Kunze/ man bereit,
letzt steht er oben - seine Augen schauen
In milder Klarheit, wie in fernes Land,
Den Sternen gleich, die an dem Himmel blauen,
Der ew'gen Heimat, die uns untekannt.
Es rührt sein üeist ihr Tor — Minuten schwinden —
Jetzt wird besiegelt dort a'.uh sein Geschick,
Durch Engelreihen geht ein froh Verkünden:
„Nach achtzig Jahren kehrt er uns zurück". —
Er ahnt es nicht in seinin Augen sprühet
Der ew'gen Jugend ungebroch'ne Kraft,
In seinem Herzen heilig Eeuer glühet
In seiner Rede ed'le Leidenschaft;
Die Arme streckt er aus und ruft es nieder
„- - dann sprechet ]':x, meine Brüder,
'> Das letzte ]o,s spreeht's durch's ganze Jahr.
O sprecht es aus, so wie es Jetzt erklungen.
So dankerfüllt und freudevoll verschönt,
Spreeht's immer aus, wenn Ihr Euch seLst bezwungen
Und Eures Herzens Widerstreit versöhnt;
l\ Spreeht's aus, Ihr Brüder, wenn auch längst entschwunden
^\ Die Weihestimmung, die uns heut' erfüllt,
Wenn aus Jaum Kipurs hehren Feierstunden
Auch nicht mehr tiefer Eriede uns entquillt;
Spreeht's aus und sehet da, es wird erstehen
Der heil'ge Tag in hoher Majcst'at,
Sein Eittich wird um Eure Schläfen wehen.
Wie leise jetzt der Tag zu Ende geht." —
Dann ward es still des Meisters Stimme schweiget,
Durch's Gotteshaus der nv^tt' Schauer zieh'n,
Der Klung des Schaufors sieghaft aufwärts steiget
Gefolgt von trauten Alltags Melodien. —
Und von dem EuJI der Kanzel, da zum Blicke
Des Meisters er voll Ehrfurcht aufgeseh'n,
Sieht einen kleinen Ktiaben man zurücke
Zu seinem Platze ernst und sinnend gehn.
^ Die Jahre wandern und die Zeiten eilen,
Verklungen ist des Meisters letztes Wort,
Doch in des Knaben Herzen wird verweilen
Die wundersame Predigt fort und fort,
Und wenn alljährlich die Neilostundc
Aus Himmels Höh'n zur Erde kehret wieder,
Glaubt er zu hören seines Meisters Kunde :
r^ dann sprechet pN. meine Brüder." V
n ^ / ^' >',j /7 . /y-y^ y> , T/ _/• Hermann Schwab, i^'t^*^
I
^,,;i*.M^u/^
^^^"^^^^^^^^'^^'^^^ -^
\
50 -
^ BIBLIOGRAPHIE ^
der
Werke, Schriften und Aufsätze Samson Raphael Hirsoh's V'üt.
Von Heinrich Eisemann in Frankfurt a. M.
Es gil)t wohl wenit^e, denen es gleich Samson Rapiuiel Hirscli S'ST vorgönnt war, ununterbrochen, fast (JO Jahre hindurch die
Feder zu füliren. Eine reicli gesegnete sciiriftstellerische Tätigkeit, eine Massenproduktion, doch nicht in dem Sinne, dass durch die
Menge die Güte des einzelnen zu leiden gehal)t hätte, ^^'ohl selten kann man von einem Schriftsteller sagen, dass er, auf der Höhe
seines Schaffens ^t(■h(■nd. oder gar an seinem Lehensabend, noch das gutheisson würde, was er am Anfang seiner journalistischen Tätig-
keit geschrieben hat. iiei Hirsch jedoch waren die Grundsätze in der frühesten Jugend schon so fest, die (iedauken schon so geklärt,
dass der achtzigjährige Greis an den zu 28 Jalircn verfassten 19 Hriefen kein Wort zu ändern nötig hatte. Eiserne ('Onse(iuenz beherrscht
seine Gedankeiuirbeit von den 1!) Briefen Itis zur Cebersetzung der Tc^fillA.
N'orliegende Arbeit Itezweckt nun eine chronologische Zusanunenstellnng aller aus der Feder S. E. Hirsch's stanunendc^n Werke
Schriften und Aufsätze zu geben, anderen ]laud es dem Interessenten möglich ist, sich ein getreues Bild von der erstaunlichen Arbeits-
leistung S. li. Hirscirs zu niachfu. Dieses Hild vollständig zu zeichnen, ist schon deshalb nicht möglich, weil Hirsch V'ST meistens
ohne Namenzfichnung geschrieben hat. .\ndererseits habe ich nur solche Werke etc. aufgcuouuneu, bei denen authentisch die Autor-
schaft Hirscirs feststellt. Möge man deswegen keinen allzustreugen Massstab au diesen Versuch anlegen. Für etwaige Kichtig-
stellungen uiul Ergänzungen wäre ich den Plinsendem zu grossem Danki! verptlichtiit.
Ich halie mich in der Einteilung der Hibliographie nach bewährtem Muster gerichtet, das eine gute Uebersicht ermöglicht, und
zwar halie ich das \'erzeichuis in vier Gruppen geteilt:
a) Selbständige Werke und Schriften.
b) Heiträge zu \\'erkeu anderer.
c) Ikuträge zu Zeitschriften.
d) ( iedruckte Gutachten.
A. Selbständige Werke.
V ci r li e m e r k u n (,' : [ ] licileiitel : Von mir ;inKegel.ene Titel. Hil. I, II. III. IV bedeutet: Gedruckt in dem l>eti-. Band der liesaninielton Selirilten.
?icx nr ;s. Neunzehn Briefe ü b e r
Judentum. Als Voranfrage wegen Her-
ausgabe von „Versuchen" desselben Ver-
fassers ,über Israel und seine PHichten"
herausgegeben von J5en Fsiel, Altona 18:i(i.
I. F. Haminerichsclie Verlags-Buchhdlg.
Dasselbe, zweite Auflage, I. Kauffmanii,
Frankfurt 1889.
Dasselbe, dritte Auflage, I. Kaiittniann,
Frankfurt 1901. 8'^ 120 8.
smr. ,(Jioreb'', V' er suche über Jiss-
roels Pfl ic h ten in der Z erst reuung"
zunächst für Jissroeis denktiude Jünglinge
und .fungfrauen. .Altona 18.S7, Johann
Friedrich Hammerich.
Dasselbe, zweite Autlage, Frankfurt a. M.
18S9, 1. Kauffmann.
Dasselbe, dritte Autlage, Frankfurt a. M.
1899, I. Kautfmann. S" 521 S.
'Snc; "Stc:. Erste Mitteilungen aus
Naphtalis Brie fw (; ch sei , heraus-
gegeben v'on Heu Fsiel, Altona 18,S8, Ver-
lag v. .fohann Friedi-. Ilammerich. 8" 808.
Worte, am 27. NovtMuber dem Gedächtniss-
tage des hochseligen Herzogs l'eter in
der Synagog(^ zu Oldenburg, gesiirochtui.
Auf Verlangen dem Druck überlassen.
Oldenburg 18;i9.
Postscri|)ta zu den unter dem Titi'l :-r
]••>: erscliieneuen Briefen eines jüdischen
Gelehrten und Babbiiien über das Werk:
,;— .r" von dem Verfasser ibss ;-■-, liebst
zwei Heilagen. Altona 1S4(), .loliaim
Friedrich Ilammerich. 8" 32 S.
Beilage A., Einige Hlicke in eine Recension
der wisseiiscliaftlichen Zeitschrift für jüd.
Theologie. 8" S. 82—41.
Heilage B., Das Heft Wiibu'legungen des
Herrn Aul). 8" S. 41-52.
.Hill. Anmerkungen zu den Bemerkungen
eines Protestanten über die Konfession
der 22 Bremischen Pastoren. Von einem
Juden. Oldenburg 1841, 8" M2 8. Druck
u. Verlag von (ieriiard Stalling.
Zweite Mitteilungen aus einem Brief-
wechsel über die neueste jüdische fiiteratur.
Ein Fragment. Altona, ' 1844. 8" 50+2 8.
I F. Hammerich.
R u n d s c h r e i b e n an dit; Isr. Gemeinden
Mährens. Nikolsburg, .luli 1847. 4" 1 Bl_
i; u n (1 s !■ h r e i b e n an die Jsr. Gemeinden
Mährens. Nikolsburg, Oktober 1847. 4» 1 Bl.
Ein Wort zur Zeit an unsere christ-
lichen Brüder im gemeinsamen Vaterland,
Nikolsburg, 20. März 1848. 4" 1 Bl.
.\n die ehrsamen isr. (Jiemeinden in
der Provinz Mähren
1848. 4". )! S.
i; II II d s c li r e i i) t; ii
tienieindeii MähriMis.
toi)er 184S. 4" 1 Bl
1! 11 n d s c ii r e i b e ii
Mährens. ,\iko!slmr<:
4" 1 Bl.
R u n (1 s (• h r ts i b e ii an die Isr. Gemeinden
.Mährens u. .A.iifriil', Nikolsburg, i:J. März
1849 4" 1 Bl.
I Aufruf Scliiilirrüiidimg betretfend.) Frank-
furt a. .M., im Feiiruar 185:$ 8". ;5 8.
isr
. Nikolsburg, 28. März
au die bllirsaiiK^n Isr.
Nikolsburg, 8. Ok-
111 die Isr. Gtuneinden
, 2(1. Deztmiber 1848.
IZirkular, Freiplätze in der Schule be-
treffend | Frankfurt, Sejitember 1854 8» I Bl.
Die Religion im Bunde mit dem
Fortschritt v. einem Schwarzen. Frank-
furt a. M. 1854, Reinhold Baist 8", 34 8.
Bd. üf (489—530).
Das Resultat der , Offenen Anfrage" l''rank-
furt 16. Juni 1854. 4" 1 Bl.
Das Rundschreiben des Vorstands
zu Stuhhveissenburg gegen Herrn Dr.
Guggenheimer, Rabbiner daselbst, fvritisch
beleuchtet. Frankfurt a. M., Druck von
Reinhold Baist 1856 8". Separat-Abdruck
aus dem .Teschuriin.
An Hohen Senat der freien Stadt
Frankfurt. Auf den Hochverehrlichen
Ratschluss vom 18 Juli 1858. Gehor-
samste Vorstellung und Bitte von Seiten
des Vorstandes der Israel. Religionsge-
sellschaft daliier. Gesetz das Verhältnis
ihrer Mitglieder zu der hiesigen Isi'ael.
Gemeinde, insbesondere ihre paritätische
Gleiclistellunuf in Kultus- Angelegenheiten
betreffend. Frankfurt a. M. 1558 8". 22 8.
Worte bei der S ch u Ifeier der l'iiter-
r i eil t san sta 1 1 der 1 sraeli ti sehen
Re ligionsgesellschaft zu Frank-
furt a. M., den 9. November 1859, am
Voraben<l der Schillerfeier gesprochen.
Nach stenograiihischer Aulzeichnung.
Frankfurt a.M. 1S59, 1.Kauffiiiann 8". l(i S.
Dasselbe 2. Autlage, l-'raiikfurt a.M., 1905,
1, K'aiitfiiianii.
Gedruckt im ^.leschunin" 1859,60 Heft 4
(188-203).
d -
Gedruckt im Gedenkbuch zu Friedrich
von Schillers hundertjährigem Geburtstag,
auf S 16.
Vorläufige Abrechnung [gegen
Frankeis Darke Hamischnah], Frankfurt
am Main, 15. März 1861. Seperatabdruck
aus dem ^Jeschurun". 8» 31 S.
Einige A n d e u t u ng e n über die
Benutzung der ersten Lebens-
jahre für die Erziehung. Frank-
furt a. M. Programm 1865 4». 25 S. Bd.
IV (417—433). *)
Einige Andeutungen über den
h e b r. Unterricht als allge-
meines Bildungselementinun-
serer Schule. Programm, Frankfurt
a. M. 1866 40. 24 S. Bd. II (433-448).
Von den Beziehungen dei- all-
gemeinen Blldungselemente
zu der speziell jüd. Bildung.
Programm, Frankfurt 1867 4». 28 S. Bd.
II (449 - 466).
Der Pentateuch, übersetzt u erläutert.
Erster Teil : Die Genesis Frankfurt a. M.
1867, I. Kauffmann 633 S. 8^
Dasselbe, zweite Auti. Frankfurt a. M. 1883,
I. Kauffmann.
Dasselbe, dritte Auti. Frankfurt a.M. 1893,
I Kauffmann.
Dasselbe, vierte Aufl. Frankfurt a. M. 1903)
I. Kauffmann.
Auch mit hebräischem Titel mm *rain nu'on
-K"!:!:i c;-:nc <i"U'si: -^bc 's pSn
p'zb r'c-n jisacvp
|"0T BIICpjN-B
Von der Pflege des sittlichen
M 0 m e n t s i n de r S c h. u 1 e.. Programm,
Frankfurt 1868 40. 14 S. Bd. I (281—295).
Pädagogisches u. Didaktisches
aus jüd. Sprach- und Sj)ruch-Gedanken.
Programm, Frankfurt 1869 40. 10 S.
Der Pentateuch übersetzt u. erklärt.
Zweiter Teil: Exodus. Frankfurt a. M.
1869, I. Kauffmann 614 S. 8».
Dasselbe, zweite Aufl., Frankfurt a. M. 1893,
I. Kauffmann.
Dasselbe, dritte .\ufl., Frankfurt a. M. 1899.
I. Kauffmann.
Dasselbe, vierte Auti. Frankfurt a. M. 1903,
I. Kauffmann.
Auch mit hebräischem Titel mm 'rein nran
p zh t: :-n psac-ip
I
■z phn
21 E!iiep:s-.2
Einen Einblick in einen altjüd. Er-
zi(:hungskanon Pi'ogramm, Frankfurt a. M.
1870 4". 17 S.
Aus dem r a b b i n i s c h e n Schul-
leben. Programm Frankfurt a.M. 1871 4".
26 S.
Denkschrift über die Juden-
frage über das Gesetz betreffend den
Anstritt aus der Kirche, Berlin 1873 8".
15 S. Bd. IV (239-253).
Von dem pädagogischen Werte
des Judentums. Programm Frankfurt
1873 40. 23 S.
Der Pentateuch übersetzt u. erläutert
Dritter Teil: Leviticus Frankfurt a. M.
1873, I. Kauffmann. 749 S. 8».
Dasselbe, zweite Aufl., Frankfurt a.M. 1894,
I. Kauffmann.
Dasselbe, dritte Aufl., Frankfurt a. M. 1898,
I. Kauffmann.
Dasselbe, vierte Aufl., Frankfurt a. M. 1903,
I. Kauffmann.
Auch mit hebräischem Titel mm 'U>oin nB>on
snp"i
lED 'J
pSn
-Kiaoi crmo
P"bS :"h':r\ psas'ip " j"ot s-iiEpjx^E
Instruktion für die Restauration der
Isr. Religionsgesellschaft zuFrankfurt a.M.
Bekanntmachung, 10. Septbr. 1874. I C.
Brönners Druckerei.
Friedhofs- u. Begyäbnissord n ung der
Isr. Religionsgesellschaft in Frankfun. 8 S.
Von dem Zusammenwirken des Hau-
ses mit der Schule. Programm, Frank-
furt 1874 4«. 19 S. Bd. IV 434-452
Statuten der Kehilath Jeschurun in Frank-
furt a. M. Buchdruckerei Louis Golde,
Frankfurt a. M. 1875, 20 S.
Synagogen -Ordnu ng für die Synagoge
Beth Tefillath Jeschurun der israelitischen
Religionsgesellschaft in Frankfurt a. M.
Druck von C.Krebs-Schmitt, 5613-1874.
8» 10 S.
Aphorismen, Programm 1875 4^. 19 S.
Das Princi]) der Gewissensfreiheit
und die Schrift des Herrn Rechtsanwalts
und Notars Makower über die Gemeinde-
verhältnisse der Juden inPreussen. Frank-
furt 1874. 80 41 S. Bd. [V. 254—294.
IsraelitischeGlau bensgenossen.
[Aufruf, Austritt betr.| Frankfurt, 187 6.
40 1 Bl.
Der Austritt aus der Gemeinde.
Frankfurt, 1876, I. Kauffmann. 8». 20 S.
Dasselbe, zweiter unveränderter Abdruck.
1904. Bd. IV. (295—310). 8 " 20 S.
Der Pentateuch übersetzt u. erklärt
IV. Teil: Numeri. Frankfurt a. M. 1876,
I. Kauftmann 8» 517 S.
Dasselbe zweite Aufl., Frankfurt a. M. 1895,
I. Kauffmann.
Dasselbe, dritte Aufl., Frankfurt a. M. 1899,
I. Kauffmann.
Dasselbe vierte Aufl., Frankfurt a.M. 1903,
I. Kauffmann.
Auch mit hebräischem Titel ü-m 'rain nran
-pjsiB — isinoi Dr.mo -ziftz -sd 'i pSn
s'zh T'Snn
pSCE'ip
•CT ÜIIB
Sendschreiben an den löblichen Vor-
stand der isr. Religionsgesellschaft, Hier,
Frankfurt a. M., den 26 Januar 1877 4"
4 S. Bd. IV (311-315)
Offen erBrie f an Sr. Ehrw. Hr. Distrikts-
Rabbiner S. B. Bamberger in Würzburg.
Frankfurt a. M, 1877, I. Kauffmann S»
28 S. Bd. IV (316—343)
Die offene A n t w 0 r t Sr. Ehrw. des
Herrn Distrikts-Rabbiner S. B. Bamberger
zu Würzburg, auf seinen an denselben
gerichteten offenen Brief. Frankfurt a. M,
1877, L Kauffmann 80. 61 S. Bd. IV (344
—407).
Der Pentateuch übersetzt u. erklärt.
Fünfter Teil: Deuteronomium, Frankfurt
a. M 1878, I. Kauffmann S« 588 S.
Dasselbe, zweite Auflage, Frankfurt 1895,
I. Kanttmann.
Dasselbe, dritte Aufl., Frankfurt a. M , 1899
I. Kauffmann.
Dasselbe, vierte Aufl., Frankfurt a M. 1903,
I. Kauffmann.
Auch mit hebräischem Titel mm 'Com rnroPt
-si:ei crma c'-2in -bd 'n phn
:-iEpJS-E
p'üh rrh-n pxcE'ip
Die Psalmen, übersetzt u. erläutert in
2 Teilen, in 5 Büchern, Frankfurt a. M.
1882, I. Kauffmann.
Dasselbe, beide Teile in einem Bd., zweite
Aufl., Frankfurt a.M. 1898, I, Kauffmann
811 S. 8".
Auch mit hebräischem Titel cj^mc c'7nn idd
'3 s-nne
P'-eS n
2"S -zc |ic'N- phn -isiaai
n pxcB'ip
■lEpjSIB
[iBcn gehalten auf seine Frau am 23. April
1882 Nach dem Gedächtniss aufgezeich-
net. 4 S. 4".
Ueber die Beziehungen des Tal-
muds zu m Judentum und zu der
sozialen Stellung seiner Bekenner. Frank-
furt a. M. 1 884, I. Kauttmann 8 0. 38 S.
T i s c h r i , Aus dem „Jeschurun". Separat-
Alidruck aus dem „Israelitischen Reichs-
boten'', 1891. Verlag von Moritz Baum.
80. 32 S.
'rsnii" m'?En Tnc. Israels Gebete übersetzt
und erläutert. Frankfurt a. M. 1895, I.
Kauffmann 758 S. 8 ".
Dasselbe, zweite Aufl., Frankfurt a. M. 1906,
I. Kauttmann.
Gesammelte Schriften von Rabb.
Samson Rajihael Hirsch I Band Frank-
furt a. M. 1902, I. Kauffmann. 2. Aufl.,
Frankfurt 1908. I. Kauffmann, 486 S. 8»,
Gesammelte Schriften von Rabb.
Samson Raphael Hirsch II. Bd. Frankfurt
1904. 1. Kauffmann 477 S. 8 •>.
G e s a m m (( 1 1 e Schriften von Rabb.
Samson liaph. Hirsch III. Bd. Frankfurt
1906, I. Kauffmann 561 S. 8".
Gesammelte Schriften von Rabb.
Samson Raph. Hirsch IV. Bd Frankfurt
1908, 1. Kauffmann 515 S. 8^
Die in den Einladungsschriften bis zum Jahre 1.S75 sich belindenden Schulniichrichten, die auch von Hirsch sind, sind hier nicht berücksichtigt worden.
B. Beiträge zu Werken anderer.
Rabhiiiisclie Gut;iclit('n über die Hesclinei li un^' t;esanunelt G ediMik- Hucli zu Fi-iedricli von Schillers' hundertjährigem
und lieiaiisgeireheii von Salonion Abraham Trier, ÜabbiiKir Krank- Geliui'tstag, begangen in Frankfui-t a. M., den 10. November
iiirt a.M.. i )iiiek vnn der .1. F. iiacirschen Buch- und Steindruekerei 1S59. Kine Festgaiie lierausgegeben unter freundliciier Mitwir-
1^44. 8" (eiitiiait auf Seite 1-4 e'in (iutacliten S. i;. Ilirselfs '? :).
T- cc-; " -rSa s: p^zh n-n prs- "!S n;:rs-n n-zr.r: iT,s;pn r\-'.r]
S UM i' r üETE :ps" ---: m;i:n ]: enthält ein (iutacliten v(jii S. H.
kiiiiii- de)- beteiligten KöriKM'scliaften . mit Ki Tafeln den Fest-
ziig dai'stolleiid, gezeichnet von F. ('. Klimscli. Frankfurt a. M.
^■e|•lag von Ili^iiiricli Keller 18(iO. 4" (entliält auf Seite 16: Die
lirscli. die P.rauiiscliweigische Kalthiiierversaniinluim- l)etrett'eii(ii4o. Scliiilei'ede S. K'. llii'scirs).
C. Beiträge zu Zeitschriften
No. Monat Jiihr
1. Octl). 1854.
Titel.
I. Jahrgang.
a) J 0 s c li 11 r u n.
Ge3. Sclir. No. Monat Jahr
7. April 1857
Prospeotus
Tiscliri T. i-U
Der Jude und seine Zeit ^ 14S)-159
Jüdisches Uemeiudeweseii I. „ 212-217
Grundzüge der Organisation und Aufgabe ^- ^^^'
eines jüdisch-religiösen Gemeinwesens . 217-222
261-265
9. Juni
2.
Xovbr.
-
li.
Dezbr.
n
1
•n
V
4.
Jan. 1855
«
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5.
Febr.
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6.
März
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Juni
Juli
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11.
12.
Aug.
Septbr
-
12-16 ^0. Juli
160-161
1. Okt. 1857.
2. Xovlir. "
;i. Dezbr. „
4. Jan. 1858.
5. Febr.
1. Okt. 1855.
2. Novbr. "
3. Dezbr. .
4. Jan. 1856.
5. Febr.
G. März ,
7. Apiil
8. Mai
9. Juni
10. Juli
11. Aug. .
12. Septlir.
1. Okt. .
2. Xovbi. .
:i. Dezbr. .
4. Jan. 1857.
5. Febr. .
6. März .
7. April ,
Jüdisches Schulwescui
Cheschwan
Die jüdischen Ceremonialgesetze „ 160-167 " '■
Jüdisches Gemeiudewesen 11. . 222-231 ^^- •^"^'
Kislew , 17-24 ^-- ^''Pt')r
Aus der Mappe eines wandernden .luden lOc II .. 436-443 "
Jüdisches Genieindewesen III „ 231-235
Teweth (Der zelnite Teweth) „ 25-30
Der jüdische Sabbatli I .168-170
Der -Sabbatli, eiu von Gott verordneter Tag
der Kühe . 170-173
Jüdisches (ieineindewescn 111 (Fortsetz.) „ 235-239
Schewat (15. Scliwatj „ 31-41
Der Heligionsuntci'riclit . 266-280
Ans der Majipe eines wandernden Juden HI . 443-445
Adar (Purini) . 42-50
Derjüd. Sabbathll(DerSabb.dSchöpfung) . 173-180 "
Jüdisches (iemeindewesen 111 (^Fortsetz.) , 239-260 (j '\,l[\yz
Nissan (Pessacli) , 51-70
Ijar (die ScHi-a) . 71-79 ; \L.\\
Der jüil.Sabiialli HI (Der Saldi. ind.W'iisd') . 1S()-1.S8
Aus der .Mapi»' eines wandrniden .luden I\'. . 451-457 J m",,
Siwan myru*, ::?■':) jr^ p: , 80-114 g' jm,,
Taiuus (17. Tanius) „ 114-122
Derjüd. Sabbatli I\' (Der Sabb. d.lOGebote)„ 188-197 lo. Jujj
Aus der Mappe eines wandernden Juden \'. . 457-463 n \„o-
Die Trauer des 9. Aw . 123-139 \o' '^,.p|'
Sehofar und Seliclidt „ 139-148 ^'
Derjüd. Sabbath\'.(DerSabb. 11. derTeinpelu 197-205
Aus der Mappe eines wandernden Juden VI. „ 463-470
II. Jalirgang.
Tiscliri ( I'osch haschono. Teschubah-W'oclie.
Join Ki]iiiiii. Sukk(illi) III. 1-43
( lescliiclite der Juden V(in Di'. lI.OraetzK^ 11
Cheschwan II. 16-23
(ieschichte der Juden von Dr. II. Graetz III
Kish'w (Die 4 Chaniikka) III. 54-79
Geschichte der Juden von Dr. II.(lraetzIV( 1 )
.\us Jerusalems letzten Tagen . 80-92
Geschichte d. Juden von Dr. II.( iraetz IV(2)eVV.
I'lin Wort au Herrn Kirchheiiu
Schewath (Die Frühlingspredigt im\\'inter) H. 49-59
Der jüdische Sabbatli \l (Der Sabbatli
und die Hrziehung) 1. 205-211
Adam. Weadar: 1 ) Dieverscliieilenen(irössen
2) Die vier Lichtgedanken
der ringenden Grösse II. 59-71 v n v
Geschichte der Juden von Dr. H. (!raetz VI.
Nissan, die vi(>r jüdischen Toaste IV. 87-107 j ,)k^ m59-
Ijar( Wochen 11. Taged.Uebergangsperiode) . 108-117
Geschichteder Juden von Dr. II.'(iraetz VII. " " "
Siwan (ZuniFeste unserer (iesetzgebung) H. 108-123
Taniiis( . I'astlagd. Finiiahine.Ieriisaleuis) . 124-1.38
( ieschichte dei- .ludi'ii von Dr. II. (iraetz \'III.
Aw (Zum Trauerfest tag der Teinpelzerstöruiig)
Die jüdische Heiterkeit 1.471-480
Flui (Zu den Selichothtagen) IL 153-159
1.
Okt. 1858.
•}
Novbr. ,
3.
Dezbr. ,
4.
Jan. 1859
5.
TT r
Febr. ,
6.
März ,
1 .
TT TT
April „
8.
Mai ,
9.
Juni
10. Juli
»T TT r
11. Aug. ,
12. Septbr. „
2. Novbr.
3. Dezbr.
4. Jan. 1860.
11! Jahrgang.
Tiscliri (Tiscliribibler. die Weibl. ( irilppe) . 1-15
Cliescliwan III. 44-53
( Ieschichte der. Iiidi n von Dr. ll.Oraetz I.\. 5. l'ebr.
Kislew ( Der Helleiiisniiis iinddas.rudeutnm) II. 24-40 ., „
Teweth (Das .Jiidentiiiii und Itoiii) II. 41-48 6. März
Schewiith (S(diekoliiii) III. 100-108 ,
( ieschichte der .luden vini Dr. II. ( iraetz X. 7. .\|iril
.\dar, Ilaiiians etlinegraiiliisflie Scliilderiini,'- . „
der .luden IH. 114 129 8. Mai
Nissan (Die ..Arboo Boiiinr) IH. 130-151. „ ,
Titel Ges. Sehr.
Ansprache eines nüchternen Trunkenen in
einer Vei-sammlung trunkener Nüchterner,
gehalten auf dem grossen Marktplatze
zwischen dem Elieine und der Oder am
Purim 5617: HI. 549-553
Ijar III. 152-162
G eschichte der Juden von Dr. H. Graetz XI (I)
Siwan m. 163-180
Tamus „ 181-192
Aw III. 193-201
(ieschichte der Juden von Di-. II. Graetz XI (2)
Eliil III. 202-212
Grundlinien einer jüdischen Symbolik I. „ 213-227
IV. Jahrgang.
Sehofar IV. 1-16
Grundlinien einer jüd. Symbolik II (1) III. 227-240
Cliescliwan IV. 17-27
Fin Stück Zeitgeschichte
Kislew (Die Minorität) „ 28-49
Teweth (Der I^asttag) „ 50-61
(irundliuien einer jüd. Syiiilndik H (2) III 240-254
Schewath IV. 62-74
Synagogen- und Gebetordnung für die
Israel. Kultusgemeinde der Pfalz IL 343-357
Adar IT. 75-86
G^escliichte der Juden von Dr. IL ("iraetz Xll
Nissan
(irundliuien einer jüd. Svinbolik IH HI. 254-268
Ijar
Siwan IV. 118=127
Grundlinien einer jüd. Symbolik IV (1) III. 269-290
Tamus (Israels Verfall) IV. 128-140
Aw „ 141-1.50
Flui . 151-159
Grundlinien einer jüd. Symbolik IV. (^2) III. 290-301
V. Jahrgang
Tiscliri (die beiden Lose)
(irundlinien einer jüd. Symbolik IV (3) III 301-318
Cheschwan (Die Gemeinde)
Kislew (.M hanissim)
Der zehnte Teweth
Grundlinien einer jüd. S.ynibolik V (1) „ 318-333
Schewath (Unser Wiutertrost)
Adar- und Weadar-Gedanken
Grundlinien einer jüd. Symbolik V (2) „ 333-348
Nissan
Ijar (Sefira-Betrachtungen)
Siwan (Zum Feste der (iesetzgebung)
(irundliuien einer jüd. Symbolik VI „ 348-369
Tamus (S(dl ich noch weinen und fasten?)
Grundlinien einer jüd. Symbolik Vll (1) „ 370-379
Aw (Warum ging Juda ins Exil?)
Flui
Grundlinien einer jüd. Symbolik VII (2) „ 379-389
VI. Jahrgang
Tiscliri (Der Teruatag)
Aus einem Briefwechsel über die Psalmen
(I und H) I. 324-338
Cheschwan (Die Berachotli)
tlrundlinien einer jüd. Symbolik VIT (3) Hl. 389-396
Kislew (Chaniikka)
Aus einem Briefwechsel über die Psalinen(3)l. 338-350
Teweth (Jüdische F'asttagsgeilauken)
Worte, gesprochen bei der Schulfeier der
Unterrichtsanstalt der Israelitischen Heli-
gionsgesellschaft zu Frankfurt a. .M., den
9. November 1S59, am \'oraliend der
Schillerfcüer. —
Schewath (Schekolliu)
(iriuidliniene.jüd. Symbolik VH(3. Forts.) HL 396-412
.Vdar (Lud gleichwohl)
.Viis einem Briefwechsel über die Psalmen 4 1. 350-363
Nissan (Finige Blicke in Israels .Magna Charta)
Beiblatt: Das Attoiital in Jlambiiri;-
Ijar
Das Hanibiirger Attentat (Art, 1)
IV. 4.53-454
— * O^j — •
So. Uonat -Ulir
!V Juni ISOO
l(t. .luli
11. AUiT.
\'2. St^i'tl'V. .
Titel
Oes. Sehr.
1. Okt. lJ<t>0.
•3. Novl.r. I
8. IVzbr. .
4. .Tan. 1M>1.
ö. Febr. .
ti.
März
t
.Vl-ril
N_
Mai
9.
Juui
10.
Juli
11.
.VUiT.
1-J.
Sei'tl'r,
1. nktl.. l^til
•2. N..vl.r. .
S. Ivz.
4. Jan. 1 >«•;■_'
F.-l.r.
ti.
März
1 .
.\l.ril
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M.ii
;t
Juni
In.
Ju'li
11.
.\ni.'.
MW an
Pas Hamt>uri.vr Attentat (Art _' nn<l :?^ IV. 4ÖS-4T-J
( ; rundlinien o.jikl. Svn\l>olik \" 1 1 1 S. Forts. > 111.41 ■J-4-JO
Taniusi Pas Jerusalem der Zukunft un«! «lie
WeUsresehiehte«
Pas Hamlmrsrer Attentat t Art. :! Forts.» IV. 4T-2-4S:i
A\v iPas Zion »1er /.\ikunft und «lie l\eutiire Kefornn
l>as Hamlnirirer Attentat »Art. .{. Forts.» IV. 4SÖ-4!tS
Flui lUnst^re .Vufg-abe»
Pas Kun.lsehreiben des Voi-stautles zu
StuUlweissenlmrs: sresreu Herrn Pr. iniiTiren-
heimer. Kalit>iner daselbst .
Vll. lahrgang.
Tisohri t Ein Lied von dem Kosehhaschono der Zukunft >
Pas Hamlnirirer Attentat lArt.S Forts.' IV. 4V>S-r>0:>
( heschwan (Unsere Aufirabei
Kislew
Teweth iPie Heilesverkiindunir während
der Belairerunir Jerusalems i
Sehewat i Sohekolim i
.Vnmerkun^dor Redaktion zu dem .Vrtikel
von Gottliel' Fischer: Pes (tl>errattl.iner
und Seminardirektors Herrn l>r. Z. Frankl
hodOiretisehes Werk:
-\ilar (Per (lOtteskamiif sreiren .\maleki
.\us einem Briefwechsel über die Fsalmen ."> I. St!:^-3T 1
Vorläutiire Abrechnunsr
Niss;\n (Zur ress;u'hwoche^
Ijar (St'Uen wir die Setira-(>ebtte streichend»
Herrn l»r. Frankls Frkläninir.
Siwan(Fin Blick in ein altes jiid. Tairebuch» 1. 408-414
Tanuis
iinindlinicne.jüd.SymlMdikVllio.Forts.» 111. 4-_'o-4o(i
PesHrn.viberrabb. Kai«iiMirt Piwn- SchidauniWOt-nn'tli
Aw
Flui (Pic St-lichoth»
.\u> einem Briefwechsel über di.- Psalnit-n
(i. T und > F STl-:i>ri
\nil. Jahrgang.
Tischri. dor alte Tischri nnd die m-xlcrne
Eelisri'Mi
r>er Lewiathan.
Wie iTowinnen wir das Lfixn f. unsere
Wissenschaft r F 41t;-4:^L'
(heschwan. Pädai'-Oirischc Plaudereien . "JlMi-So!)
Pie jüdische Weg-zchruniT IF 4tiT-4T2
Kishw. PädaiTOirischf Plandertit-n F i^oö-^U
.Tüdischf Welt- und Febt-nsjuischauum: 1 . 2.
Altjüdischi- Frömmigkeit
T<wt-tli. Pädair« •irische Plaud'r.i>-n
Jüdisdi.- Wflt- )ind Leben>anschauunir ;F
Was hat eine iresetzestrtUf Miui^rität nt-
iih-iren Wünsclu-n «.'i-irenübt-r zu tun II.
Bücherschau. Kel)ec<a i>d.-r >lasJiid.Wtili
in ihrem reliir. Berufe, eine Federzeich-
uumr vi.n .Mmiham Fevi
S.hewat. Pädair-'trischt- Plan l>rei'-n II
p.T nnirehor;-ame u. widers|>enstiire Snhn
Pi'Kun>t scii.m zu sein u. lauire zu leben III. 5.i4-.")r)ti
.\dar. Pädair"iri>che Plaudereien
Jüd. Wflt- und Lebensan>chauiinir 4.
Nissan. PädaL'- 'irische Plaudereien
.MtjudiMli'- Frömmii.'keit
Ijar. Päda<r">ri>eli.- Plaudereien
>iwan. Pädai'.'iri>che Plauderei.-n
.Iüdi>che Welt- und Leben>an>i-hainni>r •')
.\ltjiidi>clie F'römmiL'keit
Thamu-. Pädair>iri>elie l'laiid'-r-i.-n
•Tiid. W.-lt- und Lebeii>an>e|iauiuiir »i.
.\w. Pädairi'iriseh'- Plaudereien
■Tüd. W'lt- und F'-bfnNan>ehaiiunir T.
Flliii. l'äilair"^'i>'-h.- Plaud'-r.-i'-n
•Tii.i. W>-lt- und F'-b<-n>anseliaiimi«r "».
1. i'krl.r .
2. N . 'r. .
4. Li-zi.r. -
a«a. Sehr.
II 203-220
. 220-245
. 24.")-2r>!t
. 2(io-2T4
2Sf<-2!Hi
2!tT-.S0!t
:t:{r.-;{42
H0!I-H1S
Hl!t-:{H4
No. MoDüt Jahr Titel
4. Jan. ISti:?. Tmveth. Jesaias nnd seine \\"(dt 4.
.'). Febr. . Sehewat ii, Jesaias und seine Welt
l>. März . .\dar, Jesaias und seine Welt. ti.
T. .Vpril . Nissan. Jesaias und seine Wflt. T.
.\ltjiid. Fr.'vmmiirkeit
Pädajr(^irisciie Plaudereien
!•. Juni . Siwan
10. Juli . Thamus
Zum jüd. liemeiitdeleben
11. Aug. . Aw
12. :-ei>t. . FUul
X Jahrgang.
1. Oktlir. . Tischri
2. Novbr. . fheschwan. Worte, am IS. Oktober 18(53
in der Synagoge der isr. Keligions-
gesellschaft zu Frankfurt a. M. ge-
sprochen von Samson Raphael Hirscii
Kislew. das jüdische Weib IV. Iti
18t>4. Teweth. das jüd. Weib .. 1T2
Sehewat. die Natur und dieBibel in derlland
der materialistischen Weltanschauung I. 41.")
Nissan. Rabb. Horowitz in Wien IV. ITT
.Vw. das jüd. Weib 3. ., 180
12. Sei>t. .. Fllul. das jüd. Weib 4. .. litt»
3.
4.
Pezbr.
Jan.
Febr.
6.
11.
März
Autr.
IV. UiO-lüT
-1T2
-ITT
455
185
11)0
IJtti
I. 312-323
3.is-3T4
3T5-38>
554-55ti
II. 3S!l-3!Hi
II. 3iiT-415
111. 44>^-4.V.l
III. 4:>!t-4T5
IV. 40N-41(>
I.X. lahrgang
T;>e!iri. J— ai.i> und >'-i!i- W'-U 1.
P:ida_'-..^'-i-el;.- IMaud-r-i-ü
I !:.-.e!iW;ili. J>->aia> IHld -—il]'- W'-lt 2.
Ki-l-w. .Ie-,iia> i,;id ^.■in•• W'lt 3.
A'r ■;;. Frömniiirkeir
(tktbr
Nnvbr
3. Pezbr
3.
(i.
>_
11.
12.
Febr.
März
Mai
.VUiT.
Sei lt.
-Xl. lahrgang.
I>ti4. lischri. «his jüd. Weib 5. IV. 19T-202
. .. (heschwan. das jüd. Weib (i.
Rückldick auf das Feben einer jüdischen
Hausfrau
Kislew. das jüd. Weib T. .. 202-208
Pas jüd. Weib in der Feberlieferung des
Talmuds
Pas Mainzer Jotirnal und die Ideen der
Nationalität und Humanität, der t'ivi-
lisatiiin uinl Freiheit.
lsii5. Sciiewath. Beiträge zum Verständnis der
ersten Blätter des Pentaleiich. 1.
.\dar. Beiträire zum Verständnis der
ersten Blätter des Pentateucii. 2.
Finige .\ndetitungen für die Benutzinig der
ersten Felieiisjahre für die Erziehung
.\w. Beiträge ztiin Verständnis der ersten
Blätter des Pentateucii. 3.
I'".llul. Pie Scheiiicne Esre. 1.
41T-433
209-218
-XU. lahrgang
1. oktbr Isti."). Tischri. Pie Schemone Esre. 2.
2. N'iivbr. .. ('heschwan, Pie Schemone Esre. 3.
Beiträge zum Verständnis der ersten
Blätter des Pentateucii 4.
3. Pezbr. .. Kislew. Pie Schimone Esre. 4.
T. Ai>ril I8(i(). Nissan. Einig-e .Xuih-titungeu über den
hebräischen Fnteiricht als allgemeines
Bildungseleinent in unserer Schule II.
10. Juli .. .Jüdische Kalenderjdiantasien III.
11. Aug. .. (.\w und EUul: )
12. Sejit. .. (Jüd. Kalenderidiantasieeni
21!t-
220-
222
236
232-238
432-
.531-
448
539
539-548
XIII. lahrgang.
(I.
II. P.o-IT.")
. ]Ti;-i->T
1>T-2m2
!ii.
(»ktbr
Nnvbl
pezbr
Jan.
Febr.
März
April
P.z.
Mai
Juli
AUiT.
Pi-
l>(iti.
l-^tiT.
ixitl.
IXiT.
■l
1."
) altjüdi
diri:
. c h e n .\ u f w ä r t s 1 i e d e r :
1. Pie Klaire
4. Per Hohn
T. Pie träumenden Säer
'.t. 1 >as jüdische (Tlück
10. Pas Olück der Andern
1 1. Pie Schuld
12. Pes Königs Wunsch.
Nachruf
Ijar. Von den Beziehungen der allgem.
Bildnnir>e]emente zu der speziell jüd.
Bildung
Thamus tuid .\w: Pie 15 altjüdischen
.\ulwärt>Iieder: 14. Israels Vereinigung
im Lande.
Ti
( heschwan :
Ki>lew:
Teweth:
Sfhewath:
Adar:
Nissan:
Simon Mav.
II. 449-466
No. Momat J.hr TH*I (.,.,, «,H, ^^^^^^^^ ,^
XIV [ahrgang y„ I. 2, \. f.. >.. 10. l'J. I J. I f;. ]U. tK . iS. 28, .'{f}, '•A.-'A .'{9 42
2. \ov. \^v,t. \nt- \j>(Ur lUr Ki/mj-ltn. I. ^:■,. u. J.'j. u;. iU. f'irk*- Ahorh.
;{. \)t-7.\)T. .. Ki.-.|f-w. U urT*-. s.''-'(in((h>ii i. .1 .■>wi/iL'.,L"- N'' !'', ->r,iriirtri lUs ..Fn-it-n \Vrfiriii.''iirii'".
.l.-rF.'.nifl. \U\\'j.-i :>■-.. 7M Fr-Kik flirr ,,. .\f . V-,. \ I Vi. Fm. r^hhini-oh*: ./udfrirurfi un-l (Ji*r .ozi^lfr fiil.lur.s.' (^mf.hJilf.
arti (»onn.-r»ra<.' ~r — c zwi-rh.-n ~i- .l-n Artik'-I Hir-rh- irn Inr>lliü-.ri'/Ma.r.f von I-.',:;).
iiri.l i—r zum i..-.l;i,hrr)i. -Ir- ,ir.i I,^ NV. \1 V.:. fM-->-U,*- ci, i.-r.fh^lr. .l^-n Arrik»-!: ..fM-. r^hhinivh^r
<hf->«-h»,iri vfT-r.,rl.»-ii.n *>t,«Tr-)ta,iri>r- Jii«l»-r.rijrfi un.l ').r ff>Tr f/r. fff-iV vorn 22. April Ii.',:i irn
.^iilornori Klt-in ^/t zu ' 'ilrn-ir. .'.,irh U\Xi-\\\'ji-M7.\,\A.\.\.).
■>f>Tio:rrH.(ihi»i-ti>-r .\iifz*irhnurii.'.
4. Jan. M«.-*. T.w.rh (in.l .>.h.w^fh: lahrgang 1^87.
5. Febr. .. I>i<- IJ'-il»-r <I'T K'inii')<ii. ::; N'' I- !• •'>. ". !'». I ;, li l.'>. I-. 20. t\ . 2t. 2^;. 2*<. :;';. VI. W. .',(;.
IJi>- I;i-r<-ll»:>f- •!.- fl*mi K'irr-hh»irii. '"*- *" H- *! ^i;. ^T. {'irk*- Xhot.h.
in. '^iiarr.tl. .V',. 7. ■« iiri<l '.»: .\i>ril. .Vl^i uml Juni !->;-: ■^'' ■'' ' i +T. [>i»- .Vfiliurf/rti^hf f|*;r jij(li-"<-:hf:ri i'AvjviU-i[h\iT(:T
l'initra.-« Klijatm IV. .'>of;-.',I .', ifcrr.rirfr. »ririf; {'frr.irion 'lf-r ..Fr*:i':ri Vf-sf-UHjuu'j").
IV. Quartal. .Vo. 10. II ii. 12: Juli, .\iiir. u. .S^rpf.. I ->;■« :
Haa.-!iniih uri'l ilif S^-i^nunir'-ri. ,., n i ^/^^ m^ ; r ^ y^ ;r ,, ,. .i ^ r ,i , . o i-
XV. lahrßarg V,,. 4. ] ,;;;, , Krif.sf.,^,riiin^ auf -li^r An^lff: Af.^. H^rm Dr. Crfrizfrna^h;.
I. (^arral. .N'o. 1. 2 a. ;i: Ukrbr. .Vovhr n.h'-y.lr !'<<;•<: •- 2;i. .. VS'arditiina' fl*^r fVrm^rkunjr^rn zu fJ<^-n Mir.t^ilanjyen au.^
Von '1»T t'fl»->/f ilf> -^ir.rlirh»ri .Vf^m'-nf- in .Vaphr^li- Hnf-.fv-.rh-^M in .Vo. I df:r f-r. .üinalf^n.
'ler .Sf-hul>- I. j'l-j'.K, ■■ -^ .. ForT.v.-rziinir.
IV. f^iartal. .V.,. lo. II u. 12: Juli. \\i'j. u. ><-pf. l-t;r>: •• -'' .. ^f:hlu--.
{'ä<lat'oiri:ffh*-! unil bi'lakri-'h<->- au- jr|.|, •• *'•'>■ .. Kr'Aiil*-nin:.'*rn auf <lif; iU:<U:ukf:h <U-^. Rhap-'O'li-r.en in
.•Sprach- nn'l Spnifhifr l-ink«:n I. :i-f;-:;!»f; No. f, rlf-. fi^rihUrr^^rn
.. *; i. ForT-.rzuni.'.
^^'■'^^'2^^2 ..»;.;. _ U i.l.T ff.-m. f>r. • r..iz..nar-h.
II. «^lartal. .Vo. 4. .'> u. »;: J.in.. F»-hr. uu'l SUm I-T'i: .. ;»(,. .. \VnnUi.niu'.' il*r P>:lf:Uf hrunt' -Ifr. fff-rrn K'ohn in .Vo.
Hin Kapir.l il*-r jiiili-'li'-ri I.'K'ii-ti'ili^runi.'-. i. ;;►;. .;;>, ;2. 4". .'>I. '>i 'li»-,>r Zf-iruni.'
Tr>-nriunL'. .. !t2. .. "fhlu-..
III. '/iiarTal. .V.,. T. ■• uri'l '•>: .\[/ri!. .\f-ji un«! Juni 'f'.o:
Hin Kat.ir.-I ilf-r jn'li»'-h>-n I,>l,'-n-ti'i!i:.'uii:r. 2. 1 l- i .• r ,1- , . ,, , ,
Di- Tr'-nnun-<ra.'.- in K.rl-ruh.-. . '' ' f-_^"' ^'i^ ""— r f r. r- 1 i, /. n z - BU r r . fr.nkfurT, .. .Vf.
l'>»\fnf\iviu-j «l'-r *i<l>'- ■li>- f-r.i*;. \','-l\j - ^"- "■ I "•''''. f>'!.- r-i.hhirii-f-h*- Jinlf-nrurn utnl *lifr -öf-i^lf- f',l\(l\n\ü.
< i»-^. in K'arl-ruh»- vi.n 'l>-:n :/r"--!i>-rz _'!. Fia -T-rf. imil lt:rztt:> U'orT zur V»-r-'r.ii,rt'liL'uni/.
Mln-rrat»- friranj'>-n'-fi .\n-j.r.ii-ti.-. .. ~- Di- r4obini-*-h>- Ju(l»-nrurn unl ij-r ff»rr {}r. ff»-^-..
.\n <lt-n iöf«!. V..r-r.in«l 'l'-r I-r^:»i. f.'.Ü.'.-
IV. «Quartal. .Vm. Im. II n. 12: Juli. Anj. ■■.. ^^-f.r . I-^T'i: _ ' • ■ . -• {....
Hin Kaj.it-I .l.rjii.li-.|,.nL»l..-u-h.ili_nin:.'. :{. • -' ''^" f^''"^^' '"■• ^ '''raharn •<»ii'.r- philov^.hivh^: und
Kin.-n Kinhli.-k in .-in-n alrju-li-h'-n Kr- hi-r.,Tiwh.- Kririk.
zi^huriiT'karK'n.
f' F r i - i ii. KnuU-n.
f.) J •• » <• h u r u ii. I Vt-u'- F'.L"-.' 5-'-hni,;r I-4-i. f'r-r.-^r .-iri.-^ Juil'rn /'-^''-n ila- VoTum »-inf-t • hri«r,t-n
Wochenschrift zur Förderung jüdischen Geis-ei und i:d.-,cr.er: l.tocr.s ;r. tU-^\ ''"" ''"^' Frnanziparion 'l-r Ju<l»-n.
Gemeinde und Schule- >eue Folge. Ersser lahrjanj. Herau-.se^eb^n Dit ^ ofurn. il>-r Pror»:-r. iin'l ili*- .\uf/*'irt in '1er
unter .*1itwirkunz des Begründers und be-iährter Oeno<».en von Ji|'l>nfra;.''-.
Isaalc Hirsch. Hanrover. I Vii
No. 1-4!». .■^al'iriioni-'-h>- >[>ni«-hi*>i«h>if.
lahrga.-g I*S4.
f! >■ r !i fi »• r .V H. r i .; n .1. 1 z »• i r u n :/■ . iU-.rVia.
;»; .\rT:: :-.',4. '»rf'-r:- .X.'ifr .'>- -m 'li- [.•■iv-r '!»- zufol^-»- 'i-- f'ro-
.\o. 1. 4. ♦;. V IM. 12. 1.; IT. !■.. 21. 2',. 2.;. •'•... .;2. U. ■... i- X!. _^„,,„,,., ,.„„, p..^,ruar .1. J. in Bn-^lau zu Molf-
44. 4« -.,<». '«al..moni<.-ti.- .-j.nirh-A.-i-h.-ir.. r,..,^,)..^^ -.fninar^ für k.a.hiri-r un-l r>-hr*-r.
lahrgang inüV I" -^ ■■■- '"''+• ^-i''- 'Uib.M,,i^-rn- Fra/.-.
.Vo. 1. 4. "•. I'i. 14 !.'>. Sal'«ni"ni-'-h>- '«[-ri'h *-i-h'ir
No. ;>.>..->;•;{. Au ffor.i-nin:.' zur F.il.lun.' -in-r ..Fr-i.-:i V.T>-i.';i.".n.' ^' 1 - r .r, - : 1 r 1 . .• h ►• r U. - i r h -. i, 0 r ^: . h.-,m.
für «li»- Inr>r.-.».ii .1— •.rrtiv.l'.X'-n Ju.l-nrurn-- T 1 - •■ h r 1 . A 1- 'Iffi. J—huniri.
D Gedruckte Gutachten.
f r n t a <• h t *- n an Hrrrri f'>.-zirk-rafphiri'T J. K. i,; -■.--r. W r:i.-. V''''''""' -'•'■'''■'" '•-- ■^■—hiriCi. .\pn;-J'ini I-TO un'! in .Vo. 20 'l»:-
I.y Juni I'.'jI. i.'>-.lr.i'-kr irii [-r.fli'' 1'.'". r-T-"- K: ," r r....- ■ ..J-r,'.,'-j:-- >T".
Hf-forni*ii '' ."•-••.'-"■•:. '.••zrij':ii-.ri >]-•- Hr---l,i..,'-r {'rt..')r,i.'.>:-rr*-minrt.r- I-T;>.
'i u t a <• h t »^ n an H>-mi }:.iKr.in>T -«.•.; :i.-.^ .\' :■ --^ .■:-.•- ..f---, ::-- .^ .. ;: l-T:».
srHlni<*kt in ..HahMni*'-h>- ' 'ur n-nr^- , n:,--r .!]•■ }>--,-; . .- - - - ~ , -'.-r .\f-ziz.:f: /"rrfurr^-l - .-in^rr i/.^.--
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^Tf-lnir-kf in -*;-- r-r l'^^'<. .:-rr;. f. fr., fr;:.-. .\.:.--.r i,,:^. h.-rr. -li- Vt-r-
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Derlag pon 3. Hauiimann in Sranhiurf a. JH.
Gesammelte Schriften.
Herausgegeben \ on Justizrat Dr. N. Hirsch. 0 w.
Bd. I. brosch.M.4.50 Kr. 5.30 ö. W.; Lwbd M. 5.50 Kr. 6.50
.11. . . 4.50 .. 5 30 5.50 ^ .. 6.50
. 111. .. .. 5.- .. 6.- 6.- .. 7.15
.IV. _ .. 5.— - .. 0.— 6.— = ^ 7.15
n-iirir Versuche über Jissroels Pflichten
in der Zerstreuung.
3. .Auflage mit Bildnis.
broschiert M. 650 - Kr. 8.— ö.W.
in eleg. reich geprellt Leinwandbd.
in feinem Halbfranzband
7.50
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nnin -i^^^in nZ'üru Der Pentateuch
übersetzt und erläutert.
5 Teile, neue bilHge unveränderte Ausgabe
Jeder Teil broschiert M. 2.50 Kr. 3. - ö. VV.
. ineleg. reich gepreßt. Lwbd. „ 3.50 .. 4.20 .. ..
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^^"li^*" m^DH niiD/ Israels Gebete
übersetzt und erläutert. 2. Auflage.
broschiert Mk. 3.50 Kr. 4.20 ö.W.
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in Prachtleinwandband mit Qoldsch. ., 5.50 .. 6.50 .. ,.
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Diese Ausgabe des Qebetbuclies enthält eine vollständige Uebersetzung-
und einen ausführlichen deutschen Kommentar. — Die Ausstattung ist eine
vorzügliclie — guter, deutlicher Druck, kräftiges weilies Papier, handliches
Format — , sodali sich dieses Werk nicht nur zum täglichen Gebrauche und
zum Studium der Gebete, sondern auch als Geschenk und Prämie vorzüglich
e;gnet.
□"»^np' Die Psalmen
übersetzt und erläutert, 2 Teile in einem Bande. 2. Auflage.
broschiert M. 7.50 - Kr. 9.— ö. W-
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in feinem Halbfranzband .... „ 9.— . 10.80 . .
(Ben Usiel) 19 Briefe über Judentum.
broschiert. . ^\k. 2.50 - Kr. 3.- ö W.
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Über die Beziehung d.Talmud zum Judentum.
Mk. 1.- Kr. 1.20 ö. W.
Worte am Vorabend der Schillerfeier
gesprochen bei der Schulfeier der Unterrichtsanstalt der
Israelitischen Religionsgesellschaft
zu Frankfurt a. M. den 9. Nov. 1859.
2. Auflage. Mk. -.50 Kr. -.60 ö- W.
Ferner erschien in meinem Verlage:
Samson Raphael Hirsch und die Israel.
Religionsgesellschaft zu Frankfurt a. M.
von .Wendel Hirsch.
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Kr. 120.
Portrait von Samson Raph. Hirsch.
Folio, Mk. 2." Kr.2 40ü.W :Oktav,Mk.-.60 = Kr.-.80ö.W.
Trankfurt a. IH.
3. Kauffmann, Verlag.
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BM Samson Eaphael Hirsch
755
II4.8S3